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Verfassungsrichter Peter M. Huber
„Auch für Apotheken gilt der Grundsatz: Freiheit vor staatlicher Reglementierung“
Der Verfassungsrichter Prof. Dr. Peter M. Huber hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Rx-Preisbindung hinterfragt. Auf dem Karlsruher Verfassungsfest sagte Huber im Gespräch mit dem Pharmaziestudenten Benedikt Bühler, dass er die Arzneimittelversorgung als Teil der Gesundheitsversorgung betrachte und ein Eingriff des EuGH somit „wenig überzeugend“ sei. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Apotheker sehr gute Gründe für Einschränkungen der Berufsfreiheit und der Warenverkehrsfreiheit bräuchten.
Der 19-jährige Pharmaziestudent Benedikt Bühler bleibt politisch engagiert: Bühler, der CDU-Mitglied ist und sich auch in seiner Partei für die Belange der Apotheker einsetzt, hatte sich für ein kurzes Gespräch mit einem Verfassungsrichter auf dem Verfassungsfest beworben. Zur Erinnerung: Schon seit einigen Monaten ist Bühler, der in Budapest Pharmazie studiert, politisch aktiv und setzt sich für das Rx-Versandverbot ein. Unter anderem plant er derzeit eine Petition für das Rx-Versandverbot beim Bundestag und wird dabei unter anderem von den Großhändlern Noweda und Fiebig unterstützt.
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Am vergangenen Wochenende hatte Bühler nun die Gelegenheit, auf einer Bühne auf dem Karlsruher Platz der Grundrechte den Verfassungsrichter Prof. Dr. Peter M. Huber zur Arzneimittelversorgung zu befragen. Huber ist seit 2010 Verfassungsrichter am Zweiten Senat und war zuvor unter anderem Innenminister in Thüringen. Mit Bühler sprach er zunächst ganz grundsätzlich über die verfassungsrechtlichen Aspeke und Berührungspunkte mit dem Apothekenmarkt. Der Richter erinnerte an das sogenannte „Apotheken-Urteil“ von 1957 und sagte mit Blick auf das Urteil: „Nicht jeder politische Wunsch lässt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ableiten. Der Apothekenmarkt ist dafür ein schönes Beispiel.“
Zur Erinnerung: Vor 1957 hatte es in Deutschland eine strikte, staatlich angeordnete Bedarfsplanung gegeben. Ein Apotheker aus Traunstein klagte dagegen, weil er eine weitere Apotheke eröffnen wollte. Das Verfassungsgericht gab dem Pharmazeuten Recht. Huber begründete die Entscheidung so: „Die Berufsfreiheit schützt, dass jeder von uns das zum Beruf wählen kann, was er möchte – ohne staatliche Reglementierung. Sie schützt aber nicht vor Konkurrenz. Das heißt: Wir können uns zwar unsere Berufe suchen, müssen aber damit leben, dass es auch andere gibt, die das machen wollen.“
Huber sieht aus diesem Urteil auch einen Grundsatz für den Apothekenmarkt herausstechen, der bis heute gilt: „Freiheit vor staatlicher Reglementierung. Freiheit auch für Konkurrenten, die möglicherweise illegitime Mittel nutzen, wie zum Beispiel die europäischen Versandapotheken.“ Huber erinnerte aber auch daran, dass das Bundesverfassungsgericht bereits eine Verfassungsbeschwerde von DocMorris über die Rx-Preisbindung abgewiesen hat. Zur Erinnerung: DocMorris legte 2013 Verfassungsbeschwerde gegen das Rx-Boni-Verbot für EU-Versender im Arzneimittelgesetz ein. Im November 2015 kam dann aber aus Karlsruhe die Nachricht, dass die Beschwerde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen werde.
Huber: Die Rx-Preisbindung ist eine zulässige Einschränkung
Der Verfassungsrichter Huber kommentierte die Entscheidung
des Gerichtes am vergangenen Wochenende so: „Dass Versandapotheken auch zum
festgesetzten Preis verkaufen müssen, ist eine zulässige Einschränkung der Berufsfreiheit,
weil man kein Apothekensterben will, weil man die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln
will (...).“Allerdings wies der Richter mehrfach darauf hin, dass dies nur eine Ausnahme von der Regel sei und dass eine solche Einschränkung der Berufsfreiheit gut begründet werden müsse.
Bühler sprach den Verfassungsrichter auch auf die Entscheidung des EuGH zur Rx-Preisbindung an. Huber erklärte dazu, dass der EuGH nur Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit zulasse, „wenn es konkrete Gefahren für die Gesundheit gibt, also es muss demnächst was passieren“. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes habe sich der EuGH gesagt: „Mag sein, dass es nach dem Grundgesetz verboten werden kann, nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU kann es nicht verboten werden (…)“ Den Apothekern gab er daher sein folgendes Fazit mit auf den Weg: „Man sieht daran, dass es nichts zum Nulltarif gibt. Auch die Mitgliedschaft in der EU kann für die Apotheker Nachteile haben.“
Bühler wollte von Huber auch wissen, inwiefern ein Rx-Versandverbot europarechtlich machbar wäre. Der Verfassungsrichter stellte hier klar, dass die Apotheker und die Bundesregierung sehr gute Gründe bräuchten, um dieses zu rechtfertigen. Wörtlich sagte er:
Wenn wir weiter die Entwicklung haben, dass die ländlichen Regionen nicht mehr versorgt werden können und man es halbwegs plausibel nachweisen kann, dass es daran liegt, dass die Leute ihre Rezepte alle in den Briefkasten schmeißen, (…) kann es auch unter dem Gesichtspunkt des Europarechts ein neuer Grund sein, auch die Warenverkehrsfreiheit zu beschränken (…). Weil Gesundheitsschutz ist auch unter dem Europarecht ein legitimer Gesichtspunkt. Der EuGH würde sich anschauen, wie konkret die Gefährdung ist und schauen, ob es nicht nur standespolitische Interessen sind, die da vertreten werden. Und wenn die Bundesregierung, also Hr. Spahn, plausibel darlegen kann, dass alle unsere ländlichen Räume (…) ihre Apotheken-Versorgung verlieren, dann kann er das auch europarechtlich wieder verbieten. Das haben sie aber bisher nicht gemacht.“
Bühler: Darf sich die EU überhaupt einmischen?
Schließlich lenkte der Pharmaziestudent das Gespräch nochmals auf die Europäischen Verträge, konkret den Vertrag über die Arbeitsweise der EU. Aus diesem Vertrag geht hervor, dass die Organisation der staatlichen Gesundheitssysteme in der Entscheidungshoheit der EU-Staaten liegt. Bühler wollte wissen, ob die „Einmischung“ der EU-Kommission und des EuGH aus Hubers Sicht in Ordnung sind. Huber sagte dazu:
Natürlich fällt die Medikamentenversorgung unter das Gesundheitswesen im Sinne des AEUV. Das Problem ist nur, dass unsere Freunde in Luxemburg mit der Kompetenzabgrenzung nicht viel Erfahrung haben. Sie haben sie aus unserer Sicht auch bislang wenig überzeugend vorgenommen. Die Binnenmarktfreiheiten und die Warenverkehrsfreiheit sind halt Querschittsmaterie. (…) Dass Arzneimittel Waren sind, hat der EuGH wiederholt entschieden. Eine vollständige Abgrenzung gibt es da nicht. Ich glaube, mit dem Argument werden wir auch nicht sehr weit kommen.“
1 Kommentar
Next Level: Abschaffung Kontrahierungszwang heißt die Devise
von Apotheken ohne Grundgesetz am 28.05.2019 um 3:30 Uhr
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