Streit um Werbegaben

BGH sieht auch kleine Apotheken-Geschenke skeptisch

Berlin - 28.03.2019, 12:15 Uhr

Die BGH-Richter fällten in der Frage, ob beispielsweise Brötchen als Zugabe in der Apotheke gestattet sind, zwar noch kein Urteil. Allerdings wiesen sie darauf hin, dass die Rx-Preisbindung das nicht zulasse. (m / Foto: hfd)

Die BGH-Richter fällten in der Frage, ob beispielsweise Brötchen als Zugabe in der Apotheke gestattet sind, zwar noch kein Urteil. Allerdings wiesen sie darauf hin, dass die Rx-Preisbindung das nicht zulasse. (m / Foto: hfd)


Apotheker-Anwalt: Nicht jede wettbewerbliche Maßnahme verbieten

Rechtsanwalt Reiner Hall, der zusammen mit seinem Kollegen Morton Douglas die Apothekerseite vertrat, stellte infrage, ob eine „so geringwertige Zugabe“ wie der Brötchengutschein tatsächlich noch unter die Norm fällt – und, falls ja, ob es zu spürbaren Beeinträchtigungen käme. „Sie haben das ja alles schulmäßig vordekliniert, Herr Vorsitzender“, sagte Hall. Der Gesetzgeber habe eine Gleichstellung der Apotheker im Blick gehabt. „Ob er auch solche sachlichen Zuwendungen wie einen Brötchengutschein oder Papiertaschentücher im Blick hatte, das geht jedenfalls aus der Gesetzesbegründung nicht hervor“, erklärte der Anwalt. Wenn Apotheker Parkkosten oder Fahrkarten erstatten, ginge dies über die mit einem Wert von 30 Cent bezifferten Brötchengutscheine mit Sicherheit hinaus.

Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas im Interview. 

Unklar sei, welchen Wert eine Zeitschrift für Kunden habe – „jedenfalls hat sie einen Wert“, erklärte Hall. „Dann frage ich mich, wie man gleichzeitig sagt, dass ein Brötchengutschein im Wert von 30 Cent verboten werden soll“, sagte er. An dem Ergebnis, das der Vorsitzende Richter zuvor vorgezeichnet hatte, störe ihn, dass der Apotheker dann jede wettbewerbliche Maßnahme, die in einer Freundlichkeit gegenüber seinem Kunden bestünde, untersagt wäre, sagte Hall. Im Fall der Darmstädter Apothekerin bekomme der Kunde ja keine 30 Cent, sondern müsse zu einer Bäckerei laufen. „Eine geringwertigere Zugabe kann ich mir gar nicht vorstellen“, erklärte Hall.

An der Gesetzesänderung des § 7 HWG sei eindeutig zu sehen, dass der Gesetzgeber eine frühere Entscheidung des BGH-Senats nicht geteilt hat, dass Werbeaktionen von Apotheken zu spürbaren Beeinträchtigungen führen müssen, entgegnete Rechtsanwalt Christian Rohnke, der die klagende Wettbewerbszentrale vertritt. Der Gesetzgeber habe bei der Änderung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Senats Bezug genommen, sagte er. „Wenn das so klar ist, was der Gesetzgeber will, dann kann man daran nicht vorbeigehen.“

Ziel: Kreativitätswettbewerb verhindern

Man könne zwar sagen, dass das Gesetz schlecht gemacht sei, weil es an anderer Stelle gewisse Zuwendungen zulässt. Ziel sei jedoch, einen „Kreativitätswettbewerb“ zu verhindern. Der Argumentation, dass Werbegeschenke ja kaum geringfügiger sein könnten, widersprach er auch. Wenn der Gesetzgeber das gewollt hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, eine entsprechende Vorschrift in die Arzneimittelpreisverordnung oder das Arzneimittelgesetz aufzunehmen. „Das hat der Gesetzgeber bewusst nicht gemacht“, sagte er. „Es ist ganz klar, dass der Gesetzgeber selbst hier den Spielraum schließen wollte.“

Das Kriterium der Spürbarkeit sei jedoch nach wie vor im Gesetz festgelegt, entgegnete Hall, „und die ist zu prüfen“. Die Spürbarkeit ist – so verstehe ich es – ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, erklärte auch Rechtsanwalt Douglas. Was sei denn im Lichte der aktuellen Wettbewerbssituation noch spürbar, fragte er – angesichts von 30-Euro-Rabatten, die EU-Versender gewähren.

Die Richter wollen ihr Urteil bei einem späteren Termin verkünden. Dies könne zu einer schwarz-weiß-Situation führen, sagte Douglas nach der Sitzung: Holländer dürfen alles, Deutsche dürfen gar nichts, fürchtet er. Hier sei der Gesetzgeber gefragt, der aufgrund des EuGH-Urteils gerade Möglichkeiten diskutiert, Boni für rezeptpflichtige Arzneimittel so zu regeln, dass es zu einer fairen Lage kommt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Kapitalismus im Arzneimittelraum Europa?

von Heiko Barz am 28.03.2019 um 18:33 Uhr

Man sieht hier ganz klar, eine wie auch immer geartete Alternative zum RXVV gibt es nicht!! Interessanterweise gibt es bei Dreiviertel der Eurostaaten diese geschwurbelte Diskussion gar nicht. Diese Länder haben es sich von vorn herein ausdrücklich eigenmächtig und ohne Angst vor juristischen Winkelzügen ihre Eigenständigkeit bewahrt.
Bei Tierarzneimittel ist dieser Fakt unumstößlich. Und die gesicherte Gesundheit bei Humanarzneien soll unwerter sein?
Wo leben wir, das soll Europa sein?
Wer sind namentlich die Lobbyisten, die europaweit nur eins im Sinn haben: Vernichtung der Deutschen Basisapotheke zum „Wohle“ kapitalistischer AMHegemonien?
Wir wollen unsere unabhängige Eigenbestimmung beim Arzneimittel jetzt und sofort zurück!

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Meisterleistung

von Kapitän am 28.03.2019 um 17:30 Uhr

Ich stelle mir vor mit Ihnen eine Schiffsfahrt auf der Titanic zu machen: Während alle zu den Rettungsbooten eilen sitzen Sie im Schiffsrumpf und bohren Löcher in den Boden...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Brötchen backen will gelernt sein

von Bäcker-Blume am 28.03.2019 um 17:18 Uhr

Es geht in Deutschland um Existenzen, um Arbeitsplätze, es gibt viele Kollegen denen steht das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals und die gesamte Lage für das Apothekenwesen ist eine einzige Katastrophe - und dann streitet jemand darum, Brötchen-Gutscheine verteilen zu dürfen, das ist allen Kollegen gegenüber an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten - Bravo Fr. Kollegin, sie haben verstanden worum es geht ! Toll !

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