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Gerichtsurteile
Apothekerin: Zwei Jahre auf Bewährung wegen Doping-Versorgung
Eine Apothekerin aus Köln hat offenbar angesichts einer wirtschaftlichen Notlage vielfach das Recht gebrochen: Sie versorgte zusammen mit einem Augenarzt die lokale Bodybuilder-Szene mit Dopingmitteln, heißt es in Gerichtsurteilen – und belieferte Rezepte auf Chinesisch, die sie gar nicht entziffern konnte. Womöglich droht ihr nun der Approbationsentzug.
Eine Anfang 60-jährige Kölner Apothekerin musste sich wegen der Abgabe von Doping-Mitteln, äußerst problematischen Zuständen in ihrer Rezeptur und der Belieferung von Rezepten auf chinesischer Sprache in mehreren Verfahren vor Gericht verantworten. So hatte die Staatsanwaltschaft Köln Anklage wegen unerlaubter Abgabe von Arzneimitteln und gewerbsmäßiger Abgabe von Dopingmitteln erhoben. Nach dem nun ergangenen Urteil des Amtsgerichts Köln hat sie zwischen 2014 und 2017 in 273 Fällen interessierte Kunden Testosteron, Clenbuterol, Choriongonadotropin, Nandrolon, Exemestan, Tamoxifen und Clomifen versorgt. Um eine legale Arzneimittel-Abgabe vorzutäuschen, hat sie von einem Augenarzt, der seit Herbst 2015 nicht mehr ärztlich niedergelassen war, Privatrezepte angefordert, die dieser ohne vorausgegangene Untersuchung der Patienten und ohne entsprechende Indikation ausgestellt hat.
Dabei waren Patientendaten nicht vollständig eingetragen und der Stempel einer nicht existierenden Praxis verwendet worden. Die Rezepte waren offenbar teils auch erst nach der Arzneimittelabgabe ausgestellt worden. Die Apothekerin gab die ihr vorgeworfene Praxis mehrfach zu. Bei einer Inspektion des Gesundheitsamts im Mai 2016 auf die enorme Abgabe von Testosteron und ähnlichen Präparaten angesprochen räumte sie laut den Amtsapothekerinnen mündlich ein, dass sie seit ungefähr drei Jahren etwa 50 Patienten mit Testosteron-Ampullen „versorge“; hierfür erhalte sie von dem Augenarzt und auch von anderen Ärzten ausgestellte Privatrezepte. Sie zeigte rund 120 Rezepte des Augenarztes vor, die er zwischen Dezember 2014 und Mai 2016 ohne vollständige Angaben zum Patienten ausgestellt hatte. Außerdem fanden sich Kassenbelege für verkaufte rezeptpflichtige Arzneimittel mit dem Vermerk, dass ein Rezept fehle.
Rezept-Deal mit einem nicht niedergelassenen Augenarzt
Am Tag der Inspektion bestätigte die Antragstellerin auch, dass sie an rund 50 Personen Testosteron abgegeben hat. Bei einer Vernehmung im April 2017 erklärte sie, sie habe mit dem Augenarzt vereinbart gehabt, dass er die Rezepte ausgestellt, die in ihrer Apotheke eingelöst worden seien. Sie habe sich zur internen Regel gemacht, monatlich nie mehr als 30 Ampullen von je 1 ml an einen Kunden abzugeben. Nach Auswertung der Anklage wurde jedoch wiederholt deutlich mehr abgegeben. Auf ihrem Handy fanden sich zahlreiche WhatsApp-Sprachnachrichten an den Arzt, mit denen sie ein Rezept über ein bestimmtes Präparat anforderte. Ein Zeuge erklärte, die Apothekerin habe ihm gesagt, dass er das Testosteron-Präparat gegen ein bei dem Augenarzt erhältliches Privatrezept erhalten könne – er erhielt es ohne Untersuchung. Laut einem Mitarbeiter der Apotheke kamen immer wieder Kunden, die nach Testosteron und dem Arzt fragten. Eine Mitarbeiterin sprach von einem Stapel Blanko-Rezepten, den es in der Apotheke gegeben habe.
Als Verteidigung erklärte die Apothekerin, der Arzt habe ihr einen wissenschaftlichen Artikel vorgelegt und erklärt, er behandle Diabetes-Patienten mit Augenproblemen auch mit Testosteron. Derartige „augenheilkundliche Motive“ hatte sie jedoch weder bei der Inspektion im Mai 2016 noch bei ihrer Vernehmung noch in den ausgewerteten WhatsApp-Kontakten auch nur angedeutet. In einer Sprachnachricht hatte sie vielmehr über Kunden berichtet, die gerne Ketamin in einer größerer Menge verschrieben haben möchten. Sie erklärte selber, sei wolle die „Lifestyle-Kultur“ nicht übermäßig in den Himmel heben – dennoch fragte sie den Augenarzt, ob er ab und zu größere Mengen verordnen könne.
Unerlaubte Abgabe von Dopingmitteln: 273 Fälle
Das Amtsgericht Köln sprach sie daher nun der gewerbsmäßigen unerlaubter Abgabe von Dopingmitteln in 273 Fällen und wegen Betrugs in 33 Fällen – davon in 32 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung – schuldig (Az. 581LS255/18). Die Verteidigung erbat eine milde Strafe, die Staatsanwaltschaft beantragte die dann vom Gericht verhängte und rechtskräftige zweijährige Bewährungsstrafe. Als strafmildernde Gründe machten die Richter geltend, dass sie unter „sehr schwerem wirtschaftlichem Druck stand“, wie eine Gerichtssprecherin gegenüber DAZ.online erklärte: Gegenüber dem Gesundheitsamt hatte sie Ende 2017 gesagt, erhebliche Steuerschulden in Höhe von 80.000 Euro zu haben – die Apothekenaufsicht schätzte ihren Jahresumsatz auf 2000 bis 2500 Euro netto. Außerdem gestand sie vor Gericht. „Sie hat alles eingeräumt“, sagte die Sprecherin.
Ordnungsverfügungen wegen Probleme in der Rezeptur
Doch neben der Abgabe von Dopingmitteln gab es weitere Probleme: Mit Ordnungsverfügungen untersagte ihr das Gesundheitsamt in den Jahren 2014, 2016 und 2017 jeweils die Arzneimittelherstellung, weil immer wieder Mängel bei der Prüfung von Ausgangsstoffen, der Entsorgung verfallener Ausgangsstoffe und Betäubungsmittel, der Dokumentation der Betäubungsmittelbestände und hinsichtlich des Hygienezustands ihres Labors aufgetreten waren. Bei einer Verfügung waren auch zwei Wochen später die Mängel nicht vollständig beseitigt – nur mit Unterstützung des Gesundheitsamtes war die Apothekerin in der Lage, den Auflagen nachzukommen.
Außerdem verkaufte sie während des laufenden „Doping“-Strafverfahrens zwischen Juli 2016 und Dezember 2017 in 39 Fällen rezeptpflichtige Arzneimittel im Wert von rund 88.000 Euro an Firmen auf der Grundlage von „Rezepten“ mit – abgesehen vom Arzneimittelnamen – für sie unverständlichen chinesischen Schriftzeichen. Es handelte sich teils um Krebsmittel. Rezeptaussteller, Adressat und sonstigen Inhalt konnte sie nicht. Die Apothekerin erklärte, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel nur auf Rezepte aus Deutschland oder Europa ausgegeben werden dürfen und eine Überprüfung der ausstellenden Person möglich sein muss. Eine handschriftliche Unterschrift war auf den Rezepten nicht erkennbar – Übersetzungen zweier Rezepte ließen nicht darauf schließen, dass sie von einem Arzt ausgestellt wurden.
Das Amtsgericht Köln verurteile sie in einem anderen Verfahren wegen unerlaubter Abgabe von Arzneimitteln in 39 Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 65 Euro (Az. 581 Ds 160/18), das Urteil ist gleichfalls rechtskräftig. Außerdem ordneten die Richter die Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 88.344,73 Euro an.
Die Apothekerin verlor weiterhin zwei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln, mit denen sie sich gegen die Anordnungen der Bezirksregierung Köln zum Ruhen ihrer Approbation sowie zur Schließung ihres Betriebs richtet. Egal ob ihr die Regeln zur Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel unbekannt waren oder ob sie sie bewusst missachtet hat: Es bestätige sich, dass die Apotheker „auch im Angesicht der anhängigen Straf- und Approbationsverfahren“ nicht imstande sei, ihren Schutzpflichten nachzukommen, erklärten die Richter.
Arzneimittel verkauft während behördlicher Schließung
Selbst gegen eine zweitägige behördliche Schließung der Apotheke im Juni 2018 verstieß die Apothekerin, indem sie an einem der Tage Arzneimittel verkaufte. „Dies zeigt, dass sie rechtliche Vorgaben für ihre Tätigkeit beharrlich ignoriert und auch behördliche Ahndungen von Verstößen nicht zum Anlass nimmt, zu einem ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb überzugehen“, erklärten die Richter. So gab die Apothekerin auch weiter Testosteronpräparate ab, nachdem das Gesundheitsamt im Mai 2016 bei einer Inspektion diesbezügliche Pflichtverstöße festgestellt, sie hierauf hingewiesen und im August 2016 durch eine entsprechende Mitteilung an die Staatsanwaltschaft die Einleitung des Ermittlungsverfahrens veranlasst hatte.
Gericht: Approbation muss ruhen
Auch die „massive wirtschaftliche Notlage“ sah das Verwaltungsgericht als Grund, ihre Approbation ruhen zu lassen: Diese erhöhe die Gefahr, dass die Antragstellerin nach weiteren Möglichkeiten sucht, ihren Beruf zu unzulässigen Einnahmemöglichkeiten zu nutzen und dabei ihre finanziellen Interessen den Pflichten als Apothekerin unterordnet. „Eine auch nur begrenzte weitere Ausübung des Apothekerberufes durch die Antragstellerin ist zum Schutz von Kunden der Apotheke vor Gesundheitsgefahren für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht hinnehmbar“, erklärte das Gericht (Az. 7 L 1896/18). Mit ihrem später vom Amtsgericht festgestellten Verhalten habe sie aktiv darauf hingewirkt, dass scheinbare – weil nicht auf einer medizinischen Indikation beruhende – Rezepte erstellt wurden und dadurch den bestimmungswidrigen Einsatz gefährlicher Substanzen begünstigt, argumentieren die Richter. „Sie hat damit die missbräuchliche und gefährliche Nutzung der Mittel durch ihre Kunden erst ermöglicht.“ Die Kammer verkenne nicht, „dass die Maßnahme die Antragstellerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht“, heißt es im Urteil.
Auch in Sachen des Entzugs der Betriebserlaubnis und der Schließung der Apotheke urteilte das Gericht ähnlich (Az. 7 L 1895/18). Das Verwaltungsgericht sah auch den Sofortvollzug als erforderlich an, um weitere gravierende Verstöße der Antragstellerin gegen Berufspflichten und die damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit von Kunden der Apotheke abzuwenden. Die Vielzahl strafrechtlicher Verfehlungen zeigten laut den Richtern, dass die Apothekerin das für die Leitung einer Apotheke erforderliche Verantwortungsbewusstsein und Fachwissen nicht hat.
Richter: Apothekerin handelte verantwortungslos
„Sie hat ihr Verhalten auch in den vorliegenden Verfahren nicht abgestritten, sondern sich lediglich auf Verfahrensfehler des Amtsgerichts sowie auf die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Rechtsmittelfrist berufen“, schreiben die Richter in Bezug auf die Belieferung der angeblichen chinesischen Rezepte, die teils für Krebspatienten ausgestellt waren. „Eine Abgabe von Arzneimitteln an diese Patienten ohne Prüfung der ärztlichen Überwachung erscheint in hohem Maß verantwortungslos.“ Die Apothekerin erklärte, Rezepte auch nachreichen zu können. Dies legte das Gericht zu ihren Ungunsten aus: Es bemängelte, dass ihr „immer noch nicht“ klar sei, dass die Abgabe von Rx-Arzneimitteln nicht zulässig ist, wenn das Rezept bei der Abgabe nicht vorliegt, und dass dieses grundsätzlich auch nicht nachgereicht werden kann. „Dieses grundsätzliche Fehlverständnis der Berufspflichten bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln führt zu der Annahme, dass die Antragstellerin diese auch weiterhin verletzen und hierdurch Gesundheitsgefahren für die davon betroffenen Patienten auslösen kann.“
Die Apothekerin berief sich vor Gericht auf die zusätzliche Anwesenheit eines approbierten Apothekers, der jedoch 80 Jahre alt war. Diese Maßnahme sei „nicht geeignet, die Einhaltung aller Pflichten im Apothekenbetrieb sicherzustellen“, erklärten die Richter: Sie verkenne auch hier, dass sie die Leitung der Apotheke nicht auf einen anderen Apotheker übertragen kann, da die Apothekenbetriebserlaubnis nur für den Apotheker gelte, für den sie erteilt ist. Auch in Bezug auf sein Lebensalter bestünden erhebliche Zweifel, ob ihr Kollege zu einer Neuorganisation des Apothekenbetriebes bereit und in der Lage ist. Doch auch als die Apothekerin anschließend erklärte, sie habe externe Berater bestellt, die die Betriebsabläufe und Personalverhältnisse neu organisieren sollen, ließen sich die Richter nicht umstimmen.
Auch gegen den Augenarzt wurde ermittelt
Die Staatsanwaltschaft Köln erklärte auf Nachfrage von DAZ.online, dass auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Augenarzt existiere – doch sei dies derzeit vorläufig eingestellt. „Nähere Angaben zu den Gründen der Einstellung können zum Schutz von Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten nicht gemacht werden“, hieß es. Die Apothekerin darf erstmal nicht arbeiten. „Der Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis und die Schließung der Apotheke liegen in der Zuständigkeit der Unteren Gesundheitsbehörde der Stadt Köln“, erklärte eine Sprecherin der Bezirksregierung Köln auf Anfrage. Ein entsprechendes Verfahren sei anhängig.
„Ob die Approbation der Apothekerin aufgrund der Verurteilungen zu widerrufen, also endgültig zu entziehen ist, wird derzeit geprüft“, sagt sie. Es sei beabsichtigt, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten, sobald das rechtskräftigte Urteil des Verfahrens schriftlich vorliegt. „Bis zur endgültigen Entscheidung bleibt der Apothekerin die Berufsausübung weiterhin untersagt.“
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