Lieferengpass-Jour fixe

Ibu-Engpass offiziell vorüber, Grippe-Impfstoffe hätten reichen müssen

Stuttgart / Bonn - 16.01.2019, 14:45 Uhr

Die Grippeimpfstoffe hätten reichen müssen – eigentlich. Und: Der Ibuprofen-Lieferengpass ist offiziell beendet. Das sind die Ergebnisse des vergangenen Jour fixe zu Lieferengpässen beim BfArM. ( r / Foto: imago)

Die Grippeimpfstoffe hätten reichen müssen – eigentlich. Und: Der Ibuprofen-Lieferengpass ist offiziell beendet. Das sind die Ergebnisse des vergangenen Jour fixe zu Lieferengpässen beim BfArM. ( r / Foto: imago)


Hätten die Grippeimpfstoffe für diese Saison eigentlich reichen müssen? Drohen Engpässe bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln im Falle eines Brexits? Und wie ist die Situation bei den Sartanen und bei Ibuprofen? Die Ergebnisse des letzten Jour fixe zu Lieferengpässen beim BfArM aus dem November sind da. Allerdings: Seither ist viel passiert – bei Grippeimpfstoffen und dem Brexit.

Drei große Lieferengpässe beschäftigten die Apotheker in diesem Winter – allen voran die Grippeimpfstoffe. Doch auch Valsartan sorgte immer wieder für Unruhe. Dass Ibuprofen immer mal wieder knapp ist, daran haben sich die Apotheken fast schon gewöhnt.

Mehr zum Thema

Retax vermeiden und Patienten versorgen

Ibuprofen nicht lieferbar – und dann?

Allerdings lassen auch Behörden, pharmazeutische Industrie, Politik und Experten aus Kliniken und Großhandel diese Versorgungsengpässe nicht kalt: Getagt hatten die Experten bereits im November, das BfArM hat nun die Ergebnisse dieses letzten Jour fixe zu Lieferengpässen veröffentlicht.

Grippeimpfstoffe waren genug – eigentlich

Ein wichtiger Punkt im November war die Versorgung mit Grippeimpfstoffen – der November gehört wohl zur intensivsten Zeit für den Influenzaschutz, zumindest empfiehlt das Robert-Koch-Institut die Monate Oktober und November als optimalen Impfzeitpunkt. Zu welchem Schluss kamen die Experten damals? Viele Antworten, die nun schriftlich fixiert sind, sind mittlerweile bekannt – oder gar schon nicht mehr relevant, wie zum Beispiel: „Restbestände würden nicht zur Deckung der Nachfrage reichen“ oder, „dass nur geringe Mengen als Importware zur Verfügung stehen könnten“. Diese zeitliche Diskrepanz zwischen Sitzung und Protokollveröffentlichung hat wohl auch das BfArM erkannt: Künftig soll das BfArM zeitnah nach dem Jour fixe wesentliche Punkte der Sitzung veröffentlichen.

Mehr zum Thema

Auch wenn das die Versorgung mit Influenzavakzinen nicht bessert – weder jetzt und schon gar nicht im Nachhinein – kamen die Experten im November zu dem Schluss: „Für die Saison 2018/2019 wurden 15 Mill. Dosen von den Herstellern avisiert. Anhand der Hochrechnungen hätten diese ausreichen sollen.“ Als Gründe, dass dies dann doch nicht der Fall war, wurden eine möglicherweise erhöhte Impfbereitschaft ausgemacht, aber auch „Diskussionen um die Impfstoffpreise beziehungsweise Erstattungen sowie eine regional späte Bestellung durch Apotheken und Arztpraxen“.

Welche Lieferengpässe sind beendet?

Es gibt jedoch auch Positives zu vermelden. So kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für manche Wirkstoffe Entwarnung zur Liefersituation geben: für Ibuprofen beispielsweise. Und in der Tat: Auch einige Apotheker berichten gegenüber DAZ.online, dass sich die Versorgungssituation bei Iburpfen wieder verbessert hat.

Auch das Zytostatikum Cytarabin, sowie das unter anderem zur Blutdrucksenkung Schwangerer eingesetzte Methyldopa, und die der Antibiose dienenden Wirkstoffe Ampicillin und Sulbactam und Pyridostigminbromid gibt es laut Jour-fixe-Protokoll wieder. Enstpannt sieht es wohl auch bei Paromomycin aus, das kaum gastrointestinal resorbierte Antibiotikum wird benötigt zur Therapie und Prophylaxe der portosystemischen Enzephalopathie und zur präoperativen Reduktion der Darmflora. Wobei es Alternativen gibt.

Weiter mit Engpässen ist allerdings bei Fludarabin zu rechnen. Auch Urokinase bleibt weiterhin kritisch und ein „Import nach § 73(3) AMG wird als angemessene Maßnahme eingeschätzt, um Patientenversorgung zu gewährleisten". Dies wurde bereits im Jour fixe am 4.07.2018 entschieden.

Full Inspection von Zhejiang Huahai geplant

Auch ein Update zu Sartanen gab es im letzten November. So differenzierten die Experten beim Jour fixe klar, dass – entgegen der Vereinigten Staaten, die einen vollumfänglichen Importstopp von Wirkstoffen des Herstellers Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co. aus der Betriebsstätte „Chuannan“ verhängten – die Mitgliedstaaten der EU dies nicht tun. Man habe jedoch die „Kritikalität des Wirkstoffherstellers berücksichtigt“, heißt es im Jour-fixe-Protokoll. Man habe die Betriebsstätte unter verstärkte Aufsicht der europäischen Behörden gestellt, um die Umsetzung korrigierender Maßnahmen engmaschig zu begleiten und zu kontrollieren. Und weiter: „Für Anfang 2019 ist eine sogenannte Full Inspection der gesamten Herstellungsstätte vorgesehen“.

Versorgungsengpass durch Brexit?

Sorge um die Arzneimittelversorgung im Falle eines Brexits machen sich die Jour-fixe-Teilnehmer nicht. Im sechsten Jour fixe im März 2018 wurde beschlossen, dass versorgungsrelevante Arzneimittel systematisch abgefragt werden sollten, um mögliche Risiken zu identifizieren. Die Experten kamen jedoch zu dem Schluss, „dass mit keinem Versorgungsengpass bei den als versorgungsrelevant eingestuften Arzneimitteln zu rechnen ist".

Wie relevant diese Einschätzung aus dem November derzeit noch ist, nachdem das Parlament am gestrigen Dienstag Thereas Mays mit der EU verhandelten Brexit-Pläne abgelehnt hat, ist fraglich. Vor allem die pharmazeutische Industrie gibt sich heute wenig entspannt. So sieht der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bei einem ungeordneten Brexit durchaus Gefahr, dass die Versorgung in Großbritannien und der übrigen EU „empfindlich“ gestört werden kann. Fast jedes vierte Arzneimittel für die EU werde in Großbritannien freigegeben und dort in den Verkehr gebracht. Und auch der BPI (Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie) gibt sich besorgt: „Medikamente, die für ganz Europa in Großbritannien zugelassen wurden, dürfen von jetzt auf gleich nicht mehr in Europa vertrieben werden“, warnte auch der (BPI). Im Falle eines Brexits ohne Abkommen werde Großbritannien im Handel zum Drittstaat, inklusive damit verbundener Zölle und anderer Beschränkungen, sagte Vorstandschef Martin Zentgraf.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.