- DAZ.online
- News
- Politik
- Das größte vorstellbare...
Vor der ABDA-Mitgliederversammlung
Das größte vorstellbare Dilemma für die Apotheker
Mehr Geld oder der Erhalt der Gleichpreisigkeit? Kurz gefasst, ist das die Frage, mit der sich die rund 140 Vertreter in der ABDA-Mitgliederversammlung am heutigen Donnerstag beschäftigen müssen. Dass die Apotheker das Paket von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ohne Änderungswünsche akzeptieren, scheint inzwischen so gut wie ausgeschlossen. Doch hört man sich in den Kammern und Verbänden um, dürfte es in der Sitzung nicht nur um die acht Spahn’schen Eckpunkte gehen. Denn wieder einmal steht auch die ABDA im Zentrum der Kritik.
Jens Spahn hat den Apothekern da einen unvorstellbar dicken Entscheidungsbrocken in den Vorgarten gelegt: Auf der einen Seite enthalten seine Eckpunkte Neuregelungen, von denen die Pharmazeuten seit Jahren träumen. Genannt sei hier die Erlaubnis, dass Apotheker und Kassen Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen abschließen können und die Apotheker dafür vergütet werden müssen. Auch die Verdopplung der Notdienstpauschale ist eine Maßnahme, von der insbesondere viele Landapotheker profitieren würden.
Doch auf der anderen Seite tätigt Spahn einen Schritt, der nicht weniger ist als ein Systembruch. Mit der gesetzlichen Etablierung eines Boni-Deckels, also eines begrenzten Rx-Bonus, der ausdrücklich von EU-Versendern gewährt werden darf, hebt Spahn eine der Grundregeln der Arzneimittelversorgung zumindest teilweise auf: die Rx-Preisbindung. Um den Einfluss der Versender nicht zu groß werden zu lassen, will Spahn ab einem Marktanteil von 5 Prozent – was in etwa das Fünffache vom Status quo bedeuten würde – evaluieren, ob die Höhe des gestatteten Bonus gesenkt werden muss.
Mehr zum Thema
Eckpunkte des BMG
Das sind Spahns Pläne für den Apothekenmarkt im Detail
Vor dem Spahn-Besuch
Das ist die ABDA-Mitgliederversammlung
Die etwa 140 Vertreter der Apothekerkammern und -verbände haben nun den Auftrag, sich zu diesen Vorschlägen zu positionieren. Sie müssen entscheiden, ob sich die ABDA gegen Spahn und sein Paket stellt oder sagt: Ja, wir machen mit. DAZ.online hat sich in den vergangenen Wochen in fast allen ABDA-Mitgliedsorganisationen umgehört und mehrere regionale Veranstaltungen besucht, auf denen das Spahn-Paket diskutiert wurde. Dabei zeichnet sich eines ganz deutlich ab: Es gibt wohl keinen einzigen Landesverband und erst recht keine Kammer, die Spahns Vorstoß ohne Widerspruch begrüßt.
Bei der heutigen Mitgliederversammlung stellt sich also nur eine Frage: Wie heftig wird der Widerstand sein? Schmettern die Apotheker das Paket ganz ab, oder wollen sie versuchen, es noch zu beeinflussen – um die Honorar-Erhöhungen zu sichern und die vorgesehen Rx-Boni wieder herauszubekommen? Hört man sich im Apothekerlager um, so zeichnen sich derzeit zwei Blöcke ab:
Zwei Blöcke formieren sich
Der Rx-Versandverbot-Block. Es gibt nicht wenige Apotheker, die den Spahn-Vorschlag nicht nur ablehnen, sondern durch ihn sogar verärgert sind. Denn die Pharmazeuten fühlen sich ganz einfach erpresst: Bestes Beispiel ist Saarlands Verbandschefin Claudia Berger, die sagte: „Wir Apotheker lassen uns nicht kaufen.“ Ärger gibt es aber auch, weil Spahn die Apotheker unter Druck gesetzt hat: Wenn sie nicht das gesamte Paket haben möchten, dann werde er nicht mehr viel „Kraft“ für andere Aufgaben im Apothekenbereich haben, soll er gesagt haben.
Und genau aus diesem Ärger ziehen sich einige ABDA-Mitglieder jetzt wieder auf die Kernforderung der Apotheker zurück: das Rx-Versandverbot. In großen Kammern wie Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein und Bayern spielt das Verbot nach wie vor eine große Rolle. Die Apotheker verweisen dabei auch auf den Widerstand gegen Spahn aus der Politik, teilweise aus den eigenen Reihen. So kündigten beispielsweise mehrere Fraktionskollegen Spahns im Bundestag Protest gegen die Rx-Boni an, auch Saarlands Finanzminister Peter Strobel (CDU) legte Widerspruch ein.
Mehr zum Thema
Peter Strobel (CDU)
Saarlands Finanz- und Europaminister protestiert gegen Spahns Boni-Plan
Kauder, Maag, Hennrich und Krauß protestieren
In der Union rumort es wegen Spahns Boni-Deckel
Der „Ja, aber…“-Block. Insbesondere die Apothekerverbände sehen in dem Paket auch Chancen. Schon im Dezember sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, dass es sich lohne, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Wie man nun hört, hat Schmidt in dieser Position prominente Unterstützer: Sowohl DAV-Chef Fritz Becker als auch sein Vize Dr. Hans-Peter Hubmann aus Bayern, aber auch Niedersachsens Verbandspräsident Berend Groeneveld sollen schon bei der letzten Mitgliederversammlung darauf hingewiesen haben, dass man so einzigartige Entwicklungschancen nicht einfach links liegen lassen dürfe.
Hinzu kommen einige weitere Verbände und Kammern, die noch nicht ausschließen wollen, die für die Apotheker negativen Teile aus dem Paket herauszubekommen. Obwohl Spahn den Apothekern signalisiert hat, sein Paket gebe es nur als „Gesamtlösung“, machen sich einige ABDA-Mitglieder noch die Hoffnung, dass man die Rx-Boni im SGB V sogar gänzlich verbietet oder bei einer solchen Überführung bestenfalls im Rahmen einer Bagatellgrenze duldet. Davon auszugehen ist, dass die ABDA den Vertretern aus Kammern und Verbänden am heutigen Donnerstag eine Beschlussvorlage vorlegt, die dann besprochen und gegebenenfalls verändert wird.
Auch über die ABDA selbst wird wieder diskutiert
Aber ganz egal, wie sich die Mitgliederversammlung zum Spahn-Paket verhält, dürfte auch heute wieder die ABDA selbst in den Mittelpunkt der Diskussionen rücken. Denn der Unmut in den Regionen ist wieder einmal groß. Anlässe dafür gibt es viele. Der aktuellste ist sicherlich der FAZ-Artikel über Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller. Viele Apotheker sind der Meinung, dass die ABDA und Schmidt sich damit selbst ins Abseits befördert haben. Zur Erinnerung: Die FAZ hatte Schmidt in seiner – teils sehr analog geführten Offizin – besucht und die Apotheker anschließend als „Traditionalisten“ bezeichnet. Mit Blick auf die Digitalisierung und Automatisierung wurde Schmidt mit dem Satz zitiert: „Und wenn dann jemand sagt, wir probieren jetzt mal was, dann ist das dem Apotheker vollkommen fremd.“
Aber auch der Umgang mit den Rechtsgutachten zum Rx-Versandverbot wirft Fragen auf. DAZ.online hatte berichtet, dass die ABDA unter anderem den ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio mit einem Gutachten zur juristischen Machbarkeit des Rx-Versandverbots beauftragt hatte. Di Fabios Meinung: Zum Schutz der flächendeckenden Versorgung wäre das Verbot machbar. Die ABDA beauftragte sogar noch zwei weitere namhafte Juristen, die zum gleichen Schluss kamen. Letztlich wurden den gesundheitspolitischen Journalisten die Gutachten in Kurzfassung im Dezember vorgelegt, die ABDA veröffentlichte die Zusammenfassungen zudem im Newsroom. Aber in der Politik kamen die Gutachten seitdem nach Recherchen von DAZ.online nicht mehr zum Einsatz. Auch ABDA-Präsident Schmidt ließ im Dezember nach der letzten Mitgliederversammlung durchblicken, dass das Aus des Rx-Versandverbots für ihn nun politische Realität sei. Viele Apotheker sehen das weiterhin anders. In den Regionen wird außerdem thematisiert, wie viel die ABDA für die Gutachten ausgegeben hat.
Mehr zum Thema
FAZ zum Versandhandelskonflikt
Schmidt vs. Müller: Traditionalist gegen den Neuen
Verfassungsrechtler di Fabio hat sich mit dem Rx-Versandverbot beschäftigt – im Auftrag der ABDA
Das Gutachten in der Schublade
Keine Personaldebatte erwartet
Letztlich gibt es auch einige wenige Vertreter aus den Regionen, die die ABDA-Spitze persönlich angreifen. Dahinter steht etwa die Frage, seit wann Schmidt, Becker und Co. von Spahns Boni-Plan wussten – und warum sie sich nicht früher gegen diesen Plan wehrten. Und auch das „Schweigegelübde“ steht weiterhin in der Kritik. Zur Erinnerung: Nach den ersten Gesprächen mit Spahn hatte die ABDA-Spitze dem BMG versprochen, keine Details über Zwischenstände im Versandhandelskonflikt weiterzugeben.
Dass am heutigen Donnerstag bei der ABDA Personalien diskutiert werden, ist aber so gut wie ausgeschlossen. Denn dafür müsste es in der ABDA-Mitgliederversammlung eine Zwei-Drittel-Mehrheit geben, zuvor sogar noch einen Antrag auf Ablösung des ABDA-Präsidenten. Und selbst die härtesten ABDA-Kritiker sind in dieser Sache einer Meinung: Eine komplette Umwälzung an der ABDA-Spitze würde die Gesprächsposition der ABDA gegenüber der Politik noch weiter schwächen.
7 Kommentare
Schmidt und Co
von Conny am 17.01.2019 um 13:31 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Trump, Brexit, Gelbe Westen, Europa- und Landtagswahlen ... und unwillige Apotheker ...
von Christian Timme am 17.01.2019 um 13:22 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
RxVV
von Michael Zeimke am 17.01.2019 um 10:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Einziger gangbarer Weg ist ein RX-Versandverbot
von RX-Versandverbot am 17.01.2019 um 9:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
RxVV
von regenriese am 17.01.2019 um 8:40 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: RxVV
von Anita Peter am 17.01.2019 um 8:49 Uhr
AW: RxVV
von Karl Friedrich Müller am 17.01.2019 um 8:50 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.