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Apothekengesetz-Novelle in Österreich
Großhändler sollen Einfluss auf die Apotheken verringern
In Österreich steht eine Änderung des Apothekengesetzes bevor, die für viel Zündstoff sorgt. Im Alpenland dürfen Großhändler in bestimmten Umfang Anteile an Apotheken besitzen. Hierüber nehmen sie erheblichen Einfluss auf die Unabhängigkeit der Apotheker, meint der Apothekerverband. Dem soll nun ein Riegel vorgeschoben werden.
In Österreich soll noch in diesem Jahr eine Novelle des Apothekengesetzes verabschiedet werden. Das berichtet der Online-Nachrichtendienst der Tageszeitung „Die Presse“. Die Apotheker fürchten, dass die Arzneimittelgroßhändler immer mehr in die Geschäftstätigkeit der Apotheken eingreifen und sind deshalb Ende des Jahres mit einem Änderungsvorschlag zum Apothekengesetz beim Ministerium vorstellig geworden. Dieser sorgt nun laut „Die Presse“ für eine heftige Auseinandersetzung zwischen der Apothekerkammer und dem Verband der Arzneimittelgroßhändler Phago, dem die sechs größten vollsortierten Großhändler Österreichs angehören: Herba Chemosan, Jacoby GM, Kwizda, Pharmosan, Phoenix und Richter Pharma.
Apotheker muss mehr als die Hälfte besitzen
Das österreichische Apothekengesetz bestimmt, dass eine Apotheke nach dem Grundsatz der persönlichen Betriebsführung von einem Apotheker geführt werden muss. Hieraus resultiert im Wesentlichen ein Ketten- und Fremdbesitzverbot. Abgeschwächt wird das Fremdbesitzverbot allerdings durch eine Ausnahmeregelung, wonach auch die Rechtsform einer Personengesellschaft zulässig ist, wenn der Konzessionsinhaber eine Beteiligung von mehr als der Hälfte am gesamten Apothekenunternehmen besitzt. Außerdem dürfen keinem anderen Gesellschafter Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt werden. Ein Apothekenbesitzer darf danach zum einen Teilhaber an einer weiteren Apotheke sein, und zum anderen ist auch die Beteiligung von apothekenfremden Unternehmen wie etwa pharmazeutischen Großhändlern am Apothekenbesitz möglich.
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Wettbewerbsbehörde will Fremdbesitzverbot beibehalten
Der Einfluss, den der Großhandel über solche Beteiligungen auf die öffentlichen Apotheken ausübt, sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden und wirke sich negativ auf die Unabhängigkeit der Apotheker aus, sagt der Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes Jürgen Rehak gegenüber „Die Presse“. Rehak verweist in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Branchenbericht der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die diese Entwicklung ebenfalls mit Sorge beobachte. Im Mai des letzten Jahres hatte die BWB im Rahmen ihrer Gesundheitsbranchenuntersuchung den ersten Teilbericht zum österreichischen Apothekenmarkt veröffentlicht.
Darin befürwortet sie nachdrücklich eine Beibehaltung des Ketten- und Fremdbesitzverbots. Eine vertikale Integration würde die Wahrscheinlichkeit des Auftretens negativer Folgen wie Marktzutrittsbarrieren, die Abschottung „fremder“ Apotheken und das Verschieben der Sortimentsbreite und -tiefe zu Gunsten der vom Großhändler angebotenen Waren massiv erhöhen, so die Auffassung der Behörde. Im Ergebnis sei eine vollständige Liberalisierung der Eigentumsregelungen nicht zu empfehlen.
Reine Beteiligung gar nicht so wichtig
Die BWB erläutert auch, wie die große Einflussnahme zustande kommt: Da ihnen hinsichtlich der Preisregelungen und des Absatzes von Arzneimitteln die Hände gebunden sind, hätten die pharmazeutischen Großhändler in der Vergangenheit immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, um ihre Position am Markt zu verbessern, etwa durch Beteiligungen an Apotheken. Dabei liege ihr strategisches Hauptinteresse gar nicht in der Beteiligung selbst. Zumeist sei der reine Beteiligungsertrag an einer Apotheke für den Großhändler gering. Es gehe vielmehr um ihre Absicherung als Hauptlieferant der betreffenden Apotheke. Einhergehend mit oder als Alternative zur Beteiligung würden zudem Bürgschaften vereinbart, die mit einer regelmäßig sehr langen Laufzeit (in der Regel zehn Jahre, zum Teil auch länger oder unbefristet) verknüpft würden.
Fast keine Apotheke ohne Großhandelsteilhaber
In der Regel werde bei Beteiligungsverhältnissen festgelegt, dass die Apotheke 50 bis 90 Prozent des Gesamtbedarfs von dem Großhändler beziehen muss, bei einer (zumeist nicht kündbaren) Laufzeit von zehn bis fünfzehn Jahren. Solch eine Warenbezugs- oder Liefervereinbarung werde regelmäßig im Zusammenhang mit sonstigen Verträgen abgeschlossen, etwa über die Vereinbarung von Vorauskassa oder Warenkrediten. Die BWB geht davon aus, dass sich der Anteil der Warenbezugsvereinbarungen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Apotheken bereits im Bereich von zwanzig bis dreißig Prozent bewegt.
Nach Auskunft von Rehak gibt es an etwa 1300 der insgesamt 1357 österreichischen Apotheken direkte Beteiligungen, bei 200 von ihnen seien sie sehr hoch. Für Großhändler seien sie schon zu einem wichtigen Standbein ihres Geschäftsmodells geworden.
Vorschläge werden geprüft
Der Großhandelsverband Phago bestreitet laut „Die Presse“ in einer Stellungnahme, dass eine Beteiligung von Großhändlern nachteilige Folgen für Apotheker habe. Im Gegenteil, eine Veränderung des Status quo „hätte schwerwiegende Nachteile für die Arzneimittelversorgung in Österreich“, meine man dort. Die Großhändler hätten für das Ansinnen der Apotheker deshalb kein Verständnis und verwiesen auf die die alleinige Entscheidungsbefugnis des Apothekers nach dem Apothekengesetz, unabhängig von finanziellen Beteiligungen.
Wie DAZ.online auf Nachfrage vom österreichischen Gesundheits-und Sozialministerium erfahren hat, werden die Vorschläge der Apotheker derzeit „umfassend geprüft und wie in gewohnter Weise werden auch die Stakeholder eingebunden.“ Erst danach erfolge eine entsprechende Meinungsbildung seitens des Ministeriums. Grundsätzlich habe man das Kalenderjahr 2019 ins Auge gefasst. Die genauen Inhalte des Vorschlags sind nicht bekannt. „Wir wollen nur Beteiligungen verhindern, die über 49 Prozent der Anteile hinausgehen“, konkretisiert Rehak gegenüber „Die Presse“.
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