TSVG im Visier Brüssels

EU-Kommission besteht auf Hilfsmittel-Ausschreibungen

Berlin - 29.07.2019, 17:30 Uhr

Die EU-Kommission moniert ein Gesetz aus dem Hause Spahn. Es geht um die gestrichenen Hilfsmittelausschreibungen. (b / Foto: finecki / stock.adobe.com)

Die EU-Kommission moniert ein Gesetz aus dem Hause Spahn. Es geht um die gestrichenen Hilfsmittelausschreibungen. (b / Foto: finecki / stock.adobe.com)


Allein in diesem Monat hat die EU-Kommission in 17 Fällen rechtliche Schritte gegen die Bundesrepublik eingeleitet, weil sie aus Brüsseler Sicht ihren Verpflichtungen aus dem EU-Recht nicht nachkommt. Einer der Fälle betrifft ein Gesetz aus dem Hause Jens Spahns: Der Kommission missfällt, dass die Hilfsmittelausschreibungen abgeschafft worden sind.  Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um auf die von der Kommission vorgebrachten Beanstandungen zu reagieren.

Am 11. Mai ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in Kraft getreten. Mit dem Vorhaben wollte der Gesetzgeber in erster Linie dafür sorgen, dass GKV-Versicherte schneller an Arzttermine kommen. Aber das Gesetz wurde auch für zahlreiche weitere Neuerungen genutzt. Unter anderem, um Ausschreibungen für Hilfsmittel abzuschaffen. Damit reagierte der Bundesgesundheitsminister und mit ihm der Gesetzgeber auf die höchst umstrittenen Hilfsmittelverträge der Kassen. Der bisherige Preiskampf um das billigste Angebot gehe „zu oft zu Lasten der Patienten“, so die Kritik. Ohne die Ausschreibungen sollte sichergestellt werden, dass es bei der Versorgung mit Hilfsmitteln keine Abstriche bei der Qualität gibt, versprach das Bundesgesundheitsministerium.

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Doch bei der Europäischen Kommission kam das gar nicht gut an. Sie hat Deutschland nun aufgefordert, das Verbot öffentlicher Vergabeverfahren für medizinische Hilfsmittel aufzuheben. Sie ist der Meinung, die EU-Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen würden nicht richtig umgesetzt. In einer Mitteilung der Kommission hießt es: „Eine neue Bestimmung des deutschen Rechts verpflichtet die gesetzlichen Krankenkassen, ihre Verträge über medizinische Hilfsmittel mit interessierten Anbietern auszuhandeln, und verbietet es ihnen, spezielle und flexible Verfahren anzuwenden, die in den Vergaberichtlinien festgelegt sind“. Die Kommission ist überzeugt von ihren Richtlinien: Sie ermöglichten es öffentlichen Auftraggebern wie gesetzlichen Krankenkassen, hohe Qualitätsstandards zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erreichen. „Indem sie die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Transparenz und der Nichtdiskriminierung für alle Marktteilnehmer anwenden, gewährleisten sie einen unverfälschten Wettbewerb“, heißt es in der Mitteilung der Kommission.

Dass den Kassen verboten wird, im Hilfsmittelmarkt Ausschreibungsverfahren zu nutzen, läuft der Kommission zufolge der EU-Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Richtlinie 2014/24/EU) zuwider. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um auf die von der Kommission vorgebrachten Beanstandungen zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission beschließen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. Dann würde das Vertragsverletzungsverfahren ernst.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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4 Kommentare

Europäischer Etikettenschwindel ...

von Christian Timme am 30.07.2019 um 4:19 Uhr

Erst wenn es in Deutschland nichts mehr zu holen gibt ... hat die EU ihr Gründungsziel erreicht ... und dann wären da noch die "anderen Freunde" ... Wir schaffen das ... alleine ist aber noch nicht schnell genug ...

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Wahn! Wahn! Überall Wahn!

von W. Berger am 29.07.2019 um 19:33 Uhr

Jeden Tag eine weitere Posse aus dem Tollhaus.

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Unerträgliche Einmischung

von Dr. Christian Gerninghaus am 29.07.2019 um 18:31 Uhr

Erst die Arzneimittelpreisverordnung, jetzt das Ausschreibeverbot für Hilfsmittel. Die EU Kommission setzt voll auf Wettbewerb, vergisst dabei aber, dass in der medizinischen Versorgung die Qualität an erster Stelle steht- und nicht der Preis. Wenn es bei Arzneimitteln und Hilfsmitteln nichts zu verdienen gibt, leidet zwangsläufig die Qualität. Es ist keine Neuigkeit, das hohe Qualität zu geringem Preis nicht möglich ist. Also muss jetzt endlich eine Entscheidung der Bundesregierung fallen: möchte man die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung? Dann muss man die einheitlichen Abgabepreise für Arzneimittel durchsetzen und ebenso das Ausschreibeverbot für Hilfsmittel. Oder will man denKrankenkassen folgen und alles nur zum Ramschpreis haben, mit allen Konsequenzen (Lieferengpässe, Verunreinigungen usw.). Es ist an der Zeit, Europa die Stirn zu bieten. Die Warenverkehrsfreiheit hat sich der flächendeckenden Versorgung auf hohem Niveau unterzuordnen

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Erpressung

von Reinhard Rodiger am 29.07.2019 um 17:41 Uhr

Was ist daran schlecht, den Kassen die Erpressung zu verbieten? Das zerstören einer tragfähigen Rentabilität führt-wie schon bei den Generika- absehbar zu Engpässen.Denn niemand kommt auf Dauer mit den Zero-Profit-Vorstellungen der KK klar.Das führt zu negativer Auslese.

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