Post-Expositionsprophylaxe bei Influenza

Baloxavir reduziert Ansteckungsgefahr bei Grippe

Stuttgart - 04.06.2019, 15:15 Uhr

Neue Studienergebnisse weisen darauf hin, dass Baloxavir nicht nur in der Akuttherapie der Influenza wirkt, sondern auch die Ansteckungsgefahr bei Grippe reduziert. Roche hat derzeit die Zulassung für Xofluza in Japan und den USA: ( r / Foto: satura_/ stock.adobe.com)

Neue Studienergebnisse weisen darauf hin, dass Baloxavir nicht nur in der Akuttherapie der Influenza wirkt, sondern auch die Ansteckungsgefahr bei Grippe reduziert. Roche hat derzeit die Zulassung für Xofluza in Japan und den USA: ( r / Foto: satura_/ stock.adobe.com)


Baloxavir ist in Japan und den USA zugelassen zur Therapie der akuten, unkomplizierten Influenza. Doch Roches neues Grippe-Arzneimittel Xofluza scheint auch in der Post-Expositionsprophylaxe zu wirken und die Ansteckungsgefahr mit Grippeviren zu verringern. Auch hat Roche bereits beantragt, die Zulassung des CAP-Endonuklease-Inhibitors in den USA auf Risikopatienten zu erweitern.

Keine Grippesaison derzeit – zumindest nicht in der nördlichen Hemisphäre. Auf Hochbetrieb laufen dürfte aktuell nur die Produktion der neuen Influenzavakzine für die kommende Grippesaison 2019/20. Voran geht nicht nur bei der Impfstoffherstellung, sondern auch in der Forschung bei Grippewirkstoffen – mit dem Endonuklease-Inhibitor Baloxavir marboxil. In Japan (Februar 2018) und den Vereinigten Staaten (Oktober 2018) hat Roche bereits die Zulassung für Baloxavir (XofluzaTM) zur Therapie der akuten, unkomplizierten Influenza, und zwar für Kinder und Erwachsene in Japan und ab einem Alter von zwölf Jahren in den USA. Doch auch in der Post-Expositionsprophylaxe scheint Baloxavir zu wirken – Roche veröffentlichte dieser Tage Daten, die die Wirksamkeit von Baloxavir neben der Akuttherapie auch in der Post-Expositionsprophylaxe untermauern.

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Drohen Resistenzen bei Baloxavir?

Laut Roche erreichte die Phase-III-Studie Blockstone ihren primären Endpunkt. Die Studie untersuchte in der Grippesaison 2018/19 die Wirksamkeit von Baloxavir an nicht-infizierten Kindern und Erwachsenen in Japan, die jedoch einem influenzainfizierten Haushaltsmitglied ausgesetzt waren. Menschen, die prophylaktisch eine einmalige orale Dosis Baloxvir erhielten (Dosis nach Kilogramm Körpergewicht), erkrankten signifikant seltener an Grippe als Placebobehandelte. Der Nachweis erfolgte mittels eines Influenzaschnelltests. Bei 1,9 Prozent der Baloxavirbehandelten konnte innerhalb von zehn Tagen eine Influenzainfektion, Fieber und weitere grippetypische Symptome nachgewiesen werden, in der Placebogruppe waren es 13,6 Prozent. Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse lag bei Baloxavir bei 22,2 Prozent im Vergleich zu 20,5 Prozent unter Placebo.

Neuer Wirkmechanismus und Resistenzen

Positiv an Baloxavir soll vor allem die Wirksamkeit des Arzneistoffes auch bei oseltamivirresistenten Influenzastämmen sein, unter anderem H5N1 und H7N9. Dies wurde bislang jedoch nicht in klinischen Studien, sondern nur in In-vitro-Untersuchungen gezeigt. Vorteilhaft bei XofluzaTM ist hinsichtlich der Adhärenz. es handelt sich nämlich um eine Singel-Shot-Therapie. Auch verfolgt Baloxavir mit Hemmung der Endonuklease einen bislang in der virustatischen Therapie der Influenza nicht genutzten Angriffspunkt, dennoch gibt es laut einer wissenschaftlichen Arbeit im New England Journal of Medicine auch hier bereits Hinweise auf Resistenzen. Welche klinischen Auswirkungen die Escape-Mutanten haben, lässt sich derzeit jedoch noch nicht absehen, und zwar weder auf die Infektiosität noch die Pathogenität der Influenzaviren.

FDA-Zulassungsantrag für Risikopatienten

Offenbar arbeitet Roche daran, die derzeit zugelassenen Indikationen von Xofluza zu erweitern. Kürzlich hat die US-amerikanische Zulasungsbehörde FDA einen ergänzenden Antrag auf Zulassung (supplemental New Drug Application, sNDA) für Xofluza akzeptiert, und zwar für Menschen mit hohem Risiko für Komplikationen durch eine Grippeinfektion – Erwachsene ab 65 Jahren oder für Menschen, die an an Grunderkrankungen wie Asthma, chronischer Lungenerkrankung, krankhafter Adipositas oder Herzerkrankungen leiden. Die Entscheidung der FDA erwartet Roche bis zum 4. November 2019.

Wie wirkt Baloxavir bei Grippe?

Wie wirkt Baloxavir marboxil?

Baloxavir marboxil nutzt als Virustatikum einen bei Influenzaviren bislang nicht therapeutisch verwendeten Angriffspunkt: Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease und somit einen der ersten Schritte im Replikationszykus des Influenzavirus.

Influenzaviren werden mittels Endozytose in die Wirtszelle aufgenommen. Anschließend erfolgt die Freisetzung des viralen Ribonukleoproteins ins Zytosol und in der Folge der Import in den Nucleus. Dort findet – neben der Replikation viraler RNA – die Transkription des Influenzagenoms in virale mRNA statt.

Ohne CAP, keine mRNA der Influenzaviren

Diese Transkription kann jedoch nicht ohne „Kappen“ beginnen. Diese sogenannte CAP-Struktur dient als Primer, als Erkennungssequenz, für die virale RNA-Polymerase. Woher stammt diese CAP-Sequenz? Da Viren bekanntermaßen eine recht reduzierte Ausstattung besitzen, „stiehlt“ die virale Endonuclease diese CAP-Strukturen von der Wirtszelle, sprich der zellulären mRNA. 
Zur Erinnerung: Eine Endonuklease schneidet DNA oder – wie im Falle von Influenzaviren – RNA in der Mitte ihres Nukleotidstranges und schafft somit Mehrfachnukleotide als Spaltprodukt.

Baloxavir verhindert virale Proteinbiosynthese

Hier greift Baloxavir marboxil ein: Es hemmt diese CAP-abhängige Endonuklease. Diese 5’-Kappen sind jedoch für mehrere Prozesse bedeutend: Sie schützen zum einen die mRNA vor dem Abbau. Zum anderen sind sie wichtig für den Transport der mRNA aus dem Zellkern hin zum Ribosom, wo die Proteinbiosynthese stattfindet. Somit resultiert als Effekt eine CAP-abhängige Endonuklease-Hemmung und eine Proteinbiosynthese aus der viralen mRNA ist nicht möglich.

Die Rechte an Xofluza

Entdeckt hat Baloxavir marboxil ein japanisches Unternehmen, Shionogi. Seit 2016 spielt allerdings auch Roche beim neuen Grippewirkstoff eine zentrale Rolle. Da Roche Entwicklung und Zulassung von Baloxavir voranbringt, hat sich das Schweizer Pharmaunternehmen das Gros der Vermarktungsrechte gesichert. Roche hält die weltweiten Vermarktungsrechte, einzige Ausnahme bilden Japan und Taiwan. In diesen asiatischen Ländern besitzt Shionogi die Exklusivrechte, in den Vereinigten Staaten hat man sich wohl auf einen Kompromiss geeinigt. Roche und Shionogi teilen sich dort die Rechte an Baloxavir.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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