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Zwei Themen bewegten unsere Apothekerherzen in dieser Woche: Spahn und Securpharm. Spahn, leicht daneben: Wann und wie unser Bundesgesundheitsminister Krebs für besiegbar hält. Okay, seine Tweets waren ein bisschen vorschnell und missverständlich. Deutlichere Worte fand er dagegen zur Apothekenzukunft: E-Rezept, Botendienst, Telepharmazie und Patientenakte sind da seine Ideen, bei denen Apotheken mutiger ran gehen sollten. So ganz unrecht hat er da nicht. Thema Securpharm: Alles wird gut, alles wird sicher. Sagt die ABDA. Wenn’s denn läuft, sagen wir. Der erste Securpharm-Tag liegt hinter uns. Machen wir das Beste draus!
4. Februar 2019
Bravo, unser junger Pharmazeut Philipp Kircher aus Peißenberg macht weiter. In dieser Woche erschien eine weitere Folge des Gesprächs mit dem Bundesgesundheitsminister. Kircher hat gute Fragen und bringt Apothekers Ansichten auf den Punkt – und, mein liebes Tagebuch, ehrlich gesagt, Spahn hat einige gute Antworten. Allerdings musste er sich auch anhören, dass wir Apothekers gar nicht so undigital sind: Kircher nannte ihm Beispiele für zahlreiche digitale Entwicklungen, die heute schon in den Apotheken laufen. Und: Wir Apothekers sind nicht daran schuld, dass wir den Medikationsplan noch immer auf Papier haben – aber das ist dem Minister bewusst, der sich auch vorstellen kann, dass Dienstleistung zum E-Medikationsplan und die Beratung dazu honoriert werden. Spahn wirft den Apothekern allerdings vor, zu lange am Verbot des Rx-Versandhandels festgehalten zu haben. Mein liebes Tagebuch, dieser Vorwurf trifft nur zum Teil, denn das Rx-Versandverbot steht im Koalitionsvertrag. Man kann uns Apothekers bzw. unserer Berufsvertretung allerdings vorwerfen, parallel dazu keinen Plan B verfolgt zu haben, etwa Alternativen zum Versandverbot, und relativ spät sich Gedanken gemacht zu haben zum E-Rezept, zur Patientenakte, zur Telepharmazie. Spahn: Das E-Rezept verknüpft mit einem klugen Botendienst und pharmazeutischer Online-Beratung werde auch für den Apotheker vor Ort ganz neue Möglichkeiten geben, mit dem Patienten in Kontakt zu treten und Angebote zu machen. „Da kann kein Versandhändler der Welt mithalten“, ist er überzeugt und ergänzt: Da könnten Apotheker auch ganz andere Angebote entwickeln – „wenn man denn will“. Spahn’s Credo: „Glaubt wirklich jemand in der Apothekerschaft, dass das alles in zehn Jahren, in 15 Jahren noch so abläuft wie heute?“ Mein liebes Tagebuch, leider glauben das einige, auch ganz oben, wohl immer noch.
5. Februar 2019
Für steile Thesen und offen ausgesprochene populäre Ansichten ist er bekannt, unser Herr Bundesgesundheitsminister. Leider haut er die eine oder andere persönliche Ansicht so schnell per Tweet raus, dass sie manchmal knapp daneben liegt oder eine gewisse Empathie für die Betroffenen vermissen lässt. Sein neuester Coup zum Weltkrebstag: Krebs sei „in zehn bis zwanzig Jahren besiegbar“ und sein Rezept zur Krebs-Prävention: nicht rauchen, mehr bewegen und die Haut eincremen. Wenn das alles mal so einfach wäre. Mein liebes Tagebuch, wir wollen ihm mal nichts Böses unterstellen, aber: Lieber Herr Spahn, so einfach ist die Welt leider nicht, das sollten Sie mal verinnerlichen. So ein kleiner Grundkurs zum Thema „Krebs, Prävention und Therapie“ wäre nicht schlecht. Dann würden Sie lernen, dass es nicht den einen Krebs gibt und dass jeder Krebs und seine Entstehung von vielen Faktoren abhängt und daher „Krebs“ nicht in den nächsten zwanzig Jahren besiegbar ist und Krebs auch bei gesündester Lebensweise entstehen kann, trotz nicht rauchen, nicht trinken, trotz bewegen und viel schmieren. Mein liebes Tagebuch, Spahn hat sich, als ein shitstorm über seinen Tweet hereinbrach, entschuldigt. Schon klar, sein Tweet war gut gemeint, aber gut gemeint ist eben nicht gleich gut gemacht. Vielleicht sollte er bei all seiner Liebe zum Digitalen und zum schnellen Texten sich doch ein bisschen mehr Zeit nehmen und vorher überlegen.
Die Tage vor dem Securpharm-Start! Unsicherheit und Furcht vor Chaos gehen in vielen Apotheken um. Eines der Hauptthemen: Sytemmeldungen zu vermeintlichen Fälschungen! Fehlermeldungen! Gemach, mein liebes Tagebuch, ein kleiner Trost zum Anfang: Rund 90 Prozent der Packungen unterliegen zurzeit noch gar nicht dem Securpharm-Procedere, die Packungen haben noch gar keinen 2D-Code und müssen/können nicht verifiziert werden. Und 10 Prozent der Packungen, die einen Code haben, haben ihn nur probeweise oder aus anderen Gründen – und wer den 2D-Code dieser Packungen scannt, bekommt seine „Quittung“, nämlich eine Fehlermeldung. Die beruhigenden Worte eines Securpharm-Managers zum Securpharm-Start: „An diesem Wochenende wird zu 100 Prozent Bestandsware in den Apotheken sein“. Das heißt: Apotheken können den Data-Matrix-Code – sofern vorhanden – scannen, müssen es aber nicht, „weil bei Bestandsware diese Verpflichtung nicht besteht“. Na, mein liebes Tagebuch, warum nicht gleich so. Und angeblich soll auch die Software rückmelden, ob eine Packung verifizierungspflichtig ist oder nicht. DAZ.online hat einige Tipps und Hinweise dazu zusammengestellt. Wie auch immer, mein liebes Tagebuch, da braucht’s noch eine Menge Infos, Kommunikation und Good Will, bis das mal rund läuft. So ist das eben mit digitalen Großprojekten im Gesundheitswesen – wir freuen uns heute schon auf die Einführung des E-Rezepts.
6. Februar 2019
Und nochmal eine Fragerunde von Apotheker Philipp Kircher mit Jens Spahn. Dieses Mal: Wie stellt sich unser Gesundheitsminister die Apotheke der Zukunft vor? Also, flächendeckend soll sie vorkommen. Na, das ist doch schon mal eine Ansage. Aber gleichzeitig will er ein digitales Angebot, Online-Sprechstunden, E-Rezepte und Botendienste. Ja, mein liebes Tagebuch, Botendienste sollen laut Spahn die Regel sein für die, die sie anbieten wollen. Und Spahn ist offen für neue Ideen der jungen Apotheker – eine Steilvorlage für den Jungpharmazeuten Kircher, der Spahn seine Ideenwelt erklärt jenseits von Telepharmazie und E-Rezept, nämlich beispielsweise individualisierte Arzneimittel, gedruckte Arzneimittel auf Esspapier oder Arzneimittel per 3D-Druck. Und vor allem: Empathisch müssen die Apotheker auch in Zukunft bleiben, so Kircher. Und da waren Kircher und Spahn sofort beieinander. So meint auch der Minister: Wenn man die persönliche, Betreuung vor Ort mit dem Digitalen verknüpfen könne, sehe er eine gute Zukunft für die Apotheker. – Tja, aber nur, wenn die ökonomischen Rahmenbedingungen dafür stimmen, setzte Kircher oben drauf. Bingo, mein liebes Tagebuch.
Apropos ökonomische Rahmenbedingungen: Gerade kommt die Meldung auf den Tisch, dass im vergangenen Jahr so viele Apotheken wie noch nie dicht gemacht haben. 422 Apotheken haben das Licht für immer ausgemacht. Dass die Gesamtzahl der Apotheken „nur“ um 325 Apotheken geschrumpft ist, ist den 97 Neueröffnungen zu verdanken. Der neueste Tiefststand seit Mitte der achtziger Jahre also: Nur noch rund 19.400 Apotheken versorgen heute unsere Bevölkerung. Für ABDA-Präsident Schmidt ist das beunruhigend, vor allem, dass die Zahl der Apothekeninhaber immer weiter sinkt: „Die Gesellschaft muss gerade jungen Apothekern wieder eine echte Perspektive bieten, um sich eine Existenz als Selbstständige aufzubauen.“ Stimmt, mein liebes Tagebuch, aber zur Gesellschaft gehören wir Apothekers selbst. Wenn wir da auf die Perspektiven warten wollen, die uns „die“ Gesellschaft und „die“ Politik anbieten, dann warten wir womöglich zu lange. Wo bleiben unsere eigenen zündenden Ideen, losgelöst von alten Zöpfen und Bärten?
7. Februar 2019
Alles wird gut – heißt sinngemäß die freudig-beruhigende Botschaft der ABDA kurz vor dem Securpharm-Start. Auch wenn sie sich bisher zu diesem Thema wortkarg eingeigelt hatte, vermutlich weil sie selbst noch zitterte und das Schlimmste befürchtete. Aber jetzt: Alles wird gut. Es gab zwar keine ernsthafte Erprobungsphase fürs Mammutprojekt, es gibt vielleicht auch die eine oder andere kleine Fehlermeldung und eigentlich ist noch kaum echte neue verifizierungsfähige Ware im Umlauf, die das System zum Zentralserver melden könnte, aber: Alles wird gut. Und überhaupt war die Arzneiversorgung schon bisher sicher und wird durch Securpharm nur noch sichererererer, ein „weiterer Schutzzaun“ gegen Arzneifälschungen, wie der ABDA-Securpharm-Verantwortliche Hubmann verlauten lässt. Die Apotheken sind das entscheidende „Quality-Gate“ – hach, wie schön, mein liebes Tagebuch, endlich sagt’s mal einer. Das schreiben wir auf unseren Briefkopf: Ihre Stadt-Apotheke, das Quality Gate.
8. Februar 2019
Also, noch einmal schlafen und dann sind Arzneimittel aus unseren Apotheken aber so was von sicher – wenn alles glatt läuft mit Internet, Software und Securpharm-System. Wenn! Was den Start schwierig macht: Es sind solche und solche Packungen im Handel. Da liegen noch überwiegend Packungen in unseren Schubladen und beim Großhandel, ohne 2D-Code und ohne „Erstöffnungsschutz“, sogenannte Bestandsware. Und dann gibt es vereinzelt schon die neuen Packungen, die beide Merkmale haben. Was aber vor allem Schwierigkeiten bereiten könnte, sind Packungen mit Vorstufen von Sicherheitsmerkmalen: Sie können Fehlalarme auslösen. Mein liebes Tagebuch, wie geht man mit all den möglichen Szenarien um? Auf DAZ.online gibt’s zwei schöne Graphiken, die die Entscheidung erleichtern, wie man am besten verfährt. Wir drücken für alle Apotheken die Daumen, dass der Securpharm-Start nicht zum Bürokratie-Monster wird. Okay, es ist Mehrarbeit, aber wenn’s dann läuft, sollten wir Securpharm nach außen auch als Leistung der Apotheken für sichere Arzneimittel und gegen Fälschungen aktiv darstellen. Ja es gibt dazu ein paar spröde Pressemeldungen unserer ABDA, aber das ist mir noch zu wenig. Da könnte man eine größere Kampagne fahren…
Mein liebes Tagebuch, ein Thema legt unser Bundesgesundheitsminister Spahn immer wieder auf den Tisch, es treibt ihn um: der Botendienst. So wie der Botendienst heute läuft, ist ihm sichtlich nicht ausreichend. Er möchte zusammen mit der Apothekerschaft mehr draus machen – mit allen, die Botendienste anbieten wollen. Er sieht in den Botendiensten mehr Potenzial, gegen den Versandhandel zu punkten. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, das sehe ich auch, da ist mehr drin. Der Botendienst könnte mehr bieten und mehr sein, wenn man denn will. Das Problem ist, dass wir künstlich eine Abgrenzung zum Versandhandel aufgebaut haben, um die Beratungspflicht herauszustellen. Eine Abgrenzung, die der Kunde aber so nicht versteht und da liegt die Crux. Da sollten wir uns etwas einfallen lassen, vor allem, wenn das E-Rezept kommt. Wie wollen wir gegen den Versandhandel antreten, wenn uns ein Patient sein Rezept online übermittelt und es geliefert bekommen möchte? Im Rahmen des Botendienstes müssen wir pharmazeutisches Personal einsetzen und zum Patienten schicken, wenn er vorher nicht beraten wurde. Der Apothekenfahrer tut’s da nicht. Wie wär’s da beispielsweise mit telepharmazeutischen Angeboten? Damit könnten wir die pharmazeutische Beratung von der Apotheke aus bewerkstelligen und danach den Apothekenfahrer die Arzneimittel zustellen lassen. Mein liebes Tagebuch, wir müssen da offener sein für neue Konzepte.
9. Februar 2019
Wie war der erste Securpharm-Tag? Lief’s gut oder machte die Software oder das Internet Probleme? Liebe Leserinnen und Leser des lieben Tagebuchs, wenn Sie Ihre Erfahrungen meinem Tagebuch anvertrauen, freue ich mich.
18 Kommentare
Digitalisierung oder Chance zur Entbürokratisierung
von Bernd Jas am 10.02.2019 um 18:43 Uhr
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Immer stramm abwärts ...
von Reinhard Herzog am 10.02.2019 um 17:40 Uhr
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AW: 120 % Zustimmung!
von Gunnar Müller, Detmold am 10.02.2019 um 19:25 Uhr
Perspektive
von Reinhard Rodiger am 10.02.2019 um 15:59 Uhr
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15 Jahre
von Karl Friedrich Müller am 10.02.2019 um 15:06 Uhr
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Bayern-Gate: Fancy Denglisch
von Wolfgang Müller am 10.02.2019 um 15:05 Uhr
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AW: Bayern-Gate: Fancy Denglisch
von Heike Nickolay am 10.02.2019 um 15:24 Uhr
AW: Dann geht's doch
von Wolfgang Müller am 10.02.2019 um 15:42 Uhr
securPharm
von K. Stülcken am 10.02.2019 um 13:20 Uhr
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AW: securarm
von Bernd Jas am 10.02.2019 um 15:21 Uhr
AW: securPharm
von Heike Nickolay am 10.02.2019 um 16:24 Uhr
AW: "Honorar" für securPharm
von Wolfgang Müller am 10.02.2019 um 17:49 Uhr
AW: securPharm
von Jan Kusterer am 11.02.2019 um 9:43 Uhr
SecurPharm und AWINTA - ein unendliches Trauerspiel ...
von Gunnar Müller, Detmold am 10.02.2019 um 11:27 Uhr
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AW: SecurPharm und AWINTA - ein unendliches
von Conny am 10.02.2019 um 13:50 Uhr
AW: AWINTA - alle anderen haben auch ihre Macken ...
von Gunnar Müller, Detmold am 10.02.2019 um 15:51 Uhr
AW: SecurPharm und AWINTA - ein unendliches
von Conny am 10.02.2019 um 18:44 Uhr
Securpharm = Y2K Version II
von Brigitte Hillner am 10.02.2019 um 9:07 Uhr
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