Pro Biosimilars Symposium

AkdÄ-Chef: Biosimilar-Austausch nur durch geschulte Apotheker vorstellbar

Stuttgart - 11.09.2019, 16:14 Uhr

Professor Wolf-Dieter Ludwig hält eigentlich nichts davon, dass Apotheker generell Biologicals substituieren. Er kann sich lediglich vorstellen, dass spezialisierte, extra dafür ausgebildete Apotheker den Austausch vornehmen. (Foto: jb/DAZ.online)

Professor Wolf-Dieter Ludwig hält eigentlich nichts davon, dass Apotheker generell Biologicals substituieren. Er kann sich lediglich vorstellen, dass spezialisierte, extra dafür ausgebildete Apotheker den Austausch vornehmen. (Foto: jb/DAZ.online)


Sollen Apotheker Biosimilars analog zu Generika austauschen dürfen oder nicht? Seit dem ersten Referentenentwurf des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ist das ein Thema, laut der verabschiedeten Version muss der G-BA nun Kriterien dafür erarbeiten. Von der Ärzteschaft wird das aus verschiedenen Gründen kritisch gesehen. Das wurde beim Symposium der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars in Berlin noch einmal klar. Zudem warnten Industrievertreter davor, bei Biosimilars den gleichen Fehler zu machen wie bei Generika und die „Preisspirale“ zu überdrehen.

Die automatische Substitution von Biologicals in der Apotheke, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gemäß dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) bis August 2022 Kriterien erarbeiten soll, erregt die Gemüter. Eine der Institutionen, die das strikt ablehnen, ist die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ). Das machte deren Vorsitzender Professor Wolf-Dieter Ludwig am gestrigen Dienstag bei einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars in Berlin noch einmal klar. 

Ludwig warnte unter anderem vor „Nocebo-Effekten“ im Zusammenhang mit der automatischen Substitution. Diese könnten auftreten, wenn nicht mehr der Arzt den Wechsel von Originalpräparaten auf Biosimilars engmaschig begleite, sondern ein Apotheker diesen durchführe. Alle bisher durchgeführten Switch-Studien, in denen gezeigt wurde, dass ein Wechsel von einem Original auf ein Biosimilar problemlos möglich ist, seien unter ärztlicher Begleitung gewesen, so Ludwig. Die im GSAV geplante Substitution in der Apotheke ist nach Ludwigs Ansicht eine „nicht ausreichend durchdachte Maßnahme“, die negative Auswirkungen auf die Therapie haben kann. 

Zudem befürchtet der Onkologe Nachteile bei der Pharmakovigilanz, weil der Arzt nicht mehr nachvollziehen könne, welches Präparat der Patient erhalten habe. Daher soll seiner Ansicht nach der Wechsel auf ein Biosimilar weiterhin in der Hand der Ärzte liegen. Ludwig kann sich jedoch vorstellen, dass spezialisierte, extra dafür ausgebildete Apotheker den Austausch vornehmen. Allerdings erachtet er die Apotheken in seinem Umfeld dazu nicht in der Lage. 

Welche Kriterien könnte der G-BA erarbeiten?

Darüber hinaus könne er sich nicht vorstellen, welche sinnvollen Kriterien der G-BA für einen Austausch in der Apotheke erarbeiten könne. Dafür fehle ihm die Phantasie, so Ludwig. Er befürchtet, dass das Gremium zu dem Schluss kommt, dass eine uneingeschränkte Austauschbarkeit möglich sei. Diese Lücke in Ludwigs Phantasie vermochte auch die G-BA-Vertreterin in der Runde, Dr. Carina Mohn, nicht zu schließen. Sie erklärte, man sei noch am Anfang des Verfahrens. In dessen Rahmen werden man sich Regelungen in den anderen Ländern ansehen. Insgesamt blieb sie aber relativ vage.

„Bei Biosimilars nicht die gleichen Fehler machen wie bei Generika“

Ein mögliches Kriterium ergab sich allerdings aus der Diskussion: So könnte es unter Umständen sinnvoll sein, Arzneimittel, die der Patient nicht selbst anwendet, sondern die von Apotheken zu gebrauchsfertigen Lösungen verarbeitet werden, anders zu betrachten sind als solche, die der Patient sich selbst appliziert. Somit wäre beispielsweise ein Austausch durch die Apotheke in der Onkologie möglich – das sah auch ein anwesender Onkologe so. In der Rheumatologie hingegen, wo die Patienten sich oft Biolgicals selbst applizieren, gehe das dann nicht.

Braucht es überhaupt zusätzliche Eingriffe in den Markt?

Grundsätzlich waren sich Industrie und Ärztevertreter einig, dass derzeit überhaupt keine zusätzlichen Eingriffe in den Biosimilar-Markt notwendig seien. Das belege das Beispiel Adalimumab, wo bereits neun Monate nach Markteinführung eine Biosimillarquote von über 40 Prozent sowie ein signifikanter Preisnachlass im Vergleich zum Original, erreicht waren – und das hätten die Ärzte geschafft mit dem sanften Druck von Quoten und entsprechenden Verträgen. Das Vertrauen der Ärzte und Patienten in Biosimilars sei mittlerweile da. Und dieses „zarte Pflänzchen“ sollte man jetzt nicht unterdrücken. Selbst die Vertreterin der Techniker Krankenkasse, Dr. Göntje-Gesine Schoch, die den Bereich Versorgungssteuerung leitet, erklärt, auf die Frage ob Biosimilars unter Umständen in drei Jahren wie Generika ausgeschrieben werden: „ Wenn der Marktanteil auch so hoch genug ist, warum sollte ich mir die Mühe machen.“

„Bedingungen dürfen nicht wesentlich schlechter werden“

Zum Schluss der Veranstaltung warnten Industrievertreter, gestützt durch einen Unternehmensberater, bei Biosimilars den gleichen Fehler zu machen, wie beispielsweise bei generischen Antibiotika, nämlich die Preisspirale zu überdrehen. Bei den Generika habe das zu einer Abhängigkeit von wenigen Wirkstoffproduzenten in „Niedriglohnländern“ in Asien geführt, bei Biosimilars sei dann zu erwarten, dass Hersteller künftig nicht mehr in die acht bis zehn Jahre dauernde Entwicklung investieren oder sich in andere Märkte zurückziehen. Das Fazit: Mit den aktuellen Rahmenbedingungen lässt sich der Industrie zufolge in Europa mit biologischen Nachahmerpräparaten noch Geld verdienen, aber wesentlich schlechter dürfe es nicht werden, dann sei die EU als Produktionsstandort gefährdet.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.