HCT und weißer Hautkrebs

„Antihypertensiva auf keinen Fall absetzen“

Stuttgart - 02.11.2018, 17:30 Uhr

Patienten, die den Wirkstoff HCT einnehmen, sollten ihre Haut auf Veränderungen untersuchen und gegebenenfalls ein Hautkrebs-Screening bei einem Facharzt vornehmen lassen. (j/Foto: animaflora / stock.adobe.com)

Patienten, die den Wirkstoff HCT einnehmen, sollten ihre Haut auf Veränderungen untersuchen und gegebenenfalls ein Hautkrebs-Screening bei einem Facharzt vornehmen lassen. (j/Foto: animaflora / stock.adobe.com)


Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie warnt seit vergangenem Mittwoch eindringlich vor dem Absetzen von HCT-Präparaten. Am 17. Oktober hatte ein Rote-Hand-Brief darauf hingewiesen, dass Patienten, die HCT als Mono- oder Kombinationspräparat einnehmen, über das Risiko von nichtmelanozytären Hautkrebs informiert werden sollten. Diese wichtige Mitteilung solle laut DGK nun aber nicht dazu führen, dass Blutdruckmedikamente abgesetzt werden.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) leiden in Deutschland geschätzt 20 bis 30 Millionen Menschen an arterieller Hypertonie. Circa 45 Prozent dieser Patienten sollen blutdrucksenkende Präparate erhalten, die das Diuretikum Hydrochlorothiazid (HCT) enthalten. In einer Pressemitteilung vom 31. Oktober 2018 warnt die DGK nun eindringlich, dass Blutdruckpatienten ihre HCT-Präparate nicht absetzen sollen. Grund dieser Warnung sind Daten aus dem dänischen Krebsregister und dem nationalen Verschreibungsregister, auf deren Basis zwei neue Studien aus Dänemark einen kumulativen dosisabhängigen Zusammenhang zwischen HCT und nicht-melanozytärem Hautkrebs (NMSC) zeigen. Je nach Höhe der kumulativen Dosis HCT könnte sich laut den dänischen Studien für Basalzellkarzinome (BCC) das Risiko um das 1,3-Fache und für Plattenepithelkarzinome (SCC) um das 4- bis 7,7-Fache erhöhen. Ein Rote-Hand-Brief informierte die Angehörigen der Heilberufe am 17. Oktober über das Risiko. Je nach Region sollen in Europa zwischen 1 und 34 pro 100.000 Einwohnern an einem SCC und zwischen 30 und 150 von 100.000 Menschen an einem BCC erkranken.    

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Die Medikamente auf Basis der dänischen Daten abzusetzen, sei mit großen Risiken verbunden (Lancet 387: 957, 2016), heißt es in der Pressemitteilung der DGK: „Wie außerordentlich wichtig eine blutdrucksenkende Therapie ist, zeigen uns belastbare Studiendaten“, erklärt Prof. Dr. Felix Mahfoud vom Universitätsklinikum des Saarlandes in der Pressemitteilung. „Pro Senkung des systolischen Praxis-Blutdrucks um 10 mmHg sinkt auch die Sterblichkeit, und zwar um 13 Prozent. Das relative Risiko, dass Patienten einen Schlaganfall erleiden oder eine Herzinsuffizienz entwickeln, verringert sich sogar um 30  Prozent.

Zusammenhang zwischen Krebsrisiko und Hochdruck an sich

Hinzu komme, dass die Ergebnisse der dänischen Studie nur begrenzt aussagekräftig seien. DGK-Pressesprecher Prof. Dr. Michael Böhm gibt zu bedenken: „Den Autoren lagen keine Informationen über die Sonnenexposition der Patienten vor, die ein Basal- oder Epithelzellkarzinom entwickelt hatten. Genauso wenig bekannt waren Daten zur familiären Prädisposition. Beide Faktoren sind aber äußerst wichtig für die Entstehung dieser Art von Karzinomen. Außerdem gibt es einen Zusammenhang zwischen Krebsrisiko und Hochdruck an sich (Hypertension 59: 802, 2012).“

Wechseln statt absetzen

Auch wenn man HCT laut DGK also nicht absetzen soll, Alternativen nennt die Fachgesellschaft: Es seien neben HCT Diuretika auf dem Markt, die mindestens eine gleich gute Wirksamkeit aufweisen. Dennoch solle man sich für einen Wechsel des Diuretikums nicht leichtfertig entscheiden: „Die von den aktuellen Leitlinien empfohlenen Kombipräparate aus beispielsweise AT1-Rezeptorantagonisten und Diuretika enthalten fast immer HCT. Von den kombinierten Präparaten zu Einzelpräparaten zu wechseln, sollte aber nur wenigen Patienten geraten werden, weil Kombipräparate nachweislich die Therapietreue der Patienten erhöhen und somit für eine deutlich effektivere Senkung des Blutdrucks sorgen“, wird Prof. Dr. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig in der Pressemitteilung zitiert.

Kombipräparate mit Diuretika wie Indapamid oder Chlorthalidon

Ein Wechsel zu alternativen Wirkstoffen müsse ohne Frage dann angeraten werden, wenn Patienten an Hautkrebs erkranken oder eine Haukrebsvorerkrankung besteht: „Auch aufgrund der weniger ausgeprägten Blutdrucksenkung von HCT ist es ausgesprochen wichtig, dass in Zukunft Kombipräparate mit Diuretika wie Indapamid oder Chlorthalidon auch in Deutschland verfügbar werden“, meint Professor Mahfoud. 

Indapamid ist in Deutschland laut Lauer-Taxe beispielsweise in Kombination mit einem ACE-Hemmer (Perindopril-Arginin) erhältlich. Chlortalidon ist in einer Kombination mit dem β-Rezeptoren-Blocker Atenolol oder Metoprolol oder als Dreierkombi mit Atenolol und Hydralazin im Handel.

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Die Thiazid-analogen Diuretika Indapamid und Chlortalidon blockieren wie das Thiazid-Diuretikum HCT im frühdistalen Tubulus den Na⁺/Cl⁻-Cotransporter. Dadurch werden verstärkt Wasser, Natrium- und Chlorid-Ionen ausgeschieden. Die Substanzen wirken antiödematös, antihypertensiv und senken die Vor- und Nachlast. In den Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga von 2013 kann man nachlesen, dass die Überlegenheit von Chlorthalidon oder Indapamid gegenüber konventionellen Thiaziddiuretika, „einschließlich dem in Deutschland häufig verwendeten Hydrochlorothiazid“, diskutiert wurde. Dieser Diskussion habe man sich gestellt und sei in den Leitlinien zu dem Schluss gekommen, dass die Studienergebnisse kontrovers sind und die Evidenz für eine Bevorzugung bestimmter Diuretika nicht vorhanden sei. Diuretika (Thiazide, Chlorthalidon und Indapamid), Betablocker, Calciumantagonisten, ACE-Hemmer und Angiotensinrezeptorblocker seien alle für den Beginn und die Fortsetzung der antihypertensiven Behandlung geeignet und empfohlen, sowohl als Monotherapie als auch in Kombination miteinander. 

Patienten, die den Wirkstoff HCT einnehmen, sollten ihre Haut auf Veränderungen insbesondere an bestehenden Läsionen untersuchen und gegebenenfalls ein Hautkrebs-Screening bei einem Facharzt vornehmen lassen. Präventiv sollten sie außerdem einen angemessenen Sonnenschutz verwenden und eine übermäßige Exposition gegenüber Sonnenlicht und UV-Strahlen vermeiden.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Und wer informiert nun die Patienten…?

von Gunnar Müller, Detmold am 04.11.2018 um 15:17 Uhr

Da diese Frage durch Rote–Hand-Brief NICHT beantwortet wird, haben wir von der Fraktion BasisApotheker aus die AMK und AKdAe um eine dringend erforderliche Abstimmung gerade in diesem Punkt gebeten.
Man überlege nur einmal, was passiert, wenn WIR als Apothekerschaft unsere Patienten über solche Risiken aktiv informieren…
Unser Zwischen-Fazit:
Rote–Hand-Briefe OHNE Abstimmung der weiteren Vorgehensweise mit der Ärzte– und Apothekerschaft sind kontraproduktiver Sturm im Wasserglas!
BMG und BfArM wurden informiert. Hoffen wir also das Beste ....

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