Apothekerin startet Online-Petition

„25 Prozent Mehrwertsteuer für Waren von Amazon und Co!“

Stuttgart - 13.12.2018, 11:30 Uhr

Auf Online-Artikel von Amazon & Co. wünscht sich Apothekerin Ingrid Schierle eine „ausgleichend“ höhere Mehrwertsteuer. Sie will den stationären Handel stärken. (m / Foto: Screenshot Open Petition)

Auf Online-Artikel von Amazon & Co. wünscht sich Apothekerin Ingrid Schierle eine „ausgleichend“ höhere Mehrwertsteuer. Sie will den stationären Handel stärken. (m / Foto: Screenshot Open Petition)


Die Welt ist nicht gerecht – das ist ein alter Hut. Doch: „Man kann nicht immer zuschauen“, findet eine bayerische Apothekerin. In einer Petition fordert sie und sucht sie Unterstützer für „25 Prozent Mehrwertsteuer für Waren von Amazon und Co!“, denn der stationäre Handel – und hier nicht zuletzt die Apotheke – sei Online-Anbietern gegenüber benachteiligt. Dieser Ungleichbehandlung will die Apothekerin durch einen höheren Mehrwertsteuersatz entgegenwirken.

Die Idee entstand spontan, beim Sonntagmorgenfrühstück am zweiten Advent. Mit ihrem Mann entwickelte Ingrid Schierle eine Idee, Ungleichbehandlungen und Benachteiligungen des täglichen Lebens entgegenzusteuern – denn diese ziehen sich nach Ansicht der Apothekerin „wie ein roter Faden durch quasi alle Bereiche unseres täglichen Lebens“. Der Gedanke: Eine dritte Mehrwertsteuer. Konkret geht es der Apothekerin – sie betreibt mit ihrem Mann Christian Schierle die Storchen-Apotheke im 1.200-Seelendorf Gerzen in Bayern – um die strukturelle Ungerechtigkeit des stationären Handels, verglichen mit dem Online-Handel. Dabei hat sie nicht nur die Apotheke und ihren eigenen Berufsstand im Blick.
„Man kann nicht immer zuschauen“, findet die engagierte Apothekerin und startete am gleichen Tag eine Online-Petition „25 Prozent Mehrwertsteuer für Waren von Amazon und Co!“. DAZ.online hat mit der Apothekerin gesprochen.


Ich bin Mitarbeiterin einer öffentlichen Apotheke und es wäre schön wenn ich meinen Arbeitsplatz noch ein Stück hätte.“

Jana Schubert (Kirchberg), Unterstützerin der Petition


Vor-Ort-Geschäfte kosten Geld

„Wer seine Ware in einem Laden in einer Innenstadt anbietet, benötigt zu allererst einmal ein geeignetes Ladenlokal“, sagt Schierle. Man müsse für Mieten tief in die Tasche greifen, die Räumlichkeiten optisch hübsch aufbereiten. „Es wird erwartet, dass fachkundiges Personal freundlich und kompetent berät, mehrere Varianten eines Artikels zur Ansicht parat liegen.“ Nicht zuletzt werde der Botendienst beispielsweise in Apotheken mittlerweile als selbstverständlich vorausgesetzt und von den Kunden auch aktiv eingefordert. „Die Erfüllung all dieser Erwartungen kostet aber Geld!“, erklärt die Apothekerin. Geld, das ein Onlineversand zumindest teilweise spart.


Leerstände in Innenstädten allüberall – auf den Dörfern sowieso, dafür quellen die Straßen über von Lieferfahrzeugen, deren Lenker meist nicht einmal vernünftig bezahlt werden.“

Rolf Lachenmaier (Hildesheim), Unterstützer der Petition


Amazons soziales Gewissen? Fehlanzeige

Denn: „Einen Onlineversand kann ich aus dem Wohnzimmer starten“, sagt Schierle. Im Gespräch mit DAZ.online bemängelt die Apothekerin vor allem, dass „etablierte Onlinehändler ohne soziales Gewissen“ billige Arbeitskräfte in ausbeuterischer Manier verheizten. „Die günstigen Preise im Online-Versandhandel funktionieren nur deshalb so gut, weil die Kosten so niedrig wie möglich gehalten werden“, sagt Schierle.


Ich bin persönlich betroffen und ärgere mich fortlaufend über die Benachteiligung der kleinen Davids (Apotheken vor Ort) gegenüber den großen Goliaths (DocMorris, Amazon & Co.).“

Torsten Heide, Siegen




Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

An alle Skeptiker

von Ingrid Schierle am 13.12.2018 um 21:09 Uhr

Ich möchte alle, die das Ganze als Hirngespinst und sinnlos abtun um eine Sache bitten.

Hinterfragt euch, findet ihr den Ansatz gut, neue Steuern für eine relativ neue Handelsform einzuführen, die mit einer ganzen Reihe von Nachteilen verbunden ist (Verpackungsmüll, Problematik der Lieferbedingungen, Lagerhallen auf der grünen Wiese/Flächenfraß etc.), um damit im Gegenzug einen echten Vorteil für die gesamte Bevölkerung und besonders für sozial Schwache zu erreichen. Wenn dem so ist, dann könnt ihr die Petition unterstützen.

Oder ihr verweigert eine Unterstützung, weil ihr der der Meinung seid, dass es eh nix bringt, weil Konzerninteressen das Ganze zum Scheitern bringen werden. Dann muss ich sagen, dass Demokratie in meinen Augen so nicht funktionieren darf.

Als die MwSt eingeführt wurde, gab es Onlinehandel noch nicht mal in Science Fiction, wie hätte es da bereits eine Regelung dafür geben können. Vielleicht ist es in 20 Jahren genauso selbstverständlich für Onlinehandel eine erhöhte Steuer zu verlangen, wie es für uns jetzt die normale MwSt ist? Vielleicht diskutieren wir in 20 Jahren nicht über ein „ob“, sondern über ein „ wie hoch“ soll sie sein?

Quer denken, über den Tellerrand hinausschauen und dabei Verantwortung übernehmen. So sollte das Leben in einer funktionierenden Gesellschaft aussehen.

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immer der selbe Quark !

von Ralf Schabik am 13.12.2018 um 19:23 Uhr

"und sollte die durch den Onlinehandel genossenen Vorteile – wie Bequemlichkeit, Zeitersparnis oder Lieferung frei Haus"
Wann endlich wird mal herausgestellt, dass "Bequemlichkeit, Zeitersparnis oder Lieferung frei Haus" GAR NICHTS mit "online-Handel" zu tun hat ???

» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten

AW: immer der selbe Quark

von Ingrid Schierle am 13.12.2018 um 20:46 Uhr

Ich verstehe die Frage nicht.
Genau diese drei Punkte werfen Onlinehandel und Endverbraucher neben dem Preis als großen Vorteil des Versands in die Waagschale.
Das heißt aber nicht, dass nicht auch der stationäre Handel zu diesen Leistungen fähig ist und sie nicht auch anbietet. Aber die Argumente werden vom Onlinehandel (aus)genutzt.

AW: immer der selbe Quark

von Ralf Schabik am 13.12.2018 um 23:10 Uhr

Meine Frage war "wann wird ... herausgestellt ?" Sprich: Wann gelingt es, diese Leier der Versender endlich zu neutralisieren und als das zu entlarven, was es ist: Volksverdummung ! Im Gegenteil: Wenn ich als Apotheke liefere, kann ich sehr viel individueller auf die Wünsche der Kunden eingehen als der Paketdienstleister, der seine festen Touren hat. Genauso ist es ja diese vor allem von der SPD gebetsmühlenartig wiederholte "wir brauchen den Arzneimittelversand zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung".
Haben da die Apotheken in der Fläche versagt, ihre Leistungen hervorzuheben, oder werden die Leistungen in der Fläche nicht engagiert angeboten oder erkennen es die Bürger nicht ?
Der Versand hat genau drei Vorteile:
- Bestellung kann 24/7 erfolgen (wobei der Buchhandel sehr erfolgreich zeigt, dass sowas auch stationäre Händler hervorragend bieten können)
- Grosses Angebot (auch hier zeigt der Buchhandel ein System, das von Apotheken problemlos adaptiert werden könnte)
- Unter Umständen Preisaktivität

Ich kämpfe seit Jahren dafür, dass wir die Lieferfähigkeit der Apotheken medial viel intensiver herausarbeiten. Vergeblich :-(
Denn wir MÜSSEN verhindern, dass die Online-Versender diese Fake-News weiter streuen können ...

AW: immer der selbe Quark

von Ingrid Schierle am 14.12.2018 um 8:37 Uhr

Ok, dann habe ich deine Argumentation jetzt verstanden

AW: immer der selbe Quark

von Ralf Schabik am 14.12.2018 um 9:10 Uhr

sorry, dass ich mich offenbar missverständlich ausgedrückt habe ;-)

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