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Arzneimittelforschung
Brexit: Schaden für die klinische Forschung befürchtet
Der Brexit rückt unaufhörlich näher, und mit Auslaufen der verbleibenden Frist verdichtet sich die Befürchtung, dass es kein Abkommen geben wird und damit auch keine Übergangsfrist. Auch auf dem Gebiet der klinischen Forschung in der EU könnte ein harter Brexit deutliche Flurschäden hinterlassen, und zwar auf beiden Seiten des Ärmelkanals.
Aktuell weist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darauf hin, dass im Bereich der klinischen Prüfungen für die Zeit nach dem Brexit immer noch nicht alles in trockenen Tüchern ist. Nach dem EU-Recht, das heißt auch nach deutschen Recht darf die klinische Prüfung eines Arzneimittels bei Menschen in der Europäischen Union bzw. in Deutschland nur durchgeführt werden, wenn und solange ein Sponsor oder ein Vertreter des Sponsors vorhanden ist, der seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat. Großbritannien wird aber nach dem Brexit von einem Tag auf den anderen zu einem Drittstaat.
Last call für säumige Sponsoren
Die zwingende Konsequenz führt das BfArM dem Sponsoren nun vor Augen: Für klinische Prüfungen von Arzneimitteln, bei denen der Sponsor oder der gesetzliche Vertreter nach dem „harten“ Brexit weiterhin in Großbritannien ansässig sei, müsse zwingend der Widerruf oder das Ruhen der Genehmigung angeordnet werden. Solche klinischen Prüfungen dürften dann nicht fortgesetzt werden, betont die Behörde. Eine entsprechende Änderung, das heißt Verlegung in die EU/EWR müsse überdies fristgerecht angezeigt und genehmigt werden. Dabei seien auch die Bearbeitungsfristen von 20 bzw. 35 Tagen für Änderungsanzeigen zu berücksichtigen. Ab Ende Februar soll damit begonnen werden, die betroffenen Sponsoren bzw. ihre Vertreter anzuhören und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, bevor das Ruhen der Genehmigung nach dem Arzneimittelgesetz angeordnet wird, teilt das BfArM weiter mit.
1300 Prüfungen müssen noch umgemeldet werden
Wie die Zulassungsbehörde nach einer aktuellen Datenbankrecherche im Januar 2019 festgestellt hat, gibt es in der Zuständigkeit des BfArM derzeit rund 1.300 klinische Prüfungen, die derzeit noch einen Sponsor oder gesetzlichen Vertreter mit Sitz in Großbritannien haben. Es geht also beileibe nicht um Einzelfälle.
Chargenfreigabe und Import von Prüfpräparaten
In einer früheren Mitteilung von Mitte Januar 2019 hatte das BfArM bereits darauf hingewiesen, dass auch die Chargenfreigabe von Prüfpräparaten in der EU/EWR erfolgen müsse. Endfreigebende Hersteller mit Sitz in Großbritannien könnten nach dem erfolgten Brexit nicht mehr akzeptiert werden. Chargen, die vor erfolgtem Brexit freigegeben wurden, könnten allerdings ohne erneute Freigabe verwendet werden. Sofern Prüfpräparate und andere Arzneimittel aus UK in die EU/EWR verbracht würden, stelle dies nach erfolgtem Brexit eine Einfuhr dar. Auch wenn Herstellungsschritte für die Prüfpräparate in UK durchgeführt und diese anschließend in die EU/EWR verbracht würden, sei dafür eine Einfuhrerlaubnis notwendig, erläutert das BfArM. Dies gelte auch, wenn nur Teile der Herstellung in UK als Drittstaat vorgenommen würden, wie zum Beispiel das studienspezifische Verpacken oder Kennzeichnen von Prüfpräparaten. Für die Einfuhr müsse ein Importeur mit Sitz in der EU/EWR benannt werden. Dessen sachkundige Person müsse außerdem bestätigen, dass die Herstellungsstandards bei dem Hersteller in Großbritannien den EU GMP-Standards entsprechen.
Sponsoren ergreifen die Flucht aus UK
Noch härter als die KliFo in der „Rest-EU“ könnte der Brexit die klinische Forschung im Vereinigten Königreich selbst treffen. Nach einem Bericht der Fitch Solutions von Oktober 2018 soll die Zahl der klinischen Prüfungen dort in den letzten zwei Jahren bereits um ein Viertel zurückgegangen sein, und zwar von gemittelten rund 800 zwischen 2009 und 2016 auf knapp 600.
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Die Sponsoren sorgen sich offenbar darum, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in Zukunft klinische Daten aus Großbritannien nicht mehr so leicht akzeptieren könnte. Zwar habe die britische Arzneimittelbehörde MHRA zugesagt, ihre Vorschriften für die klinische Forschung weiterhin mit denen der EMA in Einklang zu halten, aber ohne ein entsprechendes Abkommen kann die MHRA nach dem Brexit nicht mehr an dem streng regulierten und getaktetem System für die Durchführung klinischer Prüfungen inklusive der hierfür essentiellen Portale und Datenbanken teilnehmen. Obwohl das System zum jetzigen Zeitpunkt in der EU noch nicht voll funktionsfähig ist, schafft das viele Unsicherheiten und bringt die Sponsoren dazu, sich mit ihren Studienprojekten anderweitig zu orientieren.
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