Richtig taxieren beim LAV-BaWü

„Ohne Führerschein fahren Sie kein Auto“

Stuttgart - 01.11.2018, 07:00 Uhr

Richtig taxieren - kein einfaches Unterfangen. (s/ Foto: Daniel Schneider,
Schneider-Fotos / LAV)

Richtig taxieren - kein einfaches Unterfangen. (s/ Foto: Daniel Schneider, Schneider-Fotos / LAV)


Die Abteilung Taxation des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg unterstützt seine Mitgliedsapotheken nicht nur bei kniffligen Fragen zur Rezeptabrechnung. Den Taxations-Expertinnen gelingt es auch, das zähe und für viel Unmut in deutschen Apotheken sorgende Thema einer korrekten Rezeptabrechnung auf kurzweilige Art zu vermitteln. DAZ.online hat eines der LAV-Taxations-Seminare besucht.

Rund zehnmal im Jahr briefen die Taxations-Expertinnen Brigitte Fehrmann und Andrea Jansen vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) ihre Mitgliedsapotheken zu den großen Taxations-Themen der Apotheke: Arzneimittel, Medizinprodukte, Hilfsmittel. Welche Rezeptänderung akzeptieren die Krankenkassen nach ärztlicher Rücksprache, wofür benötigt die Apotheke aber definitiv noch immer eine ärztliche Unterschrift? Wie sollten Apotheken am besten mit fehlbedruckten Rezepten umgehen? Viele der Taxations-Seminare „Richtig taxieren - geben Sie Retaxationen keine Chance" halten die beiden Expertinnen in Stuttgart, jedoch sind sie auch hin und wieder in anderen Städten wie beispielsweise Freiburg, Aalen oder Karlsruhe unterwegs, um jeder baden-württembergischen Apotheke die Teilnahme mit relativ kurzen Anfahrtswegen zu ermöglichen.

Taxations-Themen beim LAV-Seminar: Hätten Sie es gewusst? …

  • … dürfen Apotheker die Diagnose bei Hilfsmittelrezepten nach Rücksprache ergänzen?
  • … darf eine Co-Medikation auf ein T-Rezept – analog einem BtM-Rezept?
  • … dürfen Sie Hilfsmittelrezepte „im Auftrag“ unterschreiben, wenn die Apotheke ein Pflegeheim beliefert? Und: Welche Krankenkassen prüfen das derzeit ganz genau?
  • … warum wird Cialis® als Lifestyle-Arzneimittel ausnahmsweise erstattet, Viagra® aber nicht?
  • … bekommen Schwangere Vomex® A bei Schwangerschaftsübelkeit erstattet, wenn der Arzt die Diagnose auf dem Rezept vermerkt?
  • … wie beliefern Sie ein Rezept für Asylbewerber korrekt?
  • … welche Krankenkassen rechnen Hilfsmittel noch nah § 300 SGB V ab – und vor allem: worauf müssen Apotheker achten im Vergleich zur Abrechnung nach § 302?

Ist eine Hilfsmittel-Präqualifizierung für den Filialleiter eine kluge Idee?

„Wir haben ein großes Programm vor uns“, erklärt Andrea Jansen gleich zu Beginn des Seminars „Richtig taxieren“ im Oktober in Stuttgart. Erfahrungsgemäß seien vor allem die Hilfsmittel das „absolute Lieblingsthema“ der Apotheker, meint Jansen. Das wundert nicht, hat man hier doch tatsächlich das Gefühl, dass jede Krankenkasse ihr ganz eigenes Süppchen kocht. Was jede Apotheke jedoch unweigerlich benötigt, um bei den Hilfsmitteln „mitspielen“ zu dürfen, ist eine Präqualifizierung. Dass ohne diese im Versorgungsbereich von Milchpumpen, Inkontinenzartikeln oder Kompressionsstrümpfen nichts geht, erklärt Andrea Jansen recht einprägsam: „Ohne Führerschein fahren Sie kein Auto“. Nur: Was deckt eine solche Präqualifizierung dann alles ab? Muss sie nach einer gewissen Zeit erneuert werden? Und wenn ja: Nach drei oder fünf Jahren, gar nach zehn? Und warum ist es schlau, dass der Apothekeninhaber auch der Inhaber der Präqualifizierung ist? „Eine Präqualifizierung ist personenbezogen“, erklärt Jansen. Hänge diese an einem Fililalleiter und kündige dieser, sei auch die Erlaubnis zur Hilfsmittelversorgung erst einmal weg.

„Crashkurs“ zur Rezeptabrechung

Die beiden Taxations-Expertinnen versuchen, die rund 40 anwesenden Apotheker und PTA innerhalb von acht Stunden fit zu machen bei diesen nicht ganz trivialen Fragen. Viele der teilnehmenden Apotheker und PTA haben eigene Taxations-Probleme aus ihrem individuellen Apothekenalltag mitgebracht. Zeit, diese zu lösen, bleibt trotz des straffen Programms. Und natürlich immer das Angebot des LAV: „Faxen Sie uns das Rezept in den Verband, wir schauen drauf“, so Jansen. Viele der Teilnehmer sind „Wiederholungstäter“ – sie informieren sich in jedem Jahr aufs Neue über die kleineren und größeren Änderungen bei der Rezeptabrechnung.

250 Anfragen pro Tag bei der Abteilung Taxation

Könnte man meinen, dass nach jahrelanger Tätigkeit – Brigitte Fehrmann arbeitet seit 2002 in der Abteilung Taxation beim LAV – im Auftrag einer gerechten Apothekervergütung irgendwann doch einmal alle größeren und kleineren Probleme bei der Rezeptabrechnung zutage gekommen und wirklich alle Fragen erschöpfend bearbeitet und beantwortet sind, so ist man hier auf dem Holzweg: „Wir haben jeden Tag etwas Neues“, sagt Fehrmann im Gespräch mit DAZ.online. Kann das sein?

Betrachtet man die Zahlen der Abteilung Taxation, dann staunt man über das „täglich Neue“ relativ rasch gleich weniger baff: 52.133 Anfragen erhielten Fehrmann und ihre Kolleginnen im Jahr 2017, das sind mehr als 250 Anrufe jeden Tag. 14.537 von den Kassen beanstandete Rezepte hat der LAV geprüft. Diese waren zu insgesamt 6.802 Retaxationsvorgängen zusammengefasst.

Über eine halbe Million Euro für Mitgliedsapotheken erkämpft

Eine brotlose Kunst betreiben die Taxations-Expertinnen ebenfalls mitnichten. Der Gesamtwert der zu prüfenden Retaxationen im zurückliegenden Jahr liegt bei rund 1,31 Millionen Euro, davon gelang es dem LAV im Einspruchsverfahren rund 42 Prozent für die 2273 baden-württembergischen Mitgliedsapotheken zurückzuholen: 550.132 Euro. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.