Vor der ABDA-Mitgliederversammlung

Das größte vorstellbare Dilemma für die Apotheker

Berlin - 17.01.2019, 07:00 Uhr

Wie geht es weiter? ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DAV-Chef Fritz Becker müssen bei der heutigen ABDA-Mitgliederversammlung eine schwierige Debatte über die Zukunft der Apotheken führen. (s / Foto: Schelbert)

Wie geht es weiter? ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DAV-Chef Fritz Becker müssen bei der heutigen ABDA-Mitgliederversammlung eine schwierige Debatte über die Zukunft der Apotheken führen. (s / Foto: Schelbert)


Mehr Geld oder der Erhalt der Gleichpreisigkeit? Kurz gefasst, ist das die Frage, mit der sich die rund 140 Vertreter in der ABDA-Mitgliederversammlung am heutigen Donnerstag beschäftigen müssen. Dass die Apotheker das Paket von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ohne Änderungswünsche akzeptieren, scheint inzwischen so gut wie ausgeschlossen. Doch hört man sich in den Kammern und Verbänden um, dürfte es in der Sitzung nicht nur um die acht Spahn’schen Eckpunkte gehen. Denn wieder einmal steht auch die ABDA im Zentrum der Kritik.

Jens Spahn hat den Apothekern da einen unvorstellbar dicken Entscheidungsbrocken in den Vorgarten gelegt: Auf der einen Seite enthalten seine Eckpunkte Neuregelungen, von denen die Pharmazeuten seit Jahren träumen. Genannt sei hier die Erlaubnis, dass Apotheker und Kassen Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen abschließen können und die Apotheker dafür vergütet werden müssen. Auch die Verdopplung der Notdienstpauschale ist eine Maßnahme, von der insbesondere viele Landapotheker profitieren würden.

Doch auf der anderen Seite tätigt Spahn einen Schritt, der nicht weniger ist als ein Systembruch. Mit der gesetzlichen Etablierung eines Boni-Deckels, also eines begrenzten Rx-Bonus, der ausdrücklich von EU-Versendern gewährt werden darf, hebt Spahn eine der Grundregeln der Arzneimittelversorgung zumindest teilweise auf: die Rx-Preisbindung. Um den Einfluss der Versender nicht zu groß werden zu lassen, will Spahn ab einem Marktanteil von 5 Prozent – was in etwa das Fünffache vom Status quo bedeuten würde – evaluieren, ob die Höhe des gestatteten Bonus gesenkt werden muss.

Die etwa 140 Vertreter der Apothekerkammern und -verbände haben nun den Auftrag, sich zu diesen Vorschlägen zu positionieren. Sie müssen entscheiden, ob sich die ABDA gegen Spahn und sein Paket stellt oder sagt: Ja, wir machen mit. DAZ.online hat sich in den vergangenen Wochen in fast allen ABDA-Mitgliedsorganisationen umgehört und mehrere regionale Veranstaltungen besucht, auf denen das Spahn-Paket diskutiert wurde. Dabei zeichnet sich eines ganz deutlich ab: Es gibt wohl keinen einzigen Landesverband und erst recht keine Kammer, die Spahns Vorstoß ohne Widerspruch begrüßt.

Bei der heutigen Mitgliederversammlung stellt sich also nur eine Frage: Wie heftig wird der Widerstand sein? Schmettern die Apotheker das Paket ganz ab, oder wollen sie versuchen, es noch zu beeinflussen – um die Honorar-Erhöhungen zu sichern und die vorgesehen Rx-Boni wieder herauszubekommen? Hört man sich im Apothekerlager um, so zeichnen sich derzeit zwei Blöcke ab:

Zwei Blöcke formieren sich

Der Rx-Versandverbot-Block. Es gibt nicht wenige Apotheker, die den Spahn-Vorschlag nicht nur ablehnen, sondern durch ihn sogar verärgert sind. Denn die Pharmazeuten fühlen sich ganz einfach erpresst: Bestes Beispiel ist Saarlands Verbandschefin Claudia Berger, die sagte: „Wir Apotheker lassen uns nicht kaufen.“ Ärger gibt es aber auch, weil Spahn die Apotheker unter Druck gesetzt hat: Wenn sie nicht das gesamte Paket haben möchten, dann werde er nicht mehr viel „Kraft“ für andere Aufgaben im Apothekenbereich haben, soll er gesagt haben.

Und genau aus diesem Ärger ziehen sich einige ABDA-Mitglieder jetzt wieder auf die Kernforderung der Apotheker zurück: das Rx-Versandverbot. In großen Kammern wie Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein und Bayern spielt das Verbot nach wie vor eine große Rolle. Die Apotheker verweisen dabei auch auf den Widerstand gegen Spahn aus der Politik, teilweise aus den eigenen Reihen. So kündigten beispielsweise mehrere Fraktionskollegen Spahns im Bundestag Protest gegen die Rx-Boni an, auch Saarlands Finanzminister Peter Strobel (CDU) legte Widerspruch ein.

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Der „Ja, aber…“-Block. Insbesondere die Apothekerverbände sehen in dem Paket auch Chancen. Schon im Dezember sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, dass es sich lohne, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Wie man nun hört, hat Schmidt in dieser Position prominente Unterstützer: Sowohl DAV-Chef Fritz Becker als auch sein Vize Dr. Hans-Peter Hubmann aus Bayern, aber auch Niedersachsens Verbandspräsident Berend Groeneveld sollen schon bei der letzten Mitgliederversammlung darauf hingewiesen haben, dass man so einzigartige Entwicklungschancen nicht einfach links liegen lassen dürfe.

Hinzu kommen einige weitere Verbände und Kammern, die noch nicht ausschließen wollen, die für die Apotheker negativen Teile aus dem Paket herauszubekommen. Obwohl Spahn den Apothekern signalisiert hat, sein Paket gebe es nur als „Gesamtlösung“, machen sich einige ABDA-Mitglieder noch die Hoffnung, dass man die Rx-Boni im SGB V sogar gänzlich verbietet oder bei einer solchen Überführung bestenfalls im Rahmen einer Bagatellgrenze duldet. Davon auszugehen ist, dass die ABDA den Vertretern aus Kammern und Verbänden am heutigen Donnerstag eine Beschlussvorlage vorlegt, die dann besprochen und gegebenenfalls verändert wird.

Auch über die ABDA selbst wird wieder diskutiert

Aber ganz egal, wie sich die Mitgliederversammlung zum Spahn-Paket verhält, dürfte auch heute wieder die ABDA selbst in den Mittelpunkt der Diskussionen rücken. Denn der Unmut in den Regionen ist wieder einmal groß. Anlässe dafür gibt es viele. Der aktuellste ist sicherlich der FAZ-Artikel über Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller. Viele Apotheker sind der Meinung, dass die ABDA und Schmidt sich damit selbst ins Abseits befördert haben. Zur Erinnerung: Die FAZ hatte Schmidt in seiner – teils sehr analog geführten Offizin – besucht und die Apotheker anschließend als „Traditionalisten“ bezeichnet. Mit Blick auf die Digitalisierung und Automatisierung wurde Schmidt mit dem Satz zitiert: „Und wenn dann jemand sagt, wir probieren jetzt mal was, dann ist das dem Apotheker vollkommen fremd.“

Aber auch der Umgang mit den Rechtsgutachten zum Rx-Versandverbot wirft Fragen auf. DAZ.online hatte berichtet, dass die ABDA unter anderem den ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio mit einem Gutachten zur juristischen Machbarkeit des Rx-Versandverbots beauftragt hatte. Di Fabios Meinung: Zum Schutz der flächendeckenden Versorgung wäre das Verbot machbar. Die ABDA beauftragte sogar noch zwei weitere namhafte Juristen, die zum gleichen Schluss kamen. Letztlich wurden den gesundheitspolitischen Journalisten die Gutachten in Kurzfassung im Dezember vorgelegt, die ABDA veröffentlichte die Zusammenfassungen zudem im Newsroom. Aber in der Politik kamen die Gutachten seitdem nach Recherchen von DAZ.online nicht mehr zum Einsatz. Auch ABDA-Präsident Schmidt ließ im Dezember nach der letzten Mitgliederversammlung durchblicken, dass das Aus des Rx-Versandverbots für ihn nun politische Realität sei. Viele Apotheker sehen das weiterhin anders. In den Regionen wird außerdem thematisiert, wie viel die ABDA für die Gutachten ausgegeben hat.

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Keine Personaldebatte erwartet

Letztlich gibt es auch einige wenige Vertreter aus den Regionen, die die ABDA-Spitze persönlich angreifen. Dahinter steht etwa die Frage, seit wann Schmidt, Becker und Co. von Spahns Boni-Plan wussten – und warum sie sich nicht früher gegen diesen Plan wehrten. Und auch das „Schweigegelübde“ steht weiterhin in der Kritik. Zur Erinnerung: Nach den ersten Gesprächen mit Spahn hatte die ABDA-Spitze dem BMG versprochen, keine Details über Zwischenstände im Versandhandelskonflikt weiterzugeben.

Dass am heutigen Donnerstag bei der ABDA Personalien diskutiert werden, ist aber so gut wie ausgeschlossen. Denn dafür müsste es in der ABDA-Mitgliederversammlung eine Zwei-Drittel-Mehrheit geben, zuvor sogar noch einen Antrag auf Ablösung des ABDA-Präsidenten. Und selbst die härtesten ABDA-Kritiker sind in dieser Sache einer Meinung: Eine komplette Umwälzung an der ABDA-Spitze würde die Gesprächsposition der ABDA gegenüber der Politik noch weiter schwächen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Schmidt und Co

von Conny am 17.01.2019 um 13:31 Uhr

Zeigt heute endlich mal Eier !

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Trump, Brexit, Gelbe Westen, Europa- und Landtagswahlen ... und unwillige Apotheker ...

von Christian Timme am 17.01.2019 um 13:22 Uhr

Vor diesem Hintergrund wird der "Sturm im Erlenmeyerkolben" wohl ausbleiben. Der letzte "Aufstand" vom "bröckelnden A" wird wohl nur "auf dem Papier" stattfinden. Auch die Mitgliedsorganisationen werden aus gutem Grund die ABDA "nicht verbrennen". Spahn hat also nichts zu befürchten ... Deutschland ist nicht Frankreich. Spahn wird zum "Überflieger" ... Macron zum "Fußgänger". Und die kommenden 4% Umsatzverlust, natürlich ohne Zeitangabe, was soll es ... Kreide beginnt zu schmecken ... alles nur eine Frage der Zeit ...

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RxVV

von Michael Zeimke am 17.01.2019 um 10:17 Uhr

Ich glaube der Präse hat den Mund zu voll genommen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Einziger gangbarer Weg ist ein RX-Versandverbot

von RX-Versandverbot am 17.01.2019 um 9:35 Uhr

Schaut Euch in Europa um - fast überall gibt es ein RX-Versandverbot! Arzneimittel sind einfach eine besondere Ware und dem ist seitens des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, Gleichpreisigkeit und Arzneimittelsicherheit und Sicherstellung der Versorgung und Erhalt der zahlreichen Arbeitsplätze geht NUR DURCH ein RX-Versandverbot! Kollegen, laßt Euch nicht vorführen, locken oder abspeisen - es steht zuviel auf dem Spiel !

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RxVV

von regenriese am 17.01.2019 um 8:40 Uhr

Sorry, aber das RxVV ist wohl politisch tot und nach einer Neuwahl wird es nicht wahrscheinlicher mit einer grünen BMG-Ministerin. Wenn es dafür in Berlin keine Mehrheit gibt, interessieren auch niemand mehr Gutachten dazu.
Auch dieser Artikel ist wieder falsch, ob die ABDA zustimmt oder nicht ist der Politik relativ wurscht würde ich sagen.

Es ist jetzt nicht die Zeit in Personal- und Strukturdebatten zu verfallen. Bei einer neuen Spitze wäre die Situation nicht anders. Nur die Gleichpreisigkeit komplett aufzugeben ist ein schlechter Witz, das ist noch schlechter als der alte SPD-Vorschlag. Das kann schlecht der Vorschlag eines CDU-Ministers sein !!
Nur jede Regelung ist besser als die jetzige Situation und wir haben den Druck das jetzt etwas geregelt wird, denn wenn schwarz-grün regiert fassen die die Regelungen nicht an. aber haben wir bis dahin keine Regelung, werden auch die sich auf keine einigen können.

Die Versender freuen sich wenn wir blockieren und Spahns RxVV auf dem Weg zur nächsten Wahl versandet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: RxVV

von Anita Peter am 17.01.2019 um 8:49 Uhr

"Sorry, aber das RxVV ist wohl politisch tot"

Habe ich bisher nur von Jens Spahn gehört. Aus dem Munde anderer Gesundheitspolitiker der CDU / CSU hört sich das ganz anders an.

Warum zieht Spahn nicht die Länderkarte? Damit kann er den Versand erhalten UND die Gleichpreisigkeit behalten. Apotheken in Fremdbesitz dürfen an der RX Versorgung nicht teilnehmen. Länder in denen Fremdbesitz erlaubt ist, werden von der Liste genommen.

AW: RxVV

von Karl Friedrich Müller am 17.01.2019 um 8:50 Uhr

Spahns Vorschlag ist gut für die Versender, für sonst niemanden. Dass er dabei uns unter Druck setzen will mit Unterstützung der ABDA geht gar nicht.
Der "Vorschlag" oder besser versuchte Erpressung muss rundweg abgelehnt werden. Ach deshalb, weil er tatsächlich dem recht widerspricht und die das RxVV.
Dass unsere sogenannte Standesvertretung uns an der Nase herumführen will, kann nur in einem Rücktritt enden.

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