Rx-Boni-Werbung

Ohne Vorsatz keine Berufspflichtverletzung

Berlin - 26.10.2018, 11:30 Uhr

Ein Apotheker aus Berlin muss nun doch keine Geldbuße wegen seiner Werbung mit Ein-Euro-Gutscheinen für die Rezepteinlösung im Jahr 2010 zahlen. (Foto:  Дмитрий Абрамов / stock.adobe.com)

Ein Apotheker aus Berlin muss nun doch keine Geldbuße wegen seiner Werbung mit Ein-Euro-Gutscheinen für die Rezepteinlösung im Jahr 2010 zahlen. (Foto:  Дмитрий Абрамов / stock.adobe.com)


Später Freispruch: Ein Berliner Apotheker, gegen den das Berufsgericht im April 2013 wegen seiner Werbung für Ein-Euro-Rezeptboni eine Geldbuße von 5000 Euro verhängt hatte, ist nun vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg freigesprochen worden. Zwar habe er mit seinen Boni eine zu ahnende Berufspflichtverletzung begangen – es habe ihm jedoch am ebenfalls nötigen Vorsatz hierfür gefehlt, befand das Gericht.

Nachdem der Bundesgerichtshof im September 2010 seine sogenannten Boni-Urteile gesprochen hatte, denen zufolge Rezept-Boni bis zu einem Euro wettbewerbsrechtlich nicht „spürbar“ und damit erlaubt seien, hatten zahlreiche Apotheker entsprechende Werbeaktionen gestartet. So auch in Berlin. Einer dieser Apotheker hatte im Oktober und im November 2010 zwei Anzeigen geschaltet, in denen er mit einem Ein-Euro-Wertgutschein für die Rezepteinreichung warb. Die Apothekerkammer Berlin ging gegen ihn – sowie gegen weitere Apotheker – vor und erließ zwei Rügebescheide mit der Auflage, einmal 5000 und einmal 2500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen.  Der Apotheker wehrte sich – allerdings zunächst erfolglos.

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Nachträgliche Erklärung

Im April 2013 bestätigte das Berufsgericht für die Heilberufe am Verwaltungsgericht Berlin, dass die Ahndung durch die Kammer rechtens war und verhängte eine 5000 Euro-Geldbuße. Die wettbewerbsrechtliche Spürbarkeitsschwelle wollte das Gericht nicht einfach auf das Berufsrecht übertragen. Denn was wettbewerbsrechtlich in Ordnung ist, muss noch lange nicht ordnungs- oder berufsrechtlich zulässig sein.

Berufungsinstanz zweifelt nicht an Berufspflichtverletzung

Mehr als fünf Jahre später entschied nun das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über die Berufung des Apothekers. Es änderte das vorinstanzliche Urteil ab und sprach den Pharmazeuten frei. In seinem äußerst ausführlichen Urteil führt das Gericht auf mehreren Seiten aus, warum ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 der Berufsordnung der Apothekerkammer Berlin und damit eine Berufspflichtverletzung vorlag. Bekanntlich dürfen Apotheken (jedenfalls deutsche) nicht von den Festpreisen der Arzneimittelpreisverordnung abgehen – auch nicht in Form von Boni. Das sieht das Arzneimittelgesetz in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung vor – und eben dies greift auch die Berufsordnung auf.

Eingehend legen die Richter dar, warum die wettbewerbsrechtlichen Überlegungen des Bundesgerichtshofs (die mittlerweile durch eine Gesetzesänderung überholt sind) die arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften und die ihrer Durchsetzung dienenden berufsrechtlichen Regelungen nicht einzuschränken vermögen, sich die Übernahme der Spürbarkeitsschwelle hier also verbietet. Denn es geht hier um verschiedene Regelungsbereiche mit unterschiedlichen Zielrichtungen. Im Wettbewerbsrecht geht es um den Schutz vor spürbaren Beeinträchtigungen durch Mitbewerber, während die in § 78 Abs. 1 AMG und der Arzneimittelpreisverordnung geregelten Festpreise die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung sicherstellen sollen – nämlich indem kein ruinöser Wettbewerb zwischen den Apothekern stattfindet. Sehr detailliert legt das Gericht die Bedeutung der Preisbindung dar, auch dass im Ordnungsrecht keine konkrete Gefährdung anderer Apotheken nötig ist. Vielmehr müsse einem die Versorgungssicherheit gefährdenden Preiswettbewerb schon von Anfang an entgegengewirkt werden.

Apotheker durfte annehmen, dass seine Werbung zulässig war

Auch auf verfassungs- und europarechtliche Aspekte gehen die Richter eingehend ein – es bleibt für sie kein Zweifel, dass eine objektive Verletzung der Berufspflichten vorlag. Aber: Dem Apotheker lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht nachweisen, dass er diese Pflichten vorsätzlich verletzt hat. Und im berufsrechtlichen Verfahren gilt das Schuldprinzip. Der Beschuldigte muss wissen, dass er Vorschriften verletzt und dies auch wollen. Dem Urteil zufolge fehlte es dem Apotheker hier bereits am Wissenselement des Vorsatzes.

Zwar hatte auch der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 9. September 2010 festgestellt, dass die Gewährung von Wertgutscheinen für Rezepte gegen die Preisvorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel verstößt. Doch die vollständigen Urteilsgründe hätten dem Apotheker zum Zeitpunkt seiner Werbeaktionen noch nicht bekannt sein können, so das Oberverwaltungsgericht. Denn sie seien noch nicht veröffentlicht gewesen. Es sei auch nicht festzustellen, dass der Apotheker differenzierte Informationen über einen Kammer-Newsletter vom Oktober 2010, die Pressemitteilung des Bundesgerichthofs oder die Fachpresse erhalten habe. Er sei überdies nicht verpflichtet gewesen, sich diese Informationen zu beschaffen, so das Gericht. Vielmehr habe er angesichts der Presseberichte, die nicht zwischen der wettbewerbs- und der arzneimittelrechtlichen Zulässigkeit solcher Werbeaktionen unterschieden, davon ausgehen können, dass seine Aktion wettbewerbsrechtlich zulässig war. Tatsächlich sei die Rechtslage damals „angesichts divergierender Entscheidungen von Oberlandesgerichten“ noch ungeklärt gewesen. 

Und so endete ein langer Streit mit einem Freispruch – und die Apothekerkammer Berlin muss die Kosten des Verfahrens zahlen. Das nun ergangene Urteil ist unanfechtbar.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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