ABDA, Hausärzte, CDU, Linke, FDP, BAH

Das sind die Reaktionen auf Spahns Apothekenreform-Entwurf

Berlin - 10.04.2019, 07:00 Uhr

Das meiste Lob erhält Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für seinen Vorschlag zu einer Apotheken-Reform aus seiner eigenen Fraktion, die heftigste Kritik kommt von den Hausärzten. (Foto: imago)

Das meiste Lob erhält Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für seinen Vorschlag zu einer Apotheken-Reform aus seiner eigenen Fraktion, die heftigste Kritik kommt von den Hausärzten. (Foto: imago)


Die Hausärzte finden ihn gefährlich, die ABDA sieht Potenzial, will aber nachverhandeln, die CDU ist recht zufrieden und die Linke warnt davor – es geht um den ersten Entwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes. Neben den schon aus den Eckpunkte-Papieren bekannten Plänen (Rx-Boni-Verbot, Apothekenhonorar etc.) hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in den Entwurf einige Überraschungen eingebaut, beispielsweise die Modellvorhaben zum Impfen. DAZ.online bietet einen Überblick über die ersten Reaktionen.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat in dieser Woche den ersten Referentenentwurf zu einem Apotheken-Stärkungsgesetz veröffentlicht. Mit ihm will das Ministerium den Versandhandelskonflikt dadurch lösen, dass die Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtender Bestandteil des Rahmenvertrags wird (§ 129 SGB V). Zudem sollen Teile des Apothekenhonorars erhöht und neue, vergütete pharmazeutische Dienstleistungen eingeführt werden. Außerdem plant Minister Jens Spahn (CDU), dass Apotheker in Modellvorhaben Grippeschutzimpfungen verabreichen. Außerdem soll es erstmals Verordnungen geben, die eine wiederholte Abgabe von Arzneimitteln ermöglichen – so sollen Chroniker ihre Arztbesuche verringern können.

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Innerhalb seiner Fraktion war Spahn mit seinen ersten Eckpunkten für eine Apotheken-Reform im Dezember auf heftigen Widerstand gestoßen – zu groß war der Anteil der Unionspolitiker, die noch ein Rx-Versandverbot forderten. Doch die Union fand in dem Rx-Boni-Verbot im SGB V einen internen Kompromiss. Mit dem nun vorliegenden Entwurf ist der für Arzneimittelthemen zuständige CDU-Abgeordnete Michael Hennrich zufrieden. Gegenüber DAZ.online sagte er:


Ich finde, dass wir hier einen guten Entwurf vorliegen haben. Er bietet den Apothekern Perspektiven. Mit den Modellvorhaben zu Impfungen in Apothekern beweist der Minister Mut und zeigt, dass er die Apotheke nach vorne bringen will. Ich finde es auch gut, dass es für die pharmazeutischen Dienstleistungen nun etwas mehr Geld geben soll, weil auch diese neuen Tätigkeitsbereiche den Apothekern neue Chancen bieten. Was die Rechtssicherheit betrifft, müssen wir natürlich abwarten, wie die Versender reagieren. Es ist wichtig, dass wir das Boni-Verbot jetzt nicht nur im Rahmenvertrag, sondern auch im SGB V etablieren. Ich hoffe, dass sich die Apothekerschaft hinter diesem Vorhaben jetzt sammeln kann.“

Michael Hennrich, CDU


Aus der Opposition meldete sich indes die FDP zu Wort. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Liberalen im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus, sieht Licht und Schatten im ersten Entwurf der Apotheken-Reform. Gegenüber DAZ.online sagte sie:


Da das Thema ‚Impfungen in den Apotheken‘ zumeist dazu führte, dass ein ärztliches Dispensierrecht reflexartig gefordert wurde, war ich in der Vergangenheit stets skeptisch. Allerdings sieht der Referentenentwurf nunmehr regionale Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken vor. Modellvorhaben sind ein geeignetes Mittel ‚neue Dinge‘ auszuprobieren und möglicherweise die Quote von Grippeschutzimpfungen zu erhöhen. Das müssen die beteiligten Krankenkassen mit den Apothekern selbst entscheiden, zumal die Anforderungen an Apotheken hoch sind. Durch den geplanten Umweg, die Gleichpreisigkeit über das SGB V zu regeln, wird praktisch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Oktober 2016 umgangen. Verlagern wir jetzt einfach den Paragrafen ins SGB V, bedeutet das nicht automatisch, dass der europäische Gesetzgeber seinen Willen dadurch umgesetzt sieht. Das Urteil des VG Karlsruhe bestätigt das Verbot apothekenpflichtiger Arzneimittel mittels eines Automaten in den Verkauf zu bringen. Solange das Urteil nicht höchstrichterlich aufgehoben ist, hat es Bestand und muss beachtet werden.“

Christine Aschenberg-Dugnus, FDP


ABDA reagiert mehr als verhalten

Eigentlich müsste sich nun auch die ABDA freuen, müsste man meinen. Schließlich hat das BMG im Entwurf die geplante Vergütung für die neuen Dienstleistungen nochmals angehoben und eine Vielzahl von Neuregelungen eingebaut, die klarstellen, dass sich Versender an die hierzulande geltenden Versorgungsreglen halten müssen (zum Beispiel bei der Temperaturführung). Grundsätzlich ist ABDA-Präsident Friedemann Schmidt auch zufrieden, sieht aber noch sehr viel Verbesserungspotenzial. In einer ABDA-Mitteilung erklärt Schmidt:


Das Bundesgesundheitsministerium macht sich mit dem ersten Entwurf eines Apotheken-Stärkungsgesetzes auf die nächste Etappe, um den Weg einer soliden und zukunftsorientierten Reform der Arzneimittelversorgung zu beschreiten. Wir Apotheker begrüßen diesen Schritt, da die eingeschlagene Richtung stimmt. Das Gesetz bietet die Chance, die Versorgung der Menschen im Lande wirklich zu verbessern. Der Referentenentwurf weist allerdings auch noch erheblichen Korrektur- und Ergänzungsbedarf auf. Bei der wasserdichten Umsetzung der Gleichpreisigkeit von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist ordnungspolitisch noch einige Arbeit zu tun. Und auch bei der Ausgestaltung der zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen bleiben noch eine ganze Reihe von Fragen offen, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens beantwortet werden müssen. Vor allem fehlt eine zukunftsgerichtete Fortschreibung pharmazeutischer Leistungen. Eine sukzessive Anpassung der Leistungen an den wachsenden Versorgungsbedarf der Patienten und die steigenden Kosten der Apotheken für qualifiziertes Personal ist unerlässlich, um die flächendeckende Arzneimittelversorgung nachhaltig zu sichern. Wir Apotheker werden uns gerade mit diesen Zukunftsthemen in den Gesetzgebungsprozess einbringen – und stehen jederzeit für konstruktive politische Debatten zur Verfügung.“

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt


Noch kritischer sieht die Linken-Abgeordnete und Apothekerin Sylvia Gabelmann den Entwurf. Die Linksfraktion im Bundestag kämpft seit Jahren für ein Rx-Versandverbot – die Union wollte es mit der Linken allerdings nie durchsetzen. Gegenüber DAZ.online erklärte Gabelmann:


Die von Jens Spahn geplante Festschreibung der Gleichpreisigkeit über das SGB V ist eine Mogelpackung. Denn dadurch, dass die Regelungen für Privatversicherte nicht gelten, ergibt sich ein Einfallstor, um die Gleichpreisigkeit zu unterlaufen. Für mich bleibt das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitten – untermauert mit deutlichen Zahlen zur Bedrohung der Apothekenlandschaft durch einen wachsenden Anteil von Versandarzneimitteln – die erste Wahl. Und Spahn wird merken: Auch bei seinem nun geplanten Gesetz wird er sich voraussichtlich wohl für ein Verfahren vor dem EuGH wappnen müssen.“

Sylvia Gabelmann (Linke)


Hausärzte sind sauer

Überhaupt nicht begeistert reagieren die Ärzte auf den Referentenentwurf. Zur Erinnerung: Spahn hatte schon vorher des Öfteren über impfende Apotheker gesprochen und damit jedes Mal den Zorn der Ärzteschaft auf sich gezogen. Die Mediziner – allen voran der Deutsche Hausärzteverband – befürchten, dass es bei den Apothekern an Kompetenz mangelt. Und auch am gestrigen Dienstag reagierte Ulrich Weigeldt, Chef des Hausärzteverbandes, sofort:


Es steht außer Frage, dass die Apothekerinnen und Apotheker wichtige Kompetenzen haben. Das Impfen von Patientinnen und Patienten zählt allerdings nicht dazu und gehört eindeutig in die ärztliche Praxis. Zwar ist die Grippeschutzimpfung in der Regel gut verträglich, allerdings sind Nebenwirkungen – etwa durch allergische Reaktionen – nie ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sollten Impfungen immer in einer Umgebung stattfinden, in der eine ärztliche Überwachung und notfalls auch Behandlung möglich ist. In den Apotheken könnten stattdessen Impfchecks durchgeführt werden. In dieser Grippeimpfsaison wurde deutlich, dass die Bereitschaft der Patientinnen und Patienten, sich gegen Grippeviren impfen zu lassen, sehr hoch ist und keineswegs durch den Weg in die Arztpraxis gehemmt wird. Tatsächlich waren Verzögerungen bei Grippeschutzimpfungen auch nicht auf Wartezeiten in Praxen zurückzuführen, sondern auf regionale Versorgungsengpässe bei Grippeimpfstoffen. Das sind keine Probleme, die man löst, indem man die Verantwortung auf mehr und mehr Schultern verteilt. Ganz im Gegenteil. Wie in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) wissenschaftlich nachgewiesen wurde, sind Patientinnen und Patienten, die bei allen gesundheitlichen Beschwerden konsequent ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt aufsuchen, zu einem höheren Anteil gegen Grippe geimpft, als nicht HZV-Patienten. Das zeigt deutlich: Wir brauchen klare Verantwortlichkeiten und Strukturen in unserem Gesundheitssystem!“

Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Dt. Hausärzteverbandes


Als erster Verband reagierte am gestrigen Dienstag übrigens der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) auf den Referentenentwurf. Der BAH spricht sich schon seit Jahren für Kompetenzerweiterungen für Apotheker aus und nannte als Beispiele auch schon Impfungen und Folgeverordnungen. Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender des BAH, erklärte zum Entwurf:


Es freut mich, dass die Politik zwei Ideen zur Verbesserung der Versorgung aufgreifen will, die wir schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt formuliert haben. Der Versicherte rückt nun in der Gesundheitspolitik langsam dorthin, wo wir ihn schon seit längerem sehen, nämlich in den Mittelpunkt. Gleichzeitig erhält die Apotheke vor Ort mehr Kompetenzen und wird dadurch in ihrer Bedeutung für die Arzneimittelversorgung aufgewertet. Alles in allem hat der Gesetzgeber hier gute Impulse gegeben. Ich bin sehr gespannt, was davon letzten Endes alle Hürden nimmt und tatsächlich in der Versorgung ankommt.“

BAH-Vorsitzender Jörg Wieczorek


Kohlpharma: Verbesserungspotenzial bei der Gleichpreisigkeit

Schließlich reagierte auch der Arzneimittel-Importeur Kohlpharma auf den Reform-Entwurf. Hier einige Passagen aus einer DAZ.online vorliegenden Stellungnahme, die Jörg Geller, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kohl Medical AG, und Dominik Klahn, Geschäftsführer der Apothekenkooperation AVIE GmbH, entworfen haben:


Durch eine Aufwertung des im SGB V verankerten Bundesrahmenvertrages zur Arzneimittelversorgung werden aus‐ und inländische (Versand‐) Apotheken preislich gleichgestellt. Verstöße gegen das damit faktisch einhergehende Rx‐Bonusverbot sollen von den Kollektivvertragspartnern geahndet werden können. Damit wird – so die Intention des Gesetzes – der einheitliche Abgabepreis wieder sichergestellt und die derzeitige Unterminierung unseres Solidarsystems durch die Gewährung von RX‐ Bonus wird beendet. Das ist gut so. (…)

Aber: Letztendlich verändert dies die seit dem EuGH‐Urteil (…) gelebte Praxis nicht. Der Wortlaut des Gesetzes wird damit lediglich an diese angeglichen. Daher verwundert es, dass jüngst mit Vehemenz im Apothekenmarkt darüber diskutiert wurde, ob PKV‐Versicherte bei einer solchen Gesetzesänderung nunmehr Rx‐Boni erhalten dürfen. Diese Diskussion ist aus zwei Gründen irrelevant, denn:

Die Gruppe der PKV‐Versicherten stellt weiterhin nur einen Bruchteil der Versicherten dar – mit sinkender Tendenz. Bereits an dieser Stelle wird klar, dass diese Diskussion für den Erhalt der Vor‐Ort‐Apotheken keine entscheidende Bedeutung hat.

PKV‐Versicherte müssen – wie bislang auch – die Ihnen gewährten Bonus gegenüber ihrer Krankenversicherung offenlegen. Damit einhergehende Vorteile müssen weitergeleitet werden. Andernfalls steht ein Betrugsverdacht schnell im Raum. Im Ergebnis haben PKV‐ Versicherte trotz Bonus also keinen Vorteil vom Versandhandel."

Stellungnahme von Kohlpharma


Eine wichtige Rolle im Versandhandelskonflikt spielen auch die deutschen Versender. Einige Male schon hatten sie Klagen und rechtliche Schritte ins Spiel gebracht, wenn die Rx-Preisbindung nach dem EuGH-Urteil nicht auch für sie fällt. Bislang ist dies aber ausgeblieben. Auf Nachfrage von DAZ.online erklärte ein Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA):


Natürlich hätte der BVDVA sich mehr wettbewerbliche Elemente selbst für den ersten Entwurf gewünscht. Mit unserer Pressemitteilung haben wir das ja auch noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht. Seit Jahren fordern wir zudem bekanntermaßen Höchstpreise. Die jetzt vorgeschlagene Regelung – es ist weder ein Gesetzentwurf noch ein Gesetz selbst – birgt entsprechend Potenzial für neue Verfahren. Eine Bonus-Option für alle mit klaren Leitplanken war und ist unser Vorschlag. Wir haben das schon vorletztes Jahr unter dem Titel 'Daseinsvorsorge und Wettbewerb sind kein Widerspruch' zum Ausdruck gebracht. Konsequenzen ziehen wir aktuell noch gar keine mit Blick auf diese Entwurfsart. Die Gespräche werden entsprechend fortgesetzt. Was das E-Rezept angeht, so befürworten wir natürlich diejenigen Denkanstösse, die diese Königsanwendung im deutschen Gesundheitswesen befördern und endlich Geschwindigkeit in die weitere Entwicklung bringen.

BVDVA-Sprecher


Anmerkung der Redaktion: Der BVDVA-Sprecher bezieht sich auf eine Pressemitteilung vom gestrigen Dienstag, in der der Verband unter anderem kritisiert, dass die Apothekenpolitik von den Parteien im Europawahlkampf fast komplett ausgeblendet wird.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Impfen

von Conny am 10.04.2019 um 12:56 Uhr

Albern. Konflikte mit Ärzten vorprogrammiert.

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Jens Spahn „OFF ROAD“ ...

von Christian Timme am 10.04.2019 um 8:11 Uhr

Runter von der „German Autobahn“ ... stehen können wir auch woanders ...

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