Interview Dr. Roy Kühne (MdB, CDU)

„Vielleicht sollten die Krankenkassen auf Werbung im Profisport verzichten“

Berlin - 23.01.2019, 16:00 Uhr

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne stört sich an der Werbung der Krankenkassen im Profisport und schlägt vor, dass die Gelder lieber in den Breitensport fließen sollten. (s / Foto: Imago)

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Roy Kühne stört sich an der Werbung der Krankenkassen im Profisport und schlägt vor, dass die Gelder lieber in den Breitensport fließen sollten. (s / Foto: Imago)


Wer derzeit die Handball-Weltmeisterschaft verfolgt, kann es nicht übersehen: Überall prangt das AOK-Logo. Hintergrund ist eine seit Jahren bestehende Partnerschaft zwischen dem AOK-Bundesverband und dem Deutschen Handballbund (DHB). Der CDU-Gesundheitspolitiker Dr. Roy Kühne hinterfragt die Investitionen der Kassen in den Profisport ganz grundsätzlich und kündigt Gespräche mit Kassenvertretern an. Aus Kühnes Sicht sollten die Gelder lieber in den Breitensport investiert werden.

Die Werbeausgaben der Krankenkassen sind immer wieder ein Aufreger-Thema – insbesondere für Leistungserbringer, die häufig mit Retaxationen oder Regressen zu kämpfen haben. Auch in der öffentlichen Diskussion ist das Verständnis für die Werbeausgaben oftmals nicht groß – schließlich handelt es sich bei den Sponsoring-Geldern um Beitragsgelder. Klar ist: Die Ausgaben der Kassen für Werbezwecke und Sponsoring sind strikt reguliert. Konkret dürfen die Kassen 0,15 Prozent der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV je Mitglied nicht überschreiten. Da sich diese „Bezugsgröße“ regelmäßig ändert und vom Sozialministerium jährlich neu berechnet wird, ändert sich auch die Vorgabe für die Maximalausgaben der Kassen für Werbung. 2016 lag der Wert bei 4,36 Euro pro Mitglied.

Mehr zum Thema

Gesetzliche Krankenkassen

Millionen für das Marketing

194 Millionen Euro Werbeausgaben in 2016

Was pro Mitglied zunächst wenig klingt, summiert sich auf riesige Summen in der Gesamtschau. DAZ.online hatte im vergangenen Jahr über die Entwicklung der Werbeausgaben berichtet: Die Gesamtsumme ist in den vergangenen 23 Jahren förmlich explodiert – von rund 61 Millionen Euro im Jahr 1995 auf 194 Millionen Euro im Jahr 2016. Die größten Steigerungsraten verzeichneten die Ersatzkassen, die höchsten Gesamtausgaben lagen bei den AOKen.

Auf seinem Facebook-Profil hat Dr. Roy Kühne (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, dieses Thema in der vergangenen Woche aufgegriffen. Kühne schreibt dort auch von „Rückwerbeprämien“, bei denen die Kassen Prämien bis zu 85 Euro zahlen, um Versicherte zu halten. Und: Er zitiert „Medienangaben“, denen zufolge die AOK jährlich etwa eine Million Euro an den DHB für die Trikotwerbung zahlt. Was das Sponsoring betrifft, hat Kühne eine klare Vision: „Ich möchte mit den Kassen darüber diskutieren, ob es nicht besser wäre, auf die Werbung im Profisport zu verzichten (nicht im Breiten- und Kindersport, dort gerne zur Unterstützung), um das Geld in die Verbesserung der Versorgung zu stecken“, so der CDU-Politiker auf seinem Facebook-Profil.

DAZ.online hat bei Kühne nachgefragt, wo genau er die Probleme sieht und ob er dagegen etwas unternehmen will.

„Das Geld ist bei den Kassen nur zur Aufbewahrung“

DAZ.online: Herr Dr. Kühne, auf Ihrem Facebook-Profil deuten Sie an, dass Sie die teils aggressive Werbung der Krankenkassen und ihren Verbänden im Profisport stört. Warum?

Kühne: Ich denke, dass ich das grundsätzliche Ziel der Krankenkassen sogar mittrage: Menschen sollen sich bewegen, um gesund zu bleiben. Ich hinterfrage nur die Art und Weise, wie die Kassenlandschaft das derzeit umsetzt. Denn eigentlich hat der Profisport eine so massive finanzielle Unterstützung überhaupt nicht nötig. Ein Marco Reus macht bereits viel Sport und verdient auch gutes Geld. Viel sinnvoller wären die Gelder der Kassen also im Breitensport investiert.

DAZ.online: Sie meinen also, dass die Kassen schon Geld für Werbung ausgeben sollten, nur an anderer Stelle?

Kühne: Absolut. Es handelt sich hier um Beitragsgelder, das Geld ist bei den Kassen also eigentlich nur zur Aufbewahrung, damit es später in die Versorgung und Prävention investiert wird. Gerade kleinere Vereine in ländlichen Regionen könnten finanzielle Hilfe gut gebrauchen. Da sind Bälle kaputt, Trikots zerrissen oder Turngeräte beschädigt – die Vereine sind oftmals auf Spenden angewiesen. Wenn eine große Krankenkasse hier investiert, betreibt sie ebenfalls Werbung für sich und motiviert die Menschen vor Ort zu mehr Bewegung.

Der AOK-Bundesverband kooperiert seit Jahren mit dem Deutschen Handballbund und ist Trikotsponsor. (Foto: Imago)

DAZ.online: Wie bewerten Sie denn die Machart, also die Aufmachung der Kassenwerbung im Profisport?

Kühne: Auch da gäbe es aus meiner Sicht Nachbesserungsbedarf. Wenn die Kassen schon im Profisport werben, dann sollten sie viel mehr auf ihre Leistungen hinweisen. Die Krankenkassen haben viele Satzungsleistungen, auf die sie im Wettbewerb hinweisen können.

Kühne: Gespräche statt Gesetze

DAZ.online: Sie klingen sehr entschlossen. Planen Sie denn eine gesetzgeberische Initiative im Parlament?

Kühne: Nein. Vielmehr werde ich in den kommenden Wochen das direkte Gespräch mit den Krankenkassen suchen. Ich will zunächst genau erfahren, welcher Plan hinter dem Sponsoring der Kassen im Profisport steckt. Außerdem möchte ich bei den Kassen und ihren Verbänden dafür werben, dass mehr Geld in die lokalen Sportvereine investiert wird.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Werbung im Sport

von Dr. Hans-Werner Bertelsen am 28.01.2019 um 10:04 Uhr

Es ist doch interessant, wie sich Dr. Kühne hier zum Thema KK-Werbung im Sport exponiert. Das Thema Alkohol-Werbung im Sport bleibt unerwähnt.

Dabei fordern viele Mediziner und Uni-Kinderkliniken seit Jahren ein Alkohol-Werbeverbot im Sport:

www.bcgh.de

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das ist bei Weitem noch nicht alles

von PD am 24.01.2019 um 7:00 Uhr

Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass sich alle Kassen gern an dieser ohnehin zu hoch angesetzten Grenze vorbeischummeln, indem Sie vielfach die Werbuing nicht als solches deklarieren, sondern als "Patienteninformation" oder Fortbildung verschleiern! So werden z.B. alle Diabetiker-Gaggenau Kücheneinrichtungen zur Kochschulung finanziert, Anschreiben mit Bewerbung der doch so praktischen Holland-Versandapotheken, öffentliche Veranstaltungen mit schönen Give-aways etc, die Liste wird endlos sein. Mal ganz abgesehen davon, dass die Werbundgen der AOK ebenfalls im Prime Time TV Fenster laufen und wohl auch hier die ein oder andere natürlich nur zu informativen Zwecken zählt. Hier wäre mal eine Regulationsbehörde angebracht, so eine Art Kassen-Retax. Da werden sich bestimmt sogar viele ehrenamtliche Apotheker freiwillig melden...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.