„Hinter den Kulissen“

WDR: DocMorris – effizient, aber unpersönlich

Berlin - 08.01.2019, 13:05 Uhr

Der WDR zu Besuch bei DocMorris: Ein TV-Team besuchte die Niederländer und schaute sich unter anderem die pharmazeutische Beratung an. (m / Foto: DocMorris)

Der WDR zu Besuch bei DocMorris: Ein TV-Team besuchte die Niederländer und schaute sich unter anderem die pharmazeutische Beratung an. (m / Foto: DocMorris)


In zahlreichen Tests wurde die Beratungsqualität der Arzneimittel-Versandhändler schon negativ bewertet – auch die des EU-Versenders DocMorris. Ein ganz anderes Bild zeichnet jetzt eine kurze TV-Reportage des WDR: Das Fernsehteam war zu Besuch bei DocMorris in Heerlen und zeigt, wie PTA bei Mehrfachbestellungen von Schmerzmitteln oder auffälligen Rezepten sofort intervenieren. Einige interessante Zahlen hat die TV-Sendung auch zu bieten.

Die WDR-Sendung „Servicezeit“, die in dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender täglich ausgestrahlt wird, hat sich mit dem EU-Versender DocMorris beschäftigt: Ein Beitrag der Ausgabe vom gestrigen Montag heißt „DocMorris – hinter den Kulissen der Versandapotheke“. Und in der Tat: Die kurze TV-Reportage enthält spannende Bilder aus dem Innersten des EU-Versenders. Das Fernsehteam besuchte die Lagerhallen, filmte die Fließbänder, interviewte PTA – allerdings keine Apotheker – und sprach mit einem Pressesprecher über die Ausrichtung des niederländischen Unternehmens.

Gleich zu Beginn gibt es in dem TV-Beitrag einige interessante Fakten über DocMorris: Insgesamt werden in Heerlen demnach täglich 25.000 Pakete zusammengestellt und abgeschickt, der EU-Versender soll 180.000 Artikel auf Lager haben, das Förderband hat demnach eine Länge von 2,5 Kilometer. Jeden Tag würden dem Sprecher zufolge „kübelweise Rezepte“ bei DocMorris ankommen, nämlich 20.000. Woher der WDR diese Daten hat, wird allerdings nicht erwähnt.

Papierrezept ist für DocMorris „eher störend“

Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Beitrages ist die Arbeitsweise des Versenders: Immer wieder wird betont, wie digital die Prozesse beim Versandhändler ablaufen. Der Sprecher erklärt, das Papierrezept sei für die Niederländer „eher störend“. Der DocMorris-Sprecher erklärt dazu: „Das Papierrezept wird bei uns gar nicht weiter benutzt, sondern das geht gleich in den digitalen Prozess. Dementsprechend digital sind wir als Unternehmen auch aufgestellt.“

Aber es geht auch um die pharmazeutische Beratung. Denn durch die digitale Verarbeitung der Bestellung erhalte jeder Kunde eine „digitale Datenbank“ mit allen Bestellungen. Laut TV-Beitrag werden bei DocMorris somit „Auffälligkeiten und Risiken automatisch geprüft“. Der DocMorris-Sprecher erklärt zum „Qualitätsmanagement“ im Unternehmen: „Wir prüfen auf die letzten drei Monate zurück: Was ist dort bestellt worden? Was hat der Kunde gekauft bei uns? So können wir unter Umständen sehen, dass er beispielsweise zu viele Schmerzmittel bekommt. Es fällt hier auf, wenn ein Rezept schon einmal mit dem gleichen Medikament eingereicht wurde.“

DocMorris-PTA beraten und intervenieren

Der Zuschauer bekommt in der nächsten Einstellung dann auch zu sehen, wie zuverlässig das DocMorris-System funktioniert. Denn der Sprecher stellt eine PTA vor und erklärt: „Und tatsächlich: Bei PTA Viviane schlägt das System gerade Alarm, als wir drehen. Warnung vor einer Überdosierung beim Mittel Torasemid.“ Die Dosierung auf einem Rezept ist offensichtlich falsch angegeben. Die PTA erklärt, was DocMorris in solchen Fällen unternimmt: „Die PTA hat dann die Aufgabe, Rücksprache entweder mit Apotheker oder mit Arzt zu halten.“

Aber auch bei den OTC-Präparaten hat DocMorris dem TV-Beitrag zufolge viele Sicherheitsschranken eingebaut. Gezeigt wird eine Bestellung, die einige ibuprofen- und paracetamolhaltige Medikamente enthält. Die PTA erklärt, dass DocMorris nicht alle Kundenbestellungen erfüllen kann. Denn: „Bei uns ist es so, dass es eine Mengenbeschränkung gibt. Das bedeutet, dass nur drei Packungen Schmerzmittel im Monat abgegeben werden dürfen.“

Schweim: DocMorris hält Mengenbeschränkung ein

Der ehemalige BfArM-Präsident Harald G. Schweim hatte 2015 genau diese Mengenbeschränkung bei DocMorris getestet und größere Mengen Schmerzmittel bestellt. Der EU-Versender nahm die Bestellung nicht an und verwies auf die eigene Höchstabgabemenge von drei Packungen pro Monat. Schweim kommentierte damals: „Diese Ausführungen sind zwar sehr ausführlich, aber nicht ganz korrekt. Immerhin handelt es sich um eine gesetzliche Abgabebeschränkung, nicht um eine von DocMorris aus Sorge um die Kunden festgelegte Grenze.“

Im TV-Beitrag wird dann noch über einen OTC-Wechselwirkungscheck berichtet. Eine PTA wird gezeigt, die eine Bestellung mit mehreren Erkältungsmitteln erhalten hat und die Kundin deswegen telefonisch kontaktiert. Der Sprecher erklärt, dass die Online-Apotheken zu dieser Beratung gesetzlich verpflichtet seien.

Wie gut ist die Beratung bei DocMorris wirklich?

Wie ernst es die Versender – auch DocMorris – mit dieser Beratungspflicht nehmen, darf zumindest angezweifelt werden. Schließlich haben mehrere Branchentests verheerende Ergebnisse bei der Beratung ergeben. Das Computer-Magazin „Chip“ testet beispielsweise regelmäßig die Telefon-Hotlines der Versender und ordnete den EU-Versendern DocMorris und Shop Apotheke in Sachen „Service“ die schlechtesten Ergebnisse der Branche zu. In der Ergebnis-Kommentierung berichteten die Chip-Tester insbesondere über den schlechten Service in der Telefonberatung. „Verdächtig häufig“ sei es in der gesamten Branche zu Hinweisen auf „uninformierte oder uninteressierte“ Berater gekommen.

2017 hatte sich auch die Stiftung Warentest die Versandhändler vorgeknöpft. Sieben der 18 getesteten Unternehmen erhalten die Bewertung „mangelhaft“, die beste vergebene Note ist ein „befriedigend“. Die Tester stören sich insbesondere an den schlechten bis gänzlich ausbleibenden fachlichen Beratungen der Versender. DocMorris landete damals auf Platz 5 mit einer Gesamtnote von 3,2. Die Niederländer erhielten ein gutes Service-Ergebnis (2,2), schnitten aber im Beratungsbereich nur ausreichend (3,8) ab.

DocMorris macht inzwischen mehr Geld mit OTC

Das TV-Team des WDR beschäftigt sich schließlich noch mit dem Umsatz der Niederländer. Und auch hier gibt es eine spannende Zahl: Dem Beitrag zufolge macht DocMorris mit OTC-Arzneimitteln rund zwei Drittel seines Umsatzes, also etwa 250 Millionen Euro. Im Gesamtjahr 2017 hatte DocMorris laut Muttergesellschaft Zur Rose noch etwa 55 Prozent des Gesamtumsatzes mit Rx-Präparaten gemacht. Im DAZ.online-Interview hatte DocMorris-Vorstand Max Müller 2017 noch davon gesprochen, dass DocMorris sogar drei Vierteil seines Umsatzes mit Rx bestreite, der Rx-Markt sei die Existenzgrundlage für das Unternehmen, so Müller.

Traut man den vom WDR genannten Zahlen, nimmt das OTC-Geschäft inzwischen also einen weitaus größeren Teil in den Umsatzrechnungen bei DocMorris ein. Das hatte sich im vergangenen Jahr allerdings schon angedeutet: Denn der OTC-Bereich wuchs rasanter als der Rx-Bereich. Im ersten Halbjahr 2018 stieg der OTC-Umsatz der Niederländer um 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Rx immerhin um 10 Prozent.

Die WDR-Redakteure kommen am Ende des Beitrages jedenfalls zu dem Schluss: „Persönlichen Kontakt mit den Kunden gab es nur in der Telefon-Beratung, ansonsten lief alles per Computer. Nur wenn es Auffälligkeiten gab, griff die Online-Apotheke aktiv ein. Ein offenbar effizientes System – für viele aber zu unpersönlich.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

naja schon plausibel

von Peter am 09.01.2019 um 11:10 Uhr

20 000 Rezepte a 1,5 Durchschnittspositionen machen 30 000 RX am Tag.
Fünf Tage die Woche: 7,8 Mio Packungen RX
Sechs Tage die Woche: 9,36 Mio Packungen RX
Sieben Tage die Woche: 10,92 Mio Packungen RX

Bezogen auf 741 Mio Packungen wären das:
1,05%, 1,25% oder 1,47% wenn sie denn alle nach Deutschland gingen.

Bei einem Durchschnittspackungspreis von 45 Euro wären das 495 Mio Umsatz, unterstellt man dass es aber nicht Durchschnitts RX sondern typische RX sind und somit um 20/25 Euro netto liegen wären es zwischen 212 und 265 Mio netto Umsatz.
An Boni wären es bei 30 000 Posten pro Tag im Jahr:
Fünf Tage die Woche: 19,5 Mio brutto, 16,38 Mio netto
Sechs Tage die Woche: 23,4 Mio brutto, 19,6 Mio netto
Sieben Tage die Woche: 27,3 Mio brutto, 22,94 Mio netto


Verdienen als Rohertrag tun sie demnach an RX anhand des Honorars brutto abzgl. Boni abzgl Zwangsrabatt abzgl. MwSt. netto pro Packung 4,76. Dazu kommen die 3%
liegen zwischen 3 und 5,5 Mio.
An sieben Tagen die Woche: 10,93 Mio X 4,76=52 Mio+5,5 Mio=57,5 Mio

Aber das ist ja nicht alles ;)
Unterstellt man AmPrVO unabhängigen Rabatt wären das für sieben Tage die Woche, EK Packungspreis netto= 25-8,35-3%=16,16:
10%: 1,61
15%: 2,42
20% (aber unwahrscheinlich): 3,23
Pro Jahr in Summe also (sieben Tage die Woche, bezogen auf 25 Euro netto VK):
10%: 17,5 Mio
15%: 26,5 Mio
20%: 35,27 Mio

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WDR und DocMorris

von Uwe Hüsgen am 08.01.2019 um 19:02 Uhr

Die Zahlen machen stutzig:
„Insgesamt werden in Heerlen demnach täglich 25.000 Pakete zusammengestellt und abgeschickt, …“ und
„Jeden Tag würden dem Sprecher zufolge „kübelweise Rezepte“ bei DocMorris ankommen, nämlich 20.000.“
D.h. Nur ein Fünftel (5.000) der täglich abgeschickten Päckchen enthalten kein Rx-AM, sonder ausschließlich OTC-, Freiwahl- und nicht apothekenübliche Produkte.
Kann man’s glauben?
Und schade, dass der WDR nicht gefragt hat, wie viele Päckchen an niederländische Patient*innen täglich verschickt werden.

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