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Sterbewilligen Schwerkranken darf in Extremfällen nicht der Zugang zu einem Betäubungsmittel zum Suizid verwehrt werden. Dies entschied 2017 das Bundesverwaltungsgericht. Doch das BfArM weist bislang jeden Antrag von Patienten, die eine solche tödliche BtM-Dosis erwerben wollen, ab – ganz im Sinne des Bundesgesundheitsministeriums. Die FDP-Bundestagsfraktion fordert in einem Antrag ein Ende der bestehenden Rechtsunsicherheit. Am morgigen Mittwoch wird es hierzu eine Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages geben.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im März 2017 entschieden, dass der Staat Schwerkranken im „extremen Einzelfall“ nicht den Zugang zu einem Betäubungsmittel verwehren darf, das eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Es gehöre zum grundgesetzlich verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dass Schwerkranke entscheiden können, wie und wann sie aus dem Leben scheiden wollen.
Dieses Urteil kam im Bundesgesundheitsministerium (BMG) gar nicht gut an. Im vergangenen Jahr wies BMG-Staatssekretär Lutz Stroppe (CDU) das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an, Anträge von Bürgern, ein solches Suizid-BtM erwerben zu dürfen, abzulehnen. „Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Selbsttötungshandlungen durch die behördliche, verwaltungsaktmäßige Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb eines konkreten Suizidmittels aktiv zu unterstützen“, schrieb er im Juni 2018 an BfArM-Präsident Prof. Karl Broich. Schon zuvor hatte der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio im Auftrag von BfArM/BMG ein Gutachten erstellt, das zu dem Ergebnis kam, das Urteil sei „verfassungsrechtlich nicht haltbar“.
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Die Situation ist heikel. Immerhin fordert die Bundesregierung eine Behörde aktiv auf, ein höchstrichterliches Urteil zu umgehen. Was die Sache nicht einfacher macht: Ein Arzt macht sich nach § 217 Strafgesetzbuch (geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe) strafbar, wenn er wiederholt bei einem Suizid assistiert. Und auch die zuständigen Mitarbeiter des BfArM verwirklichen möglicherweise diesen Straftatbestand, wenn sie Anträge positiv bescheiden. Wie der Tagesspiegel am heutigen Dienstag berichtet, hat die Behörde mittlerweile 93 von insgesamt 123 vorliegenden Patienten-Anträgen abgelehnt. Einen positiven Bescheid habe es in keinem einzigen Fall gegeben. 22 suizidwillige Antragsteller seien in der Wartezeit verstorben.
FDP fordert gesetzliche Klarstellung
Für die FDP-Bundestagfraktion ist dieser Zustand für die wartenden Schwerkranken nicht haltbar – einige müssten in Betracht ziehen, Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen. Die Fraktion fordert daher in einem Antrag eine gesetzliche Klarstellung, „dass für schwer und unheilbar Erkrankte in einer extremen Notlage, die eine Selbsttötung beabsichtigen, der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung zu ermöglichen ist“. Mit dem Gesetzentwurf müssten auch Wertungswidersprüche mit § 217 StGB aufgelöst werden. Und zudem müsse ein Bescheidungsverfahren geschaffen werden, das eine sachverständige ärztliche Beurteilung vorsieht und gewährleistet, dass die Anträge in angemessener Zeit bearbeitet werden.
BÄK: Eine Tötung zu empfehlen, ist keine Option für Ärzte
Zu diesem Antrag wird am morgigen Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung stattfinden. Geladen sind verschiedene Einzelsachverständige sowie Verbände und Institutionen wie die Bundesärztekammer (BÄK), der Deutsche Ethikrat, die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS).
Die vorliegenden schriftlichen Stellungnahmen lehnen den Antrag der Liberalen weitgehend ab. So schreibt die BÄK: „Ärzte leisten Hilfe beim Sterben, aber nicht zum Sterben“. Es dürfe keine Option für Ärzte sein, in schwierigen und hoffnungslosen Situationen eine aktive Tötung zu empfehlen oder daran mitzuwirken. Menschliche Extremnotlagen könnten auch nicht mit einem behördlichen Verwaltungsakt gelöst werden.
Die DGP begründet ihre Ablehnung des FDP-Antrags damit, dass die Hospiz-und Palliativversorgung fast immer eine Leidensminderung ermögliche. Es gebe zudem Alternativen für Patienten in solchen Ausnahmesituationen. Die Palliativmediziner halten auch eine Begrenzung auf extreme Ausnahmesituationen für nicht möglich, so dass die Gefahr bestehe, dass eine staatliche Pflicht zur Assistenz bei Suizid geschaffen wird.
Die DGHS spricht sich dagegen für einen „Notausgang“ für die wenigen Menschen aus, die von der gegenwärtig bestehenden Rechtsunsicherheit betroffen sind. Die Nichtverfügbarkeit eines solchen „Notausgangs“ sei „eine erhebliche Einbuße an Freiheit der persönlichen Lebensgestaltung“.
Spahn contra Bundesverwaltungsgericht
Im BMG dürfte sich indessen die Meinung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht geändert haben. Wie der Tagesspiegel schreibt, war die Linie im Ministerium schon früh klar. Das zeigten interne Unterlagen, die das BMG nach dem Informationsfreiheitsgesetz an die Zeitung herausgegeben musste. Demnach hat Spahn frühzeitig selbst eine Sperre verfügt – ohne, dass es auf nähere Prüfungen durch das BfArM ankommen soll.
Die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr, auf deren Initiative der Antrag der Liberalen zurückgeht, ist daher überzeugt, dass auch die übrigen Antragsteller beim BfArM keine Chance haben. Betroffene müssten klagen, wenn sie sich gegen die Ablehnung wehren wollen: „Jedem einzelnen der abgelehnten Antragsteller bürdet Jens Spahn mit seinem Dekret den langwierigen Rechtsweg auf“, sagte sie dem Tagesspiegel. Dem Blatt zufolge sind bislang sieben entsprechende Fälle anhängig, überwiegend beim Verwaltungsgericht Köln. Auch das Bundesverwaltungsgericht wird am 6. Juni 2019 erneut über einen Sterbehilfe-Fall entscheiden.
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