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Cannabiskonferenz: Zarte Blüte Lieferfähigkeit 

Berlin - 02.04.2019, 09:00 Uhr

Noch können Deutschlands Apotheken beim Medizinalhanf nicht zuverlässig aus dem Vollen schöpfen. Auf der ICBC-Cannabiskonferenz in Berlin diskutierten Apotheker, Importeure, Produzenten und Branchenexperten über das goldene Grün. (c / Foto: imago)

Noch können Deutschlands Apotheken beim Medizinalhanf nicht zuverlässig aus dem Vollen schöpfen. Auf der ICBC-Cannabiskonferenz in Berlin diskutierten Apotheker, Importeure, Produzenten und Branchenexperten über das goldene Grün. (c / Foto: imago)


Am gestrigen Montag öffnete die zweitägige internationale Cannabiskonferenz ICBC ihre Tore für hunderte Fachbesucher aus aller Herren Länder. Am ersten Kongresstag stand unter anderem die Versorgungssituation in Deutschlands Apotheken im Fokus. Wie wird sich der Medizinalhanf-Markt entwickeln und was hat der Patient davon?

Quo vadis Cannabis? Während der deutsche Anbau immer noch nicht begonnen hat, läuft der Konkurrenzkampf im Importgeschäft auf Hochtouren. Der Hoffnung aufs schnelle Geld stehen komplexe Regularien gegenüber. Importunternehmen treten in den Markt, verschwinden wieder oder werden aufgekauft.

Diese milliardenschwere Dynamik beflügelt zwar Investoren, Rechts- und Finanzberater. Für Apotheken bedeutet sie jedoch häufig, dass sich vollmundige Lieferversprechen kurzfristig in Luft auflösen können. Der Leidtragende ist der Patient.

Zwischen Euphorie und Engpässen

Lieferengpässe sind immer noch ein großes Problem, betonte Adam Szajcz, Projekt- und Marketing Manager der Apotheke Lux 99 aus Hürth, am gestrigen Montag auf einem Expertenpanel zur aktuellen Importsituation auf der internationalen Cannabis-Businesskonferenz ICBC in Berlin. Das Diskussionsforum, an dem auch der Geschäftsführer des Importeurs Cannamedical, David Henn, sowie Tjalling Ekerlens, CEO des niederländischen Cannabisproduzenten Bedrocan, teilnahmen, wurde moderiert von Georg Wurth, Geschäftsführer des deutschen Hanfverbandes (DHV).

Medizinalcannabis

Cannabis auf Rezept

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Wenn die Apotheke keine Vorratshaltung betreibe, kann es häufiger passieren, dass man die Patienten wieder wegschicken müsse, um sich ein neues Rezept über eine andere, lieferfähige Blütensorte zu holen, so Szajcz weiter. Dies gefährde die Kontinuität der Therapie. Zudem seien viele Mediziner mit der Sortenvielfalt überfordert. Patienten wüssten häufig viel besser über Medizinalhanf Bescheid, als ihre Ärzte.

Wo bleiben die kanadischen Blüten?

Laut dem BfArM wurden 2018 aus Kanada und den Niederlanden 3.130 kg Cannabisblüten importiert. Aktuell sind fast ausschließlich Blüten aus Holland verfügbar. Importware aus Kanada dagegen ist, seitdem Cannabis dort legalisiert wurde, schwer zu bekommen.

David Henn, der sein Unternehmen als die größte und unabhängige deutsche Importfirma bezeichnet, verspricht Abhilfe. In vier bis fünf Wochen sei eine größere Lieferung aus Kanada zu erwarten, so der Kölner Unternehmer. Möglicherweise meint Henn damit die Liefervereinbarung mit dem kanadischen Produzenten Wayland von neun Tonnen über drei Jahre, dessen erste Ladung bereits für Ende Dezember 2018 angekündigt worden war. Es bleibt also spannend.

Auch Ekerlens hat Wachstumspläne. Sein Unternehmen wolle die Kapazitäten von fünf auf neun Tonnen pro Jahr erhöhen. Auch was die behördliche Begrenzung der Ausfuhrmengen betrifft, hat der Bedrocan-Gründer Hoffnungen: „Der Gesinnung wandelt sich.“

Neue Importländer – neues Glück?

Perspektivisch gesehen sind Holland und Kanada nicht die einzigen möglichen Bezugsländer für die aktuell rund 20 Importfirmen, die sich auf dem Markt tummeln. Denn grundsätzlich kann Deutschland aus denjenigen Ländern importieren, die über eine Cannabisagentur verfügen und wo die Vertriebswege für die medizinische und die Freizeitanwendung getrennt verlaufen, erläutert Wurth. Außerdem muss der Produzent eine GMP-Zertifizierung vorweisen können.

Diese Kriterien könnten theoretisch auch weitere Länder erfüllen. So stehen beispielsweise Israel, Mazedonien, Griechenland, Jamaika, Australien oder Dänemark für die kommenden Jahre bereits in den Startlöchern. Experten schätzen, dass aus Israel bereits im September eingeführt werden kann.

Dadurch könnte eine weitere Dynamik entstehen, möglicherweise auch durch den deutschen Anbau, sollte dieser eines Tages starten. Bevor die Zuschläge für den deutschen Anbau vergeben werden können, muss das BfArM noch eine Gerichtsverhandlung abwarten, die in den kommenden Tagen stattfindet.

Medizinalhanf – ein „urpharmazeutisches" Thema

Die Komplexität des Cannabisgeschäfts beschäftigt nicht nur Branchenexperten. Insbesondere die Blüten polarisieren die Fachwelt. Ärzte befürchten Regresse und monieren den hohen bürokratischen Aufwand. Auch viele Apotheker stehen der Cannabismedizin skeptisch gegenüber, nicht zuletzt wegen des hohen Arbeitsaufwandes.

Die Kollegen von Szajcz, Apothekeninhaber Tobias Loder und Filialleiter Florian Heimann sehen das anders. „Bei der Cannabismedizin geht es doch um ein urpharmazeutisches Thema – nämlich die Anwendung einer Heilpflanze. Wir Apotheker sollten diese Chance nutzen, um unsere Kompetenz zu zeigen“, erklärt Heimann.

Mit Wissen gegen Barrieren

Ein Problem sehen die Pharmazeuten allerding im relativ niedrigen Wissenstand unter den Fachkreisen. Diesbezüglich sei man in anderen Ländern viel weiter. So soll an der Schweizer Universität Bern demnächst einen Lehrstuhl für Cannabismedizin geben. Hierzulande kommt diese Therapieoption kaum in der Ausbildung von Heilberufen vor.

Hier muss Deutschland aufholen, findet Loder: „Cannabis ist eine Arzneipflanze, die in Zukunft von gesellschaftlicher Bedeutung sein könnte. So zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern wie Israel, dass durch den gezielten Einsatz von Medizinalhanf, je nach Indikation, bis zu 80 Prozent an Arzneimitteln eingespart werden können. Es kann doch nicht sein, dass hierzulande so ein niedriger Wissenstand herrscht.“



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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