Gematik-Chefposten

Linke: Spahn macht Gesundheitspolitik wie ein Wirtschaftspolitiker

Berlin - 20.06.2019, 07:00 Uhr

Der Linken-Gesundheitspolitiker Dr. Achim Kessler kritisiert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scharf für sein Vorgehen in der Gematik. (Foto: imago images / Chris Thiel)

Der Linken-Gesundheitspolitiker Dr. Achim Kessler kritisiert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scharf für sein Vorgehen in der Gematik. (Foto: imago images / Chris Thiel)


Die Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wegen der Neubesetzung der Gematik-Spitze wächst: Jetzt meldet sich auch die Linksfraktion im Bundestag zu Wort und beschwert sich darüber, dass die für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständige Gesellschaft künftig von einem Pharma-Manager geführt werden soll. Zuvor hatten auch schon der GKV-Spitzenverband und Transparency International protestiert.

Die geplante Ernennung von Markus Leyck Dieken als neuer Chef der Gematik sorgt weiter für Unruhe im Gesundheitswesen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz erst kürzlich die 51-Prozent-Mehrheit an der Gematik übernommen. Jens Spahn will die Digitalisierung schneller vorantreiben und Patt-Situationen in der Gesellschafterversammlung zwischen Kassen und Leistungserbringern verhindern.

Die erste Entscheidung des Ministeriums soll nun eine Personalentscheidung werden: Der derzeitige Gematik-Geschäftsführer Alexander Beyer, der die Gesellschaft seit 2015 leitet und zuvor schon Chef der Rechtsabteilung der Gematik war, soll durch den Pharma-Manager Markus Leyck Dieken ersetzt werden. Das BMG könnte diese Entscheidung aufgrund der neuen Machtverhältnisse in der Gesellschafterversammlung quasi alleine treffen – selbst wenn die Leistungserbringer und Kassen dagegen wären.

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Proteste mehren sich

Transparency International und der GKV-Spitzenverband hatten sich bereits am gestrigen Mittwoch heftig über Spahns Vorgehen beschwert. Die Nichtregierungsorganisation erinnerte an Spahns ehemalige Beratungsfirma, die er gemeinsam mit dem heutigen DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller aufgebaut hatte und forderte die Selbstverwaltung und die Bundestagsfraktionen dazu auf, die Ernennung zu verhindern. Ebenso deutliche Worte fand die Chefin des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer im Ärzteblatt: Pfeiffer sagte: „Der Mehrheitsgesellschafter trägt nichts zur Finanzierung bei, entscheidet aber eigenständig. Das ist für jeden Experten von Organisationsstrukturen schwer denkbar.“

Gegenüber DAZ.online hat sich nun auch die Linksfraktion zu dem Thema geäußert. Dr. Achim Kessler, Obmann im Gesundheitsausschuss für seine Fraktion, sagte, dass Spahn mit der Ernennung erneut zeige, „dass die Gesundheitspolitik für ihn die Fortführung der Wirtschaftspolitik mit anderen Mitteln ist“. Für die Patientinnen und Patienten ist das aus Sicht der Linken keine gute Nachricht: „Es ist zu befürchten, dass die Interessen der Industrie bei der weiteren Ausgestaltung der digitalen Gesundheitsangebote an erster Stelle stehen und der Nutzen für die Patientinnen und Patienten sowie der Datenschutz nur als Hemmschuh wahrgenommen werden“, so Kessler.

Kessler: Spahn sollte auf Leyck Dieken verzichten

Kessler sieht einen roten Faden in der Politik des Ministers. Wörtlich erklärte er:


Spahn hat jüngst erst die Kontrolle über die Betreibergesellschaft der Digitalisierung übernommen, die für die Ausgestaltung neuer digitaler Angebote in der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig ist. Nun besetzt er den Chefposten mit einem Pharmamanager, der weder für Digitalisierung noch für Selbstverwaltung ein ausgewiesener Experte ist. Einmal mehr hält Spahn Wirtschaftsvertreter offenbar für die besseren Experten. Das Muster setzt sich fort, zum Beispiel bei der lobbyistenreichen Besetzung des Health Innovation Hub des Bundesgesundheitsministeriums. Ich fordere Jens Spahn und die gesamte Bundesregierung auf, auf die Benennung von Markus Guilherme Leyck Dieken zu verzichten.“

Dr. Achim Kessler, MdB, Die Linke


Wichtige Phase für die Gematik

Leyck Dieken ist Arzt und gleichzeitig Arzneimittelexperte, denn in den vergangenen Jahren arbeitete er in mehreren Top-Management-Positionen von Pharmakonzernen. Derzeit ist er beim japanischen Hersteller Shionogi tätig. Zuvor war Leyck Dieken aber schon als Chef bei Ratiopharm (Teva) und davor bei Novartis und Novo Nordisk. Im Branchenverband Pro Generika war der Pharma-Manager stellvertretender Vorsitzender. Im Bereich Digitalisierung arbeitete Leyck Dieken bislang nicht schwerpunktmäßig. Er leitete laut FAZ bei Teva zwar das Zukunftsprogramm „Teva 2021“, war aber bislang nicht für einen der Gesellschafter der Gematik tätig.

Der Pharma-Manager tritt in einer sehr wichtigen Phase in die Gematik ein. In den kommenden Jahren soll die Telematikinfrastruktur, also gewissermaßen die Datenautobahn im Gesundheitswesen, fertiggestellt werden. Gleichzeitig sollen mehrere neue Anwendungen starten, wie unter anderem das E-Rezept und die E-Medikationspläne.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Die alten sterben schnell und retten unsere Renten

von Krankgemacht am 20.06.2019 um 13:58 Uhr

Zu Weihnachten wollten meine Eltern Lobgesänge auf Jens Spahn anstimmen. Da erklärte ich schnell, dass der das Gesundheitssystem so zusammen kürzt, dass die Alten schnell sterben und damit wäre das Rentensystem sicher. Mal sehen, ob ich Recht habe. Zumindest meine Eltern finden Jens Spahn echt supi.

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App vom Arzt

von Carsten am 20.06.2019 um 9:08 Uhr

„Es ist zu befürchten, dass die Interessen der Industrie bei der weiteren Ausgestaltung der digitalen Gesundheitsangebote an erster Stelle stehen und der Nutzen für die Patientinnen und Patienten sowie der Datenschutz nur als Hemmschuh wahrgenommen werden“

Das ist nicht nur zu befürchten, sondern quasi sicher. Schreibt doch Herr Spahn in seinem Buch "App vom Arzt" schon auf Seite 1: "Datenschutz ist etwas für Gesunde".

Das Buch verdient deutlich mehr Aufmerksamkeit. Weniger wegen dem neoliberalen Unsinn darin, sondern wegen den Coautoren und seinen Aussagen zur Marktentwicklung.

Speziell Herr Müschenich mit seiner Firma Flying Health ist einen Blick Wert:

Seine Ausgründung Pantientus betrifft die Videosprechstunde, die Herr Spahn für 2020 ermöglichen will. Andere Projekte verdienen Ihr Geld mit digitalen Rezepten.

Kommen Ihnen diese Themen bekannt vor?

Was mich ehrlich gesagt mehr wundert als der nepotistische Kurs des Ministers ist, dass ihn die eigene Partei so schalten und walten lässt, ohne Rücksicht auf den politischen und (gesundheits-)systemischen Fallout, den er dabei produziert.

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