Apothekerkammer Schleswig-Holstein

Versorgungsrichtlinie als neue Perspektive für Apotheker?

Kiel - 30.11.2018, 17:45 Uhr

Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sprachen auf der Kammerversammlung in Kiel über mögliche Alternativen zum Rx-Versandverbot. ( r / Foto: tmb)

Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sprachen auf der Kammerversammlung in Kiel über mögliche Alternativen zum Rx-Versandverbot. ( r / Foto: tmb)


Der schleswig-holsteinische Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen fordert von der Politik eine Perspektive und für die Arbeit der Apotheken eine „große Klammer, die alles zusammenhält“. Dafür bringt der schleswig-holsteinische Verbandsvorsitzende Dr. Peter Froese eine einheitliche Versorgungsrichtlinie ins Gespräch.

Im Mittelpunkt der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 28. November in Kiel stand der Besuch des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt. Doch zuvor äußerte sich Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, zur berufspolitischen Situation. Dabei hob er die Gleichpreisigkeit als wesentliches Ziel hervor. Zudem kritisierte er die ABDA, sie habe sich zwei Jahre lang hinter der Beschlusslage zum Rx-Versandverbot zurückgezogen. Allerdings äußerte sich Schmidt zwei Stunden später zu den Alternativen, die die ABDA zuletzt durchdacht und mit dem Gesundheitsministerium besprochen habe.

Christiansen warf die Frage auf, wie die deutsche Vor-Ort-Apotheke in die jetzige Lage gekommen sei. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir an irgendeiner Stelle eine falsche Abbiegung genommen haben und in einer Sackgasse gelandet sind“, erklärte Christiansen. Diese Abbiegung habe mit einem roten Preisetikett begonnen, das irgendein Apotheker auf eine Packung geklebt hat.

Große Schritte gefragt

Jetzt stünden die Apotheken vor vielen Fragen zu Schließungen, zur Digitalisierung, zur Honorierung, zum Fachkräftemangel und zur Notdienstversorgung. Jetzt würden die Debatten geführt, die schon in den vorigen zwei Jahren nötig gewesen wären. Daraus folgerte Christiansen: „Jetzt geht es nicht darum, einen kleinen Schritt zu gehen, sondern wir müssen uns trauen, jetzt große Schritte zu gehen.“ Dafür müsse die Politik den Apothekern Vertrauen entgegenbringen, vor allem mit Taten. Die Politik müsse sich entscheiden: „Steht sie hinter uns oder steht sie hinter dem Großkapital?“ fragte Christiansen und ergänzte: „Die Politik muss uns eine Perspektive bieten.“ Zur Bekräftigung berichtete er, dass kürzlich ein Existenzgründerseminar für Apotheker aus Mangel an Interesse abgesagt werden musste. 

Eigene Vorschläge der Apotheker nötig

Von der ABDA wünscht sich Christiansen, dass sie beim Gesundheitsminister mit eigenen Vorschlägen auftritt. Die bisher diskutierten Vorschläge seien überwiegend aus dem Ministerium gekommen. Doch die Apotheker hätten ein Recht auf eine bessere Honorierung, nicht nur für neue Leistungen, sondern für die jetzige Leistung. Christiansen forderte eine „große Klammer, die alles zusammenhält“. Dazu sollte über die Formen der Versorgung einschließlich der digitalen Versorgung gesprochen werden.

Neue Idee: Versorgungsrichtlinie

Dies griff Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, auf. Die Apotheker müssten zahlreiche Regeln aus verstreuten Vorschriften beachten. Als Alternative brachte Froese eine einheitliche Versorgungsrichtlinie ins Gespräch, die aus der Patientensicht gedacht werden sollte. Sie müsse berücksichtigen, was Alte, Demente und Patienten mit Bedarf an Spezialpharmazie benötigen und sie müsse auf die Digitalisierung eingehen.

So entstehe eine tragfähige Beschreibung von Apotheken und eine notwendige Klammer für die Leistungen. In anderen Ländern gebe es solche Beschreibungen. Als weiteres Argument dafür führte Froese an, dass alle wichtigen Leistungen der Apotheken defizitär seien. AMTS, Compliance und Landversorgung seien keine Geschäftsmodelle, wenn die Honorierung an Packungen geknüpft ist. Doch eine Versorgungsrichtlinie biete einen ganz anderen Ansatz.

In der späteren Diskussion mit Schmidt wiederholte Froese diesen Vorschlag. Schmidt zeigte sich dafür aufgeschlossen. Doch dies sei ein großer regulatorischer Auftrag und Schmidt bezweifelte, ob Minister Spahn so weit gehen werde.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von Reinhard Rodiger am 30.11.2018 um 21:12 Uhr

Seltsam ist es schon. Einerseits bekommen wir nur mitgeteilt, was vermutlich nicht geht, andererseits aber auch keine Information über die Forderung bzw die Auseinandersetzung darüber. Dann kommt von Kammerseite das, was längst vom DAV hätte artikuliert werden müssen. Wenn immer nur Echo der Politik gespielt wird, braucht man sich nicht zu wundern, wie es ausfällt. Es ist schwer mit hingeworfenen Informationsbrocken- meist noch zur falschen Zeit- umzugehen.

Zwar hat die Politik wegen Vernachlässigung ihrer Fürsorgepflicht für eine gerecht versorgte Gesellschaft eine Bringschuld, aber sie handelt nur, wenn ihr gesagt wird, was fehlt oder perspektivisch fehlen wird. Da muss gefordert werden. Jetzt scheint verstanden zu werden, dass es nur mittelbar um Apotheken geht. Es geht um die Umsetzung berechtigter Verbraucher/Patienten/Kunden-Interessen und deren Sicherung. Wie soll die Politik hier offensiv werden, wenn sie dadurch doch nur zugeben müsste, dass sie Kapitalinteressen bzw falsche Rentabilitätsprämissen favorisiert . Das ist der Scheideweg.Er zwingt zu argumentativer Aufrüstung statt Schweigen und Nebel. Hier liegt der Ball schon zu lange auf unserer Seite.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung :Wo wird die Health Literacy thematisiert? Also die Fähigkeit, mit Gesundheitsinformationen umzugehen ? Sie ist weit geringer ausgeprägt als angenommen wird, weil es so bequem ist. das birgt Stoff für eine fundierte Gerechtigkeitsdebatte. Da geht es um Menschen und um Hilfe. Und diese soll minimiert werden.Und Apotheken in der Folge.Ist das kein Thema? Aber das braucht Substanz statt Formelverhandlungen. das ist nicht regulatorisch, aber zielführend, weil verständlich. Gleiches gilt für das Gleichbehandlungsprinzip. Wir dürfen keine Rabatte bekommen, müssen aber welche geben. Wer versteht nicht,dass da etwas nicht stimmt? Dazu sind keine regulatorischen Arabesken nötig.

Die Anerkennung des Nutzens der Apotheken ist die Kernforderung.(dazu muss er deutlicher belegt werden) Anders ausgedrückt: die Einbindung in das Gesundheitssystem, ist zwingende Voraussetzung. Sie stehen nach wie vor nicht im Organgramm des BMG zum Gesundheitswesen. Wegen einfacher Ertragssenkung werden sie rausgehalten. Hier und weltweit sind Apotheken am einfachsten zu begrenzen bzw zu melken. Es ist ja alles so einfach, da braucht es nicht so viele. Das ist klare pro 25%-Politik und alle anderen können sehen wo sie bleiben. Diesem Ziel spielen "wir" in die Hände. Deshalb hat die Politik leichtes, unwidersprochenes Spiel.

Ein grosser Anteil an Leistungen wird heute schon erbracht, nur weder aufgeführt noch quantifiziert. Es kann erst dann um neue Leistungen gehen, wenn die alten auch wirksam anerkannt werden.Das ist zu fordern.Aber es fehlt-nicht zuletzt weil das Umfeld gar nicht bearbeitet wird.








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