Heilmittelwerberecht

BGH untersagt Versandapotheke Prämien-Werbung für Neukunden

Berlin - 08.01.2019, 11:15 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat
sich erneut mit der Neukundenwerbung von Versandapotheken befasst. (Foto: BGH)

Der Bundesgerichtshof hat sich erneut mit der Neukundenwerbung von Versandapotheken befasst. (Foto: BGH)


Wirbt eine deutsche Versandapotheke damit, ihren Kunden für jeden neu angeworbenen Kunden eine Prämie von zehn Euro zu zahlen, so verstößt sie damit gegen das Zuwendungsverbot des Heilmittelwerbegesetzes (§ 7 HWG). Dies hat der Bundesgerichtshof nun klargestellt. Die Preisvorschriften, auf die sich § 7 HWG bezieht, seien bei rein innerstaatlichen Sachverhalten auch nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung anwendbar und wirksam. Allerdings zeigt das Gericht auch auf, dass die Regelungen zur Preisbindung bei einer deutlichen Änderung der Marktverhältnisse verfassungswidrig werden könnten.

Geklagt hatte die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) gegen die in Niedersachsen ansässige Versandapotheke Apotal, die im Februar 2015 auf ihrer Webseite mit einer Prämienzahlung von zehn Euro für die Gewinnung eines Neukunden warb. Dabei machte die Apotheke keinen Unterschied, ob der neue Kunde verschreibungspflichtige Arzneimittel kaufte oder sonstige Arzneimittel oder Waren, die keiner Preisbindung unterliegen – nur ein gewisser Mindestbestellwert musste erreicht werden. Die Kammer war der Auffassung, die Prämienauslobung verstoße gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 HWG und zog vor Gericht. Schon die ersten beiden Instanzen hatten der AKNR in diesem Punkt Recht gegeben. Doch der Apotheker legte Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein, um eine Abweisung der Klage zu erreichen. Gelungen ist ihm dies allerdings nur im Punkt der Abmahnkosten.

Im Übrigen bestätigt der BGH in seinem jetzt veröffentlichten Urteil vom 29. November 2018, dass die Werbung für die Prämie und ihre Gewährung wettbewerbswidrig ist. Dazu führt er zunächst aus, dass das Heilmittelwerbegesetz grundsätzlich anwendbar ist. Erforderlich hierfür ist, dass die Werbung produktbezogen ist und keine allgemeine Firmenwerbung ist. Dabei bedeute produktbezogen aber nicht, dass es nur um ein einzelnes Arzneimittel geht. Der beklagte Apotheker hatte nämlich mit dem Humanarzneimittelkodex (Richtlinie 2001/83/EG) argumentiert: Demnach sei das Heilmittelwerbegesetz so auszulegen, dass die Werbung für Arzneimittelgruppen oder für das gesamte Warensortiment einer Apotheke keine produktbezogene Werbung darstelle. Nach den Artikeln 86 und 89 der EU-Richtlinie sei allein die Werbung für ein einzelnes Produkt untersagt. Die Karlsruher Richter sehen das anders: Den genannten europäischen Regelungen sei nicht zu entnehmen, dass allein die Werbung für einzelne Produkte verboten sei.

Werbung für gesamtes Apothekensortiment ist produktbezogen

Zudem weist der BGH auf den wesentlichen Zweck des § 7 HWG hin: Durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel soll der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung begegnet werden, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann. Es gebe „keinen überzeugenden Grund, den vom Gesetzgeber in der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird“. Ob eine Zuwendung geeignet ist, den Absatz durch unsachlichen Einfluss zu steigern, hänge nicht davon ab, ob diese für konkrete Arzneimittel, eine Vielzahl von Arzneimitteln oder gar für das gesamte Sortiment angekündigt und gewährt werde.

Die Zuwendung selbst liege darin, dass der neue Kunde dem werbenden Kunden durch den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels die ausgelobte Werbeprämie verschaffe. Dies lasse ein Medikament für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen.

Preisregelungen bei innerstaatlichen Sachverhalten weiterhin anwendbar

Weiter führt der BGH aus, dass nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a HWG Geldrabatte grundsätzlich zulässig sind – allerdings nicht bei preisgebundenen Arzneimitteln. In diesen Fällen verstoßen Rabatte gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung. Sodann machen die Richter deutlich, dass auch nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung aus dem Oktober 2016 der Anwendbarkeit der Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes weder unions- noch verfassungsrechtliche Gründe entgegenstehen. Die Entscheidung des EuGH habe keine direkte Bedeutung für den Streitfall, da er einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betreffe. Auch den vom beklagten Apotheker gerügten Verstoß gegen den Gleichbehandlungssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) unter dem Gesichtspunkt der Inländerdiskriminierung ließ der BGH nicht gelten. Die Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Versandapotheken beruht seiner Auffassung nach nämlich auf sachlichen Gründen. Dabei greift der BGH in seinem Urteil auf die EuGH-Entscheidungsgründe zurück. Dieser hatte die Ungleichbehandlung unter anderem damit gerechtfertigt, dass in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken für einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt in besonderem Maße auf den Versandhandel angewiesen seien.

Für eine Verfassungswidrigkeit müssten sich die Marktverhältnisse deutlich ändern

Auch einen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz sieht der BGH nicht. Die gesetzlichen Regelungen über die Preisbindung dienten vernünftigen Gründen des Gemeinwohls, nämlich der Sicherstellung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei zudem anerkannt, dass die Preisregulierung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei. Zwar könne eine ursprünglich verfassungsgemäße Norm durch eine Änderung der Verhältnisse grundsätzlich verfassungswidrig werden. Das könne auch in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden. Allerdings entstehe eine verfassungsrechtlich relevante Änderung der Verhältnisse erst, wenn Versandapotheken verschreibungspflichtige Arzneimittel auf dem inländischen Markt ohne Rücksicht auf die Preisbindung tatsächlich in einem Umfang veräußerten, dass eine ernsthafte Existenzbedrohung inländischer Präsenzapotheken eintreten würde und das finanzielle Gleichgewicht des GKV-Systems nicht mehr gewährleistet wäre.

Auf den Abmahnkosten bleibt die AKNR dennoch sitzen. Es habe sich zum – hier maßgeblichen – Zeitpunkt der Abmahnung um einen typischen und nur durchschnittlich schwer zu verfolgenden Verstoß gehandelt. Zu seiner Verfolgung sei es nicht erforderlich gewesen, einen Anwalt zu beauftragen.

Apotal hat seine Prämienwerbung mittlerweile umgestellt: Die Prämie gibt es nun für jeden neu geworbenen Neukunden, „der für mindestens 30 Euro nicht verschreibungspflichtige Produkte bestellt (ausgenommen Bücher)“.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. November 2018, Az.: I ZR 237/16



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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