- DAZ.online
- News
- 05.09.2019
- Politik
- Auch Baden-Württemberg ...
Apotheken-Stärkungsgesetz
Auch Baden-Württemberg protestiert gegen Spahns Rx-Boni-Verbot
Der Widerstand gegen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Apothekenreform wächst. Nach dem Justizministerium und der EU-Kommission schalten sich nun auch wichtige Bundesländer ein und kündigen Protest an. Nach Bayern plant nun auch Baden-Württembergs Sozialministerium, gegen das für das Sozialrecht geplante Rx-Boni-Verbot Einspruch einzulegen, wie es gegenüber DAZ.online erklärte. Allerdings: Das Ministerium von Grünen-Politiker Manne Lucha will ein höheres Apothekenhonorar erwirken.
Am gestrigen Mittwoch fand im Gesundheitsausschuss des Bundesrates die erste Besprechung der zweigliedrigen Apothekenreform statt, die die Bundesregierung Mitte Juli im Kabinett beschlossen hatte. Die Gesundheitsexperten der Länder mussten ausloten, wie sie sich einerseits zur Sammelverordnung verhalten, in der die Vergütung der Apotheker für Notdienste und BtM-Abgaben erhöht und die Apothekenbetriebsordnung geändert werden soll. Und andererseits mussten sie erstmals besprechen, wie sie mit Spahns umstrittenen Vorschlag umgehen, das Rx-Boni-Verbot aus dem Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch V zu verschieben. Zur Erinnerung: Das Justizministerium hatte schon europarechtliche Bedenken angemeldet und an das EU-Vertragsverletzungsverfahren erinnert, das die EU wegen des Rx-Boni-Verbots gegen die Bundesrepublik zuletzt intensiviert hatte.
Auf welche Änderungsanträge sich die Ländervertreter am gestrigen Mittwoch geeinigt haben, ist unklar. Nach Informationen von DAZ.online liegen aber zahlreiche und umfangreiche Änderungswünsche aus mehreren Ländern vor. Dem Vernehmen nach drehen sich die meisten dieser Widersprüche um die juristische Durchsetzbarkeit des Boni-Verbots. Schon vor einigen Tagen hatte DAZ.online über den bayerischen Protest berichtet: Gesundheitsministerin Melanie Huml hält den Spahn-Plan für „nicht geeignet“, um die Gleichpreisigkeit wieder herzustellen.
Mehr zum Thema
Gleichpreisigkeit, Abgabeautomaten
Bayern will im Bundesrat gegen die Apothekenreform protestieren
BaWü: Europarechtliche Bedenken
Jetzt wird klar, dass ein weiteres wichtiges Bundesland mit sechs Stimmen im Bundesrat Widerspruch einlegen will: Baden-Württemberg. Mit Blick auf ein mögliches Boni-Verbot im SGB V sagte ein Sprecher des Sozialministeriums: „Es ist zu befürchten, dass eine solche Regelung im Rahmen eines neuerlichen Verfahrens vor dem EuGH als Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne eines Verstoßes gegen die europarechtlichen Vorgaben zur Warenverkehrsfreiheit gewertet würde. Sie brächte zudem eine Ungleichbehandlung zwischen Versandapotheken im Inland und solchen mit Sitz in anderen Mitgliedsstaaten mit sich und könnte auch aus diesem Grund angegriffen werden.“
Aber das Haus von Manne Lucha (Grüne) lehnt die Regelung auch ab, weil dadurch eine Ungleichbehandlung zwischen GKV- und PKV-Versicherten entstehen könnte. „Dies kann nicht im Sinne eines gleichgelagerten Zugangs aller Patientinnen und Patienten zu notwendigen Arzneimitteln sein“, so der Sprecher.
Keine Lücke für Versender-Automaten und höheres Honorar
Baden-Württemberg ist das Land, in dem der EU-Versender DocMorris seinen Arzneimittel-Automaten im Örtchen Hüffenhardt installierte, der inzwischen mehrfach gerichtlich verboten wurde. In Spahns Apothekenreform ist jedoch ein Schlupfloch für Versender-Automaten enthalten. Im Entwurf steht, dass Versender auch Arzneimittel-Automaten betreiben dürfen, wenn sie sich an die gleichen Bedingungen halten, die für Vor-Ort-Apotheker gelten – nur dass sich die Ausgabestation nicht in den Betriebsräumen der Apotheke befinden muss. Damit wäre zwar das bekannte Modell Hüffenhardt weiterhin unmöglich, doch eine Version 2.0 durchaus denkbar. Das Ministerium vom Grünen-Politiker Lucha hatte sich stets gegen diese Form der Arzneimittelversorgung ausgesprochen. Und auch jetzt stellt das Ministerium klar: „Diese Regelung wird seitens des Ministeriums für Soziales und Integration in Baden-Württemberg kritisch gesehen. Zu Hüffenhardt gibt es ein Gerichtsurteil, dass die dortige Abgabe der Arzneimittel als rechtswidrig einstuft. Dies entspricht auch der Rechtsauffassung des Landes. Regelungen, die dies möglicherweise wieder relativieren, sollten daher unterbleiben.“
Sammelverordnung: Mehr Geld für Schmerzpumpen-Befüllung
Überraschenderweise wünscht sich Baden-Württemberg darüber hinaus noch eine Änderung an der Sammelverordnung, mit der unter anderem das Apothekenhonorar geändert werden soll. Das Ministerium erklärte, dass man es grundsätzlich begrüße, dass die Apotheker für Notdienste und Dokumentationspflichten besser vergütet werden sollen. Aber es sollten noch weitere Honorarverbesserungen dazukommen: „Wichtig sind uns beispielsweise Regelungen, mit denen die Versorgung von Schmerzpatienten durch Apotheken verbessert wird, beispielsweise im Zusammenhang mit der Befüllung von Schmerzpumpen.“ An welcher Honorar-Schraube die Baden-Württemberger in welcher Höhe genau drehen wollen, teilte das Ministerium aber nicht mit.
Zur Erinnerung: Die Sammelverordnung zur Veränderung der Arzneimittelpreisverordnung und Apothekenbetriebsordnung hat im Bundesrat ihre letzte Station. Beschließt die Länderkammer sie, kann sie in Kraft treten. Der Bundestag ist nicht involviert. Allerdings bedeutet das auch, dass weitere Änderungen durch die Länder nur sehr schwer zu erwirken sind. Konkret müssten die Länder die Bundesregierung bitten, die Verordnung nochmals aufzulegen und wieder einzureichen – ein unwahrscheinliches Szenario.
Auch beim Rx-Boni-Verbot, das im Apotheken-Stärkungsgesetz enthalten ist, sind die Möglichkeiten der Länder begrenzt. Wenn sie einen solchen oben genannten Einspruch mehrheitlich beschließen, kann der Bundestag ihn jederzeit mehrheitlich überstimmen.
3 Kommentare
Warum nur Bayern und BW?
von Heiko Barz am 05.09.2019 um 12:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Echt jetzt?
von Karl Friedrich Müller am 05.09.2019 um 9:31 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
?
von Anita Peter am 05.09.2019 um 7:40 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.