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- 15.09.2019
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- Mein liebes Tagebuch
Auch wenn der Gesundheitsausschuss des Bundesrats pro Rx-Versandverbot votiert – man muss realistisch bleiben: Die Chancen, dass da noch etwas passiert, sind gering. Dagegen muss man genau hinschauen, wenn Spahn Arzneimittelautomaten für Versender einführen will – das muss verhindert werden! Beim Spahnschen Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch, das die Gleichpreisigkeit für GKV-Versicherte erhalten soll, hat die EU-Kommission bisher „keine negativen Signale“ gegeben. Mal abwarten, ob das so bleibt. Dennoch: Die Spahnsche Gleichpreisigkeit von heute ist die Apothekenkrise von morgen.
9. September 2019
Die von Spahn geplante Änderung der Apothekenbetriebsordnung hat es in sich: Es sollen u. a. automatisierte Ausgabestationen für Arzneimittel zugelassen werden, die den „besonderen Bedingungen der Versandapotheken Rechnung tragen“ sollen, d.h., diese Ausgabestationen müssen nicht mit den Betriebsräumen der Apotheke verbunden sein. Es gibt nur drei Voraussetzungen dafür: Sie dürfen erst vom Personal der Apotheke bestückt werden, wenn die Bestellung erfolgt ist, wenn eine Beratung (auch per Telekommunikation) stattgefunden hat und wenn bei Rx-Arzneimitteln die Verschreibung im Original geprüft, geändert und abgezeichnet worden ist. Mein liebes Tagebuch, wenn diese Regelung so kommt, dann ist das die Einladung für niederländische Apotheken: Macht hier in Deutschland doch bitte so hübsche Arzneimittelautomaten auf, aber ein bisschen cleverer als in Hüffenhardt. Nein, mein liebes Tagebuch, auch wenn der Verordnungsentwurf in seiner Begründung zwar meint, dass mit dieser Regelung automatisierte Ausgabestationen, wie es sie in Hüffenhardt gab, verhindert werden könnten – der vorliegende Entwurf wird das so nicht leisten können. Rechtsexperten prognostizieren, dass diese Bestimmung in dieser Form durchaus zu zahlreichen neuen Ausgabeautomaten von Versandapotheken führen kann. Auch die ABDA hat sich bereits gemeldet und findet, dass diese Regelung für Versandapotheken die Arzneimittelversorgung durch Präsenzapotheken in erheblicher Weise unterminiert. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrat sieht das ähnlich und fordert, den entsprechenden Passus für Versandapos im Verordnungsentwurf zu streichen. Richtig! Mein liebes Tagebuch, das gehört unbedingt zur Prioritätsstufe 1: Dieser Passus muss weg. Hoffen wir, dass sich der Bundesrat hier durchsetzen kann.
Eigentlich hatten wir mal gehofft, dass der uralte Zopf der Importförderung ein für alle Mal abgeschafft wird. Es sah sogar zwischenzeitlich recht gut aus, dass diese Forderung von der Politik aufgegriffen wird. Sogar Krankenkassenvertreter sahen in der Importförderung keine nennenswerten Einsparungen, aber eine Gefahrenquelle. Doch die Wirtschaftspolitik ließ sich von Importeuren und Importlobbyisten einlullen. Statt die Importförderung zu streichen, wurde sie mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) nur leicht modifiziert: Importeure jubeln, ihre Importe erleben ein Absatzplus. Hinzu kommt eine Unschärfe im Rahmenvertrag, die ebenfalls dazu beitragen dürfte, dass Importe abgegeben werden müssen. DAZ-Wirtschaftsexperte Müller-Bohn rechnete nach. Er kommt zu dem Schluss, es spreche viel dafür, dass die neue Importquote zumindest in einigen Apotheken durchaus zum vermehrten Absatz von Importen beiträgt. Mein liebes Tagebuch, wann endlich wird die Politik den Nonsens mit Importen einsehen und hier einen Schlussstrich ziehen? Importeure kaufen den Billiglohnländern die Arzneimittelbestände weg, sie karren sie quer durch Europa, packen sie hier um und bringen Packungen auf den Markt, die die Patienten verunsichern. Ganz zu schweigen von den Gefahren und der Verschwendung von Ressourcen. Und die Politik fördert das. Wie passt das in unsere Zeit! Gar nicht!
402.080 Unterschriften für das Rx-Versandverbot! Die Bundestagspetition des Pharmaziestudenten Benedikt Bühler hat diese Rekordzahl an Mitzeichnern erreicht – deutlich mehr als jede bislang durchgeführte Online-Petition beim Bundestag. Mannomann, mein liebes Tagebuch, was für ein Signal! Und dennoch, von Seiten der ABDA kommt dazu nichts. Irgendwann will man sich zwar hinter verschlossenen Türen mit Bühler treffen, aber das war’s dann auch schon. Und wie geht’s offiziell weiter? Bühler könnte nun die Möglichkeit bekommen, sein Anliegen in einer Sitzung des Petitionausschusses vorzutragen. Allerdings können sich die Mitglieder dieses Ausschusses auch gegen eine persönliche Anhörung aussprechen. Dennoch, diese Petition ist und bleibt ein starkes Signal. Bühler fordert nun, dass sich auch der Deutsche Apothekertag mit dem Rx-Versandverbot auseinandersetzt. Mein liebes Tagebuch, das wollen wir hoffen! Sollte der Apothekertag kein Wort übers Rx-Versandverbot verlieren, wäre dieses Verhalten an Überheblichkeit und Ignoranz nicht mehr zu übertreffen.
10. September 2019
Was man freilich sehen muss, mein liebes Tagebuch: Auch wenn der Gesundheitsausschuss des Bundestags sich mehr als deutlich pro Rx-Versandverbot ausspricht – die Hoffnungen, dass das Rx-Versandverbot dadurch noch eine reelle Chance bekommt, muss man leider als gering ansehen, wie eine politische Analyse auf DAZ.online zeigt. Denn die politischen Konstellationen in den Ländern werden es vermutlich verhindern, dass sich ein Bundesland auf eine gemeinsame Linie pro RxVV verständigt – und dies wäre die Voraussetzung, dass eine Stimmenmehrheit zustande kommt. Also, es ist mehr als bemerkenswert, dass es in den Ländern eine so starke Bewegung pro RxVV gibt – dass es letztlich nicht reichen wird, etwas zu ändern, ist mehr als schade, aber den demokratischen Spielregeln geschuldet. Was bleiben wird: Der sichtbare Wille und Ausdruck, dass nur ein RxVV eine echte Gleichpreisigkeit erhalten könnte. Wenn wir dann in fünf oder zehn Jahren vor dem Scherbenhaufen unseres Arzneimittelpreissystems stehen, dann mag der eine oder andere sich gerne an diesen Herbst erinnern… – wir hätten etwas bewegen können.
Schon klar, dass der Bundesverband Deutscher Versandapotheken zum RxVV eine andere Meinung hat. Er ist überzeugt: „Deutsche Bürger wollen Arzneimittelversand“. Er bezieht sich dabei auf eine Umfrage, wonach 68 Prozent der Deutschen den Arzneimittelversand begrüßen und sogar 80 Prozent der Ansicht sind, das der Versand die pharmazeutische Versorgung außerhalb der Ballungszentren erleichtern könne. Und natürlich finden 72 Prozent der Befragten die Rx-Boni gut (was, wie lustig, nur 72 Prozent?). Mein liebes Tagebuch, keiner kann und wird unseren Bürgerinnen und Bürgern den Versand von OTC-Arzneimitteln nehmen wollen. Es geht hier um Rx-Arzneimittel, die eine stärkere Beratung und Betreuung erfordern, die der Versand nicht leisten kann. Ganz abgesehen davon, dass der künftige Rx-Versand samt wachsweicher Gleichpreisigkeit unser Apothekensystem in der jetzigen Form schon bald verändern wird – mit negativen Folgen für die Arzneimittelversorgung. Das werden nicht nur die Vor-Ort-Apotheken zu spüren bekommen, sondern auch die Versender.
11. September 2019
Der Bundesgesundheitsminister möchte das Rx-Boni-Verbot vom Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetz verschieben. Er verspricht sich davon die Möglichkeit, die Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel auch weiterhin zu erhalten, auch wenn sie dann nur für GKV-Versicherte gilt. Und diese Verankerung des Rx-Boni-Verbots im Sozialrecht soll auch vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils Bestand haben, das von Deutschland verlangt, dass die Rx-Preisbindung für EU-Versender aufgegeben werden muss. Juristen und Rechtsexperten sehen diese Verschiebung mehr als kritisch, sie meinen, sie könnte wohl von der EU-Kommission gekippt werden. Mittlerweile haben erste Gespräche zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission dazu stattgefunden. Ein erster Tenor: Besser gelaufen als gedacht. Es soll bezüglich der Verschiebung des Rx-Boni-Verbots ins Sozialgesetzbuch zunächst „keine negativen Signale“ aus Brüssel gegeben haben. Gemach, gemach, mein liebes Tagebuch, noch ist nichts in trockenen Tüchern. Die Gespräche werden fortgesetzt und außerdem könnte es neue Ansichten der Kommission dazu geben, wenn die neuen EU-Gesundheits- und Binnenmarktskommissarinnen ihre Stelle angetreten haben. Das Tauziehen bleibt uns noch ein paar Wochen erhalten. Da kann es noch Überraschungen geben. Meine Prognose: Die Spahnsche Gleichpreisigkeit von heute ist die Apothekenkrise von morgen.
12. September 2019
Das war eine Frechheit sondersgleichen: Das Bundesgesundheitsministerium machte auf seiner Internetseite Werbung für die ärztliche Videosprechstunde und für die Einführung des E-Rezepts. Die Patientinnen und Patienten könnten dann in Zukunft ihre E-Rezepte, so hieß es, „in einer Online-Apotheke Ihrer Wahl einlösen“, und weiter: „Die Arzneimittel kommen dann direkt zu Ihnen nach Hause. Das spart Zeit und Wege. Und macht vor allem die Behandlung mit Arzneimitteln sicherer“. Unglaublich, welche Ignoranten erstellen solche Texte? Erst einen Absatz später weist der Text daraufhin, dass digitale Verordnungen, die man in Zukunft bei einem „normalen“ Arztbesuch erhält, auch in einer Vor-Ort-Apotheke einlösen kann. Mein liebes Tagebuch, immerhin hat hier die ABDA sofort reagiert, sie hält diesen Text nicht für tragbar und intervenierte beim BMG. Mit Wirkung. Mittlerweile hat das Ministerium den Text geändert: Online-Apotheken kommen darin gar nicht mehr vor, stattdessen wird auf die Botendienste der Vor-Ort-Apotheken hingewiesen: „Wenn Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Ihnen dabei ein Medikament verschreibt, erhalten Sie ein E-Rezept, das Sie in einer Apotheke Ihrer Wahl einlösen können. Die Arzneimittel kommen dann direkt per Botendienst zu Ihnen nach Hause. Das spart Zeit und Wege. Und macht vor allem die Behandlung mit Arzneimitteln sicherer.“ Mein liebes Tagebuch, irgendwie hat man das Gefühl, dass die Textschreiber beim BMG immer noch nicht recht wissen, wie das alles abläuft. Denn gleich vom Botendienst zu sprechen mit dem anschließenden Hinweis, dass dadurch die Behandlung mit Arzneimitteln sicherer werde, ist schräg daneben. An erster Stelle sollte doch darauf hingewiesen, dass die Patienten und Patientinnen ein E-Rezept in ihrer Vor-Ort-Apotheke persönlich einlösen können. Ach ja, mein liebes Tagebuch, ist schon alles sehr kompliziert für die BMG-Texter, oder? Da ist noch viel, viel Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung notwendig, um die neuen Strukturen und Abläufe beim E-Rezept zu kommunizieren. Bleibt zu hoffen, dass die ABDA eine wirkungsvolle Kampagne dazu startet – und die Werbetafeln und Litfasssäulen nicht nur von DocMorris zugepflastert werden.
Demnächst wird die Arzneimittelverschreibungsverordnung geändert: Der verordnende Arzt soll auf allen Rezepten eine Dosierungsangabe oder einen Hinweis auf eine vorliegende schriftliche Gebrauchsanweisung oder einen Medikationsplan vermerken. Im Prinzip eine gute Regelung. Aber oje, mein liebes Tagebuch, da kommt was auf uns zu. Wetten, dass viele Ärzte diese Angaben „vergessen“? Und was ist dann? Müssen wir beim Arzt nachfragen? Dürfen wir die fehlenden Angaben selbst ergänzen? Freuen sich da schon jetzt die Kassen auf neue Retaxationen? Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats möchte hier Klarheit schaffen, er hat Änderungsvorschläge erarbeitet: Der Apotheker soll beispielsweise einen fehlenden Hinweis auf einen vorliegenden Medikationsplan oder eine vorhandene Dosierungsangabe auch ohne Rücksprache mit dem Arzt auf der Verschreibung selbständig heilen dürfen. Das würde Rückfragen beim Arzt und den Aufwand in der Apotheke reduzieren und das Retaxationsrisiko senken. Der Gesundheitsausschuss hat damit entsprechende ABDA-Forderungen aufgegriffen. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass hier noch die notwendigen Ergänzungen in die Verschreibungsverordnung aufgenommen werden. Denn sonst sind wir Apothekers wieder einmal die Dummen und müssen für die Fehler der Ärzte beim Ausstellen von Rezepten blechen. Das kann’s doch nicht sein!
13. September 2019
Das Bundeskabinett hat Ende August die PTA-Berufsreform beschlossen. Die Apothekengewerkschaft und der PTA-Berufsverband BVpta sind mit dem vorliegenden Gesetzentwurf so gar nicht zufrieden. An erster Stelle der Kritik steht die nicht geänderte Ausbildungsdauer, die nach wie vor nur zweieinhalb statt drei Jahre, wie von Adexa und BVpta gewünscht, beträgt. Der BVpta wehrt sich nun in einer Mitteilung an die Gesundheitsminister(innen) der Länder ausführlich gegen die derzeitige Version der Reform. Der Verband bemängelt u.a., dass der Kabinettsentwurf die erforderlichen Ausbildungsinhalte, die zu einem neuen Berufsbild führen sollen, nicht widerspiegele. Außerdem würden die Tätigkeiten, die der Apotheker zukünftig an PTA delegieren kann, nicht geregelt und, ja, die „unumgängliche Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren“ ist nicht vorgesehen. Mein liebes Tagebuch, die Kritik des BVpta ist durchaus nachvollziehbar. Die ABDA mag zwar dem Wunsch nach einer dreijährigen Ausbildung nicht folgen, aber zu den anderen Punkten könnte man durchaus eine Unterstützung erwarten: Es geht um Ausbildung der PTA – ohne die heute kaum noch eine Apotheke zu führen ist.
9 Kommentare
was mich interessieren würde:
von Jens Maier am 16.09.2019 um 14:54 Uhr
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"Und täglich grüßt das Murmeltier"
von Karsten Wurzer, kohlpharma am 16.09.2019 um 10:37 Uhr
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AW: Und täglich grüßt das kritische Murmeltier ...
von Christian Timme am 17.09.2019 um 7:25 Uhr
Nicht klatschen!
von Dr. Radman am 15.09.2019 um 13:06 Uhr
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AW: Nicht klatschen
von Conny am 15.09.2019 um 13:11 Uhr
AW: Nicht klatschen
von Wolf Wagner am 16.09.2019 um 7:39 Uhr
Kritische Fragen
von Conny am 15.09.2019 um 9:10 Uhr
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Schaut denn keiner in die Zukunft?
von Ulrich Ströh am 15.09.2019 um 8:21 Uhr
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Die Grünen
von Anita Peter am 15.09.2019 um 8:19 Uhr
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