Antibiotika bei Blinddarmentzündung

Muss der Blinddarm wirklich raus?

Stuttgart - 18.01.2019, 10:15 Uhr

Typische Krankheitszeichen einer Blinddarmentzündung sind Erbrechen und oftmals starke Bauchschmerzen. Der gesamte Bereich der Bauchdecke ist angespannt und extrem druckempfindlich. ( r / Foto: Yevhenii / stock.adobe.com)

Typische Krankheitszeichen einer Blinddarmentzündung sind Erbrechen und oftmals starke Bauchschmerzen. Der gesamte Bereich der Bauchdecke ist angespannt und extrem druckempfindlich. ( r / Foto: Yevhenii / stock.adobe.com)


Deutsche Gesellschaft für Chirurgie: Antibiotika bei Kindern sinnvoll

Doch auch Chirurgen scheinen, anders als man vielleicht erwarten würde, vor allem bei Kindern einem Erstbehandlungsversuch mit Antibiotika gegenüber offen zu sein. Das zeigt eine Pressemitteilung vom April 2018 der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Appendektomien sollen demnach zu den häufigsten Operationen in Deutschland gehören. Lange Zeit habe man eine Blinddarmentzündung auch nur auf Verdacht operiert, um schwere Entzündungen der gesamten Bauchhöhle zu vermeiden, die Lebensgefahr bedeuten können. Heute würden hingegen zunächst Antibiotika – auch bei bereits fortgeschrittenen Blinddarmentzündungen – eingesetzt, um die folgende Operation sicherer zu machen und eventuell sogar zu verhindern.

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Gerade Kindern könne so eine Narkose und Operation zunächst erspart bleiben, auch wenn die Misserfolgsrate wie bei den Erwachsenen bei rund 40 Prozent zu liegen scheint. Von den Kindern, die nach Antibiotikatherapie als „geheilt“ entlassen werden, würden 30 Prozent in der Folgezeit erneut erkranken – dann würde man sich gemeinsam mit den Eltern meist für eine Operation entscheiden, auch wenn im Prinzip erneut eine Behandlung mit Antibiotika versucht werden könnte.

Eine „vorbeugende Operation“ gilt laut Professor Dr. med. Bernd Tillig, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie, Neugeborenenchirurgie und Kinderurologie am Berliner Vivantes Klinikum Neukölln als besonders sicher und so stelle auch die Intervall-Appendektomie eine interessante Alternative dar: Die Kinder erhalten dabei zunächst Antibiotika und werden dann operiert, wenn sie sich von der Entzündung erholt haben.
Einen Nutzen hat die Antibiotika-Therapie der Pressemitteilung zufolge in jedem Fall – sie gibt Zeit, die Diagnose genau zu stellen, bei Kindern vor allem mit einem Ultraschallgerät. „Es kommt heute nur noch selten vor, dass wir einen Wurmfortsatz grundlos entfernen“, betont Tillig.

Einem Artikel aus dem Ärzteblatt war 2018 jedoch zu entnehmen, dass bei Erwachsenen eine Intervall-Appendektomie – im Gegensatz zu Kindern – keine Routine ist. Wenn Erwachsene mit Antibiotika behandelt würden, sei das Ziel, eine Operation komplett zu vermeiden. Bei Erwachsenen sei die Komplikationsrate sonst erhöht, statt erniedrigt.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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