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Landgericht Berlin
Datenklau-Prozess: Bellartz-Verteidiger plädiert auf Freispruch
Nach etwa 15 Monaten wurde am heutigen Freitag die Beweisaufnahme im Prozess gegen Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und einen IT-Spezialisten abgeschlossen. In ihren Plädoyers kamen die Verteidiger zu dem Schluss, dass der Straftatbestand des Ausspähens von Daten nicht erfüllt ist und forderten den Freispruch der Angeklagten. Bellartz-Anwalt Carsten Wegner nutzte zudem die Gelegenheit, den bisherigen Prozessverlauf scharf zu kritisieren. Die Urteilsverkündung wird für den 10. April erwartet.
Das Strafverfahren gegen Apotheke Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und den IT-Spezialisten Christoph H. könnte sich nach mehr als 40 Verhandlungstagen tatsächlich dem Ende nähern. Den beiden wird vorgeworfen, gemäß § 202a Strafgesetzbuch zwischen 2009 und 2012 vertrauliche E-Mails von BMG-Mitarbeitern ausgespäht zu haben. Am heutigen Freitag wurden die beiden verbleibenden Plädoyers – von Bellartz Verteidiger Carsten Wegner und H.`s Verteidigerin – gehalten. Beide Anwälte kamen zu dem Schluss, dass kein Straftatbestand gemäß § 202 a vorliege und forderten diesbezüglich den Freispruch ihrer Mandanten.
Anwältin: Straftatbestand nach § 202a StGB nicht erfüllt
H.`s Verteidigerin begründete ihr Fazit wie folgt: Um den Tatbestand des Ausspähens von Daten zu erfüllen, müsste der Täter technische Zugangssicherungen überwinden, die sich gegen ihn richten. Darunter verstehe man beispielsweise eine Passwortsicherung. Eine Arbeitsanweisung, auf bestimmte Daten dennoch nicht zuzugreifen, stellt keine Zugangssicherung im Sinne von § 202a dar.
„Datenklau“-Verfahren
Bellartz-Prozess
Der angeklagte Christoph H., der beim BMG seinerzeit als externer IT-Administrator tätig war, habe aufgrund seiner Funktion Zugriff auf die persönlichen und öffentlichen Laufwerke sowie auf öffentliche Postfächer gehabt. Um auf diese Speicherorte zuzugreifen, musste er keine technische Zugangssicherung überwinden, weshalb der Straftatbestand nicht erfüllt sei. Auch die Motivation, weshalb auf die Daten zugegriffen wurde, spielt laut der Anwältin keine Rolle. Abgesehen davon gab es in dem Zeitraum kein Auftragsdokumentationssystem in der IT des BMG, weshalb im Nachhinein nicht nachvollziehbar sei, ob hinter einem Datenzugriff ein Kundenauftrag gesteckt habe oder nicht.
Auf persönliche E-Mail Postfächer hatten die IT-Administratoren infolge einer technischen Umstellung zwar keinen direkten Zugriff. Doch es gab laut einer Zeugenaussage eine schriftliche Anleitung innerhalb der BMG-IT, wie sich die Administratoren diese Zugänge erteilen können. Damit hätte für H. keine Zugangssicherung im Sinne von § 202a bestanden. Abgesehen davon hätten BMG-Mitarbeiter persönliche E-Mails auch häufiger auf einem der Laufwerke abgespeichert. Dass bei H. ein USB-Stick mit BMG-E-Mails gefunden wurde, belege nicht, von welchem Speicherort der Zugriff erfolgt worden war.
Wegner: „Wir haben monatelang über Krümel verhandelt“
Die Schuldfrage von H. und Bellartz sind eng miteinander verknüpft. Sollte man H. keine Straftat gemäß § 202a nachweisen können, würde Bellartz auch straffrei ausgehen. Deshalb plädiert auch Wegner auf Freispruch für seinen Mandanten. Außerdem sei die Kronzeugin der Staatsanwaltschaft., H.`s Ex-Frau, nicht glaubwürdig.
In seinem umfangreichen Plädoyer, das länger als eine Stunde dauerte, übte Wegner zudem scharfe Kritik am bisherigen Prozessablauf. So wurde seiner Meinung nach vor der falschen Kammer verhandelt. Da der Fall nicht von öffentlichem Interesse sei, hätte es genügt, am Amtsgericht Tiergarten zu verhandeln.
Außerdem monierte er, dass keiner der Zeugen, deren Vernehmung er beantragt habe, geladen worden seien. Darüber hinaus sei nach über 40 Tagen immer noch unklar, welche Daten von welchen Speicherorten Bellartz ausgespäht haben soll. Und das Ministerium habe die Daten, um die es gehen solle, im eigenen Hause inzwischen gelöscht. Bereits im März sei klar gewesen, dass von den 40 Anklagepunkten nur zwei übrig bleiben würden. „Wir haben monatelang über die Krümel verhandelt“, so Wegener.
Bellartz-Verteidiger: Verfahren ist eine „Inszenierung“
Wie bereits auch in vorherigen Verhandlungstagen griff Wegner die Staatsanwaltschaft an. Der Staatsanwalt hätte vor Prozessbeginn Inhalte der Anklageschrift an die Presse durchgestochen. „Das vorliegende Verfahren ist eine Inszenierung“, betonte Wegner. Mehr als hundert Presseartikel über den Prozess mit namentlicher Nennung hätte sein Mandant über sich ergehen lassen müssen. Man wolle Bellartz als Journalist mundtot machen. Presserechtliche Verstöße im Zuge der Berichterstattung über den Prozess dagegen, wären nicht geahndet worden. Hier würde mit zweierlei Maß gemessen. Er appellierte an das Gericht, aus „diesem vermeintlichen Lobbyskandal die Luft raus zu lassen“.
Wegner beantragte ferner, fünf weitere Zeugen zu vernehmen. Die Kammer wies drei der Anträge direkt ab und wandelte zwei in sogenannte Hilfsanträge um, die nur unter bestimmten Voraussetzungen zum Tragen kommen können. Die Beweisaufnahme ist aus Sicht der Kammer damit abgeschlossen. Am 10. April findet der nächste Termin statt, an dem voraussichtlich das Urteil verkündet wird.
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