WHO wappnet sich gegen Influenza-Pandemie

Neue Strategie im Kampf gegen Grippe

Genf / Stuttgart - 14.03.2019, 09:00 Uhr

Unter anderem gehört die Entwicklung besserer Grippeimpfstoffe zur neuen „Global Influenza Strategy 2019-2030“ der WHO. (m / Foto: imago)

Unter anderem gehört die Entwicklung besserer Grippeimpfstoffe zur neuen „Global Influenza Strategy 2019-2030“ der WHO. (m / Foto: imago)


Nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation ist die Frage nicht, ob eine nächste Grippe-Pandemie droht, sondern wann. Das scheint der WHO Sorge zu bereiten. Mit neuen Strategien und einem Elf-Jahres-Plan wappnet sie sich gegen Influenza. Unter anderem will sie im Rahmen der im März veröffentlichten „Global Influenza Strategy 2019-2030“ die Entwicklung besserer, universeller Grippeimpfstoffe fördern.

Erst jüngst hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die zehn größten globalen gesundheitlichen Risiken benannt: Unter anderem zählt die WHO Ebola, HIV, multiresistente Keime und neben Impfgegnern auch Grippe-Pandemien dazu. „Die Frage ist nicht, ob eine weitere Pandemie kommen wird, sondern wann“, erklärt der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus.


Although it is impossible to predict when the next pandemic might occur, its occurrence is considered inevitable.“

Global Influenza Strategy 2019-2030, WHO


Mit einer neuen Strategie („Global Influenza Strategy 2019-2030“) möchte die WHO dieser Gefahr die Stirn bieten. Dazu möchte sie die globale Zusammenarbeit, in Sachen Prävention, Früherkennung und entsprechender Maßnahmen, optimieren. So sollen Auswirkungen der saisonalen, der zoonotischen und pandemischen Grippe verringert werden. Konkret setzt sich die WHO folgende Ziele, die sie bis 2030 erreichen will:

  • Die Belastungen der saisonalen Grippe reduzieren.
  • Das Risiko zoonotischer Influenza minimieren (das Risiko einer Viren-Übertragung von Tier auf Mensch).
  • Die Auswirkungen einer nächsten Grippepandemie abmildern, was bedeutet, sich auf die nächste Pandemie vorzubereiten.

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In der Tat fürchtet die WHO eine Pandemie: Angesichts der zunehmenden Mobilität, Urbanisierung und Globalisierung werde sich heutzutage eine Pandemie schneller und weiter ausbreiten, als dies bei früheren Pandemien der Fall war, so die WHO in einer Mitteilung.

Pandemievorsorge soll Welt sicherer machen

Die WHO hat weitere vier untergeordnete Ziele formuliert:

  • Förderung von Forschung und Innovation, um unerfüllten Bedürfnissen der öffentlichen Gesundheit gerecht zu werden. 
  • Stärkung der globalen Überwachung und Datenverwertung der Influenza.
  • Ausbau der Politik und der Programme zur Prävention und Bekämpfung der saisonalen Grippe zum Schutz der Bevölkerung.
  • Stärkung der Pandemievorsorge und -reaktion auf Grippe, um die Welt sicherer zu machen.

So möchte die WHO mit der „Global Influenza Strategy 2019-2030“ die Forschung voranbringen, neuartige Diagnostika entwickeln sowie Impfstoffe und generell die Therapiemöglichkeiten verbessern. Sie möchte die Viruseigenschaften bei Influenza noch besser verstehen. Zudem soll die globale Grippe-Überwachung ausgebaut werden, influenzaspezifische Daten sollen erhoben und ausgewertet werden. Auch die Politik sieht die WHO in der Pflicht, Programme zur Bekämpfung und Prävention von Influenza zu etablieren.

WHO will bessere Grippeimpfstoffe

Influenzavakzinen und Arzneimitteln zur Therapie der Grippe misst die WHO hier einen wichtigen Stellenwert bei. So will sie in den nächsten elf Jahren fördern, dass bessere Grippeimpfstoffe entwickelt werden – die breiter, länger und effektiver vor Grippe schützen und auch rascher produziert werden können. Nach Angaben der WHO werden derzeit mindestens 90 Prozent der Influenzavakzine in vorbebrüteten Hühnerembryonen hergestellt. Das könnte im Pandemiefall kritisch werden, vor allem dann, wenn das pandemische Grippevirus eierlegendes Geflügel tötet. Ohnehin ist im Ernstfall einer Pandemie eine eibasierte Produktion „on demand“ der Influenzavakzinen nicht möglich, sie dauert im Schnitt fünf bis sechs Monate.

Darüber hinaus eignen sich einige Influenzaviren zunehmend weniger dafür, in Hühnereiern kultiviert zu werden. Problemkandidat ist hier wohl vor allem Influenza A(H3N2), da dieser Virus-Subtyp in besonderem Maße seine antigenen Eigenschaften – vor allem am Hämagglutinin – verändert (Eiadaption). Dass Influenza A(H3N2) schwierig ist, wurde erst jüngst nochmals deutlich. Als die Weltgesundheitsorganisation Ende Februar 2019 die Grippeimpfstoff-zusammensetzung der Nordhalbkugel für die bevorstehende Influenzasaison 2019/20 bekannt gab: die Influenza-A(H3N2)-Komponente fehlt bislang. Die WHO nannte als Grund, dass sie die Influenza-A(H3N2)-Komponente erst am 21. März 2019 bekannt geben wird: „Influenza-A(H3N2)-Viren stellen eine zunehmende Herausforderung für die Auswahl von Impfstoffviren dar.“ Und weiter: „Angesichts der jüngsten Veränderungen im Verhältnis von genetisch und antigenisch unterschiedlichen Influenza-A(H3N2)-Viren, wurde die Empfehlung für die Komponente A(H3N2) verschoben", erklärt die WHO die Verzögerung.

Laut der WHO unterstreicht dies die Notwendigkeit, neue Technologien der Impfstoffproduktion voranzutreiben – sie nennt beispielhaft zellkulturbasierte Grippeimpfstoffe oder rekombinante. Bereits 2017 hatte die WHO bevorzugte Eigenschaften für neue und verbesserte Grippeimpfstoffe veröffentlicht.

Antivirale Influenzaarzneimittel unverzichtbar bei Pandemie

Neben der Grippeprävention mittels Influenzavakzinen sollte die Welt nach Ansicht der WHO auch die Vorbeugung und Kontrolle der saisonalen und pandemischen Grippe mit antiviralen Arzneimitteln verbessern. Derzeit ist der Einsatz antviraler Arzneimittel gering – was zur Folge hat, dass die Arzneimittelhersteller ihre Produktion dem Bedarf anpassen. Während einer Pandemie würden jedoch antivirale Arzneimittel eine wichtige Rolle spielen, so die WHO, vor allem in den ersten Monaten, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine Pandemieimpfstoffe geben werde. Somit empfiehlt die WHO: „Länder sollten antivirale Medikamente im Rahmen der Pandemievorsorge angemessen berücksichtigen“, da diese auch vorrätig auf Lager gehalten werden könnten.

Oseltamivir, Zanamivir, Peramivir, Baloxavir ...

Derzeit stehen drei antivirale Arzneimittelklassen bei Influenza zur Verfügung. Das therapeutische Spektrum ist folglich überschaubar mit dem Uncoatinghemmstoff Amantadin (M2-Inhibitor, wirkt nur bei Influenza A und findet kaum noch Anwendung) und den Neuraminidasehemmstoffen Oseltamivir in Tamiflu®, Zanamivir in Relenza® und seit der EMA-Zulassung im April 2018 Peramivir in Alpivab® (nicht in Deutschland verfügbar). Peramivir steht in den USA seit 2014 zur Verfügung, der Handelsname dort ist RabivabTM
Neuester Kandidat und innovativ im Wirkansatz ist Roches Baloxavir (XofluzaTM). Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease und somit einen der ersten Schritte im Replikationszykus des Influenzavirus. Vorteilhaft bei Baloxavir ist zudem die einmalige Einnahme. Die FDA erteilte Baloxavir im Oktober 2018 die Zulassung.

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„Angesichts der Bedeutung antiviraler Medikamente sowohl für die saisonale als auch für die pandemische Grippe ist es unerlässlich, diese Medikamente zu optimieren, auch durch neue Formulierungen, Darreichungsformen und Verabreichungswege und Therapiekombinationen“, erklärt die WHO. Das ist bei Zanamivir derzeit in Arbeit. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) empfahl jüngst intravenöses Zanamivir zur Zulassung
Darüber hinaus sollten alternative Behandlungsmethoden, Therapien und Strategien entwickelt werden, einschließlich der Verwendung von monoklonalen Antikörpern und ergänzenden Behandlungen, wie beispielsweise Immunmodulatoren. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Grippeimpfung 2019/20

von Sylvia Müller am 22.03.2019 um 14:35 Uhr

Halten Sie mich am Laufenden, ich habe Bronchialasthma (SPRAYS bekomme ich), weiß keiner woher, daher bekomme ich zusätzlich wie jedes Jahr auch die Grippeimpfung, auch wegen schwere Ohrenschmerzen, bin hochgradig schwerhörig...(Innenohrschaden) Operation nicht möglich sehr wahrscheinlich. Mein Hörnerv müssen sie berühren, dann bin ich taub. MIR GEHT ES BIS HEUTE SEHR GUT...seit 1997 nie was gehabt mehr, bin glücklich...

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