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Was ist zu beachten?
Sichere Arzneimitteltherapie auch während des Ramadan
Am morgigen Sonntagabend beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. Millionen von Muslimen weltweit begehen ihn, in Deutschland sind es fast fünf Millionen. Tagsüber sind Nahrung, Flüssigkeit und auch Arzneimittel tabu – was teilweise gefährlich für Patienten sein kann. Optimale allgemeingültige Lösungen für die Medikation während des Ramadan gibt es nicht – es gilt jedoch, die Arzneimitteltherapie unter diesen besonderen Fastenumständen so sicher wie nur möglich zu gestalten.
Die Fastenvorschrift gilt für gläubige Muslime beider Geschlechter mit dem Eintritt in die Pubertät. Für bestimmte Personengruppen gelten jedoch Ausnahmen von der Fastenpflicht: Schwangere, stillende Mütter und Personen, bei denen Gefahr besteht, dass sich ihre gesundheitliche Situation durch das Fasten nicht bessert. Kranke, die ihre Medikation nicht unterbrechen oder zeitlich verschieben können, sollten daher nicht fasten.
O die ihr glaubt! Fasten ist euch vorgeschrieben, wie es denen vor euch vorgeschrieben war, auf dass ihr euch schützet. Eine bestimmte Anzahl von Tagen. Wer von euch aber krank oder auf Reisen ist, (der faste) an ebenso vielen anderen Tagen; und für jene, die es schwerlich bestehen würden, ist eine Ablösung: Speisung eines Armen. Und wer mit freiwilligem Gehorsam ein gutes Werk vollbringt, das ist noch besser für ihn. Und Fasten ist gut für euch, wenn ihr es begreift. Der Monat Ramadan ist der, in welchem der Koran herabgesandt ward: eine Weisung für die Menschheit, deutliche Beweise der Führung und (göttliche) Zeichen. Wer also da ist von euch in diesem Monat, der möge ihn durchfasten; ebenso viele andere Tage aber, wer krank oder auf Reisen ist. Allah wünscht euch erleichtert und wünscht euch nicht beschwert, und dass ihr die Zahl (der Tage) erfüllen und Allah preisen möchtet dafür, dass er euch richtig geführt hat, und dass ihr dankbar sein möchtet.
Ob Arzneimittel erlaubt sind, ist Auslegungssache
Ob gläubige Muslime während der Fastenzeit Medikamente einnehmen dürfen, ist Auslegungssache: Einige Strömungen des Islam betrachten jegliche Substanzen außer Sauerstoff, die in den Körper gelangen, als ein Brechen der Fastenregeln. Andere Richtungen des Islam erkennen an, dass eine Medikamenteneinnahme darauf schließen lässt, dass die Person krank ist und erlauben daher die Einnahme von Arzneimitteln. Viele Kranke und Altersschwache nehmen dennoch aktiv am Ramadan teil, obwohl sie die Fastenvorschriften gar nicht einhalten müssten, den Glaubensregeln des Islam aber gerne folgen möchten. Das bedeutet, dass bei akut oder chronisch Erkrankten, die Arzneimittel einnehmen müssen, die Arzneimitteltherapiesicherheit oft nicht gewährleistet ist.
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Medikationsfehler vermeiden – Adhärenz bewahren
Um Medikationsfehler und daraus resultierende Komplikationen zu vermeiden, sollten Ärzte und Apotheker Patienten ausführlich über die Besonderheiten zur Anwendung von Arzneimitteln im Ramadan informieren. Je nach Erkrankung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die Therapie auch im Fastenmonat aufrecht zu erhalten. Als Lösung kommen neben Dosisanpassung oder geändertem Einnahmezeitpunkt (zum Beispiel nachts) beziehungsweise Dosierungsintervall (alle zwölf oder 24 Stunden) auch die Umstellung auf einen anderen Wirkstoff oder einer alternativen Applikationsform in Frage. Dabei sollten die individuellen Essgewohnheiten sowie Pharmakokinetik und Bioverfügbarkeit der entsprechenden Arzneimittel berücksichtigt werden. Hier ist ein umfassendes Medikationsmanagement sinnvoll.
Besonders kritisch: Wirkstoffe mit enger therapeutischer Breite
Schätzungsweise 60 bis 80 Prozent der Muslime nehmen ihre Medikamente während des Ramadan anders ein als gewohnt. Das Problem: Ohne Rücksprache mit den versorgenden Apothekern oder dem behandelnden Arzt wird die Arzneimitteleinnahme eigenständig angepasst. Dabei werden Schätzungen zufolge meistens Einzeldosen ganz ausgelassen oder auf zwei Einnahmezeitpunkte verteilt, vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang.
Bei einigen Arzneistoffen sollte während des Fastens eine eventuelle Substitution, eine Dosisanpassung oder auch veränderte Einnahmezeitpunkte gar nicht oder nur mit großer Vorsicht und immer in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt stattfinden. Gewisse Antiepileptika, Immunsuppressiva, Zytostatika, Antiarrhythmika oder auch das Antihypertonikum Nifedipin eignen sich nur bedingt für einen Austausch oder geänderte Einnahmezeitpunkte. Grund dafür ist die geringe therapeutische Breite und/oder starke interindividuelle Blutspiegel-Schwankungen.
Welche Wirkstoffe sind betroffen?
Bei diesen Arzneimitteln (Tabelle 1) gibt es nur einen schmalen Spielraum, um eine therapeutisch wirksame Konzentration zu erreichen. Eine Unterdosierung kann zu einer unwirksamen Behandlung führen. Andererseits kann auch eine Überdosierung auftreten, zum Beispiel wenn statt zwei erforderlicher Tagesdosen diese auf einmal eingenommen werden. Für den Therapieerfolg ist vor allem das Erreichen des pharmakokinetischen Gleichgewichtes („steady state“) wichtig. Das pharmakokinetische Gleichgewicht wird bestimmt durch die Balance von Arzneistoffaufnahme und Arzneistoffelimination. Durch Dosisänderung oder das Auslassen einer oder mehrerer Einzeldosen muss sich das pharmakokinetische Gleichgewicht neu einstellen. Somit können veränderte Einnahmezeitpunkte großen Einfluss auf die Arzneimittelwirkung haben, da der Plasmaspiegel in den subtherapeutischen Bereich absinken kann. Das Medikament besitzt dann im schlechtesten Fall keinen therapeutischen Effekt mehr. Aber gerade bei solchen Arzneistoffen ist die Compliance des Patienten extrem wichtig und bei einer Langzeittherapie ist ein gleichmäßiger Plasmaspiegel des Medikaments therapeutisch unbedingt erforderlich.
Antibiotika | Gentamicin, Tobramycin, Vancomycin |
Herzglykoside | Digoxin, Digitoxin |
Antiepileptika | Phenytoin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Valproinsäure, Ethosuximid |
Zytostatika | Methotrexat |
Immunsuppressiva | Mycophenolat, Ciclosporin A, Tacrolimus, Sirolimus, Everolimus |
Antipsychotika | Quetiapin, Aripiprazol, Clozapin, Olanzapin |
Antidepressiva | Amitriptylin |
Antimykotika | Voriconazol, Fluconazol, Itraconazol |
Antiarrhythmika | Amiodaron, Dronedaron, Flecainid |
Analgetika | Paracetamol, Salicylate, Opioide |
Weitere problematische Arzneimittel während des Ramadan
Bei den levothyroxinhaltigen Arzneimitteln gibt es während des Ramadan zwei Lösungen: Da die Einnahme normalerweise nüchtern mit Leitungswasser direkt nach dem Aufstehen und eine halbe Stunde vor dem Frühstück erfolgt, kann hier die Einnahme soweit vorverlegt werden, dass Ramadanfastende das Schilddrüsenhormon noch vor der Morgendämmerung einnehmen können. Gemäß einer niederländischen Studie kann die Gabe des Schilddrüsenhormons alternativ auch an dem Abend vor dem Fastenbrechen eingenommen werden.
Allerdings ist es nicht immer so einfach, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten: Bei Antibiotika, die unbedingt mehrmals täglich, unter Umständen auch dreimal täglich (wie Amoxicillin) eingenommen werden müssen, kann die Wirksamkeit durch schwankende Plasmaspiegel gefährdet und die Ausbildung von Resistenzen möglich sein. Wenn auch andere Antibiotika die gleiche Wirksamkeit bei der Infektion zeigen, können Ärzte auf Wirkstoffe ausweichen, die Ramadanfastende nur einmal täglich einnehmen müssen, wie Azithromycin .
Besonderes Augenmerk bei Diabetikern
Besonders kritisch ist die Therapie eines Diabetes mellitus während des Ramadan. Nicht nur aufgrund der ungewöhnlichen Essenszeiten, sondern ebenso wegen der ungleichmäßig über den Tag verteilten Essensmengen besteht die Gefahr für Hyperglykämien beim reichhaltigen Mahl nach Sonnenuntergang und Hypoglykämien während der Nahrungsmittelkarenz tagsüber. Um Hypoglykämien langfristig vorzubeugen und um Blutzuckerspitzen zu vermeiden, sollten Diabetiker kurz vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang möglichst keine „leeren“ Kohlenhydrate aufnehmen, sondern vorzugsweise komplexe Kohlenhydrate (Vollkornprodukte) bevorzugen, also Nahrungsmittel mit hohem Faseranteil und niedrigem glykämischen Index. Besonders wichtig ist es, den Blutzucker während des Fastenmonats engmaschiger als sonst zu kontrollieren, um Symptome einer Hypo- oder Hyperglykämie rechtzeitig zu bemerken. Für den Notfall ist auch tagsüber Traubenzucker und somit das Fastenbrechen erlaubt, wenn die Gesundheit in Gefahr ist.
Das individuelle Therapieschema muss den geänderten Umständen unter ärztlicher Aufsicht angepasst werden. Bei Typ-2-Diabetes kann beispielsweise eine bislang erfolgte dreimal tägliche Metformingabe auf eine Dosis zum Frühstück vor Sonnenaufgang und die beiden übrigen Dosen am Abend zum Fastenbrechen eingenommen werden. Geringe Gefahren für Hypoglykämien bestehen bei den Gliflozinen, Dapagliflozin (Forxiga®) und Empagliflozin (Jardiance®), hier ist beispielsweise keine Dosisanpassung erforderlich. Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index sind möglichst ganz zu meiden, besonders aber in der ersten halben Stunde nach Einnahme des Antidiabetikums.
Vorsicht bei insulinpflichtigen Diabetikern
In Deutschland begehen geschätzt 100.000 Diabetiker den Fastenmonat Ramadan. Im Rahmen der konventionellen Insulintherapie sollte die morgendliche Dosis des Mischinsulins reduziert werden. Die zweite Injektion erfolgt zur Abendmahlzeit nach Sonnenuntergang. Hier ist eine Anpassung an Umfang und Art der Lebensmittel erforderlich. Unter Beachtung einiger Vorsichtsmaßnahmen ist das Fasten auch mit der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT, Basis-Bolus-Therapie) möglich. Der basale Insulinbedarf sollte ebenfalls durch ein Verzögerungsinsulin gedeckt werden. Mit dem kurz wirksamen Insulin werden die zugeführten Kohlenhydrate nach Sonnenuntergang entsprechend reguliert.
Sind alle Arzneimittel tagsüber verboten?
Streng genommen sind alle Arzneimittel während der Fastenzeit verboten. Denn es darf grundsätzlich nichts zu sich genommen werden, egal in welcher Darreichungsform. Alles, was in den Körper hineingeht beziehungsweise in die Blutbahn aufgenommen werden könnte, ist verboten. Damit sind auch Salben und Cremes sowie transdermale Systeme, Augentropfen oder Inhalate verboten.
Allerdings verstößt bei nicht allzu strenger Auslegung der Fastenzeit die Inhalation mittels Dosierspray oder Pulverinhalator nicht gegen die Fastenregeln. Asthmatiker oder Patienten mit COPD oder akuter Bronchitis könnten ihre Arzneimittel daher in der Regel weiter anwenden. Das gleiche gilt für Augentropfen oder Salben und Cremes.
Definitiv nicht erlaubt sind sublinguale Arzneiformen, da während der Fastenzeit auch das Kaugummi kauen nicht erlaubt ist. Verboten sind außerdem Nasentropfen, Nasensprays und Zäpfchen.
2 Kommentare
Ramadan
von Roland Mückschel am 06.05.2019 um 12:03 Uhr
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Immer wieder?
von Stefan Haydn am 03.05.2019 um 19:46 Uhr
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