Grippeimpfstoffe im TSVG - was hat sich geändert?
Sowohl die Grippeimpfstoffversorgung als auch die Vergütung für Apotheker wurden Anfang des Jahres mit dem TSVG erneuert. Die Große Koalition wollte so vermeiden, dass es erneut zu Engpässen kommt:
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hat auch die Grippeimpfstoffversorgung verändert – nach den Lieferengpässen des letzten Jahres hoffentlich hin zum Guten. Bisherige Meldungen zu bestellten Impfdosen ließen daran eigentlich keine Zweifel aufkommen, allerdings melden einzelne Apotheken nun bereits eine bis 30 Prozent gesteigerte Nachfrage gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Werden die Grippeimpfstoffe doch wieder knapp?
Erst kürzlich titelten DAZ.online und andere Medien: „Grippeimpfstoffe: Keine erneuten Engpässe erwartet.“ Quelle dieser Information war eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa. Diese hatte mit dem Apothekerverband Schleswig-Holstein gesprochen, der offenbar nicht mit Engpässen für die Grippesaison 2019/20 rechnet – auch wenn über den Verband weniger Impfdosen bestellt worden seien als im Vorjahr. Begründet wurde das vor allem mit der Zahl der durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) freigegebenen Impfdosen. Denn während für die Grippesaison 2018/19 nur rund 15,7 Millionen Grippeimpfstoffe freigegeben wurden, sind in diesem Jahr am 4. Oktober bundesweit schon rund 17 Millionen Dosen freigegeben gewesen.
Der letzte Grippewinter 2018/19 war durch Engpässe geprägt. Laut Daten des Marktforschungsinstitutes IQVIA (Februar 2019) wurden wohl auch 10 Prozent mehr Grippeimpfdosen abgerechnet als im Vorjahr. Was der Grund für die erhöhte Impfbereitschaft war, bleibt spekulativ. Zum einen könnte die schwere Grippewelle 2017/18, zum anderen die erstmalige generelle Erstattung der tetravalenten Vakzinen seitens der GKV (für die von der STIKO umrissene Indikationsgruppe) dazu beigetragen haben.
Allerdings war in der dpa-Meldung auch zu lesen, dass dem Apothekerverband Schleswig-Holstein keine konkreten Zahlen für das Bundesland vorliegen. Seit dem Frühjahr 2019 könnten Apotheken die Bestellungen der Ärzte nämlich direkt an die Hersteller weitergeben, so dass der Verband keine aussagekräftigen Zahlen mehr habe, sagte Geschäftsführer Thomas Friedrich vom Apothekerverband Schleswig-Holstein der dpa. Was Friedrich damit meint, wollte DAZ.online genauer wissen.
Hintergrund der Aussage sei das Inkrafttreten des TSVG (Terminservice- und Versorgungsgesetz) „mitten in der Vorbestellphase“ für die diesjährige Grippe-Saison gewesen, erklärte Friedrich gegenüber DAZ.online. Dadurch sei das Vertragsmodell, das der Verband zuvor „nach Berliner Vorbild“ für Hamburg und Schleswig-Holstein etabliert hatte, „diskreditiert und der ökonomischen Anreize beraubt“ worden. So sei es über den durch den Verband etablierten Weg zu etwa einem Drittel weniger Vorbestellungen gekommen. „Damit fehlen uns verlässliche Zahlen für Hochrechnungen“, so Friedrich.
Anhand der Zahl von GKV-Impfdosen und GKV-Versichterten erläuterte Friedrich aber, dass der Verband in Schleswig-Holstein die Impfzahlen im letzten Jahr sogar steigern konnte – trotz der bundesweiten Lieferengpässe: „Wir hatten in den letzten Jahren gemeinsam mit der federführenden AOK Nordwest für Schleswig-Holstein und dem Ersatzkassenlandesverband für Hamburg und den Kassenärztlichen Vereinigungen Hamburg und Schleswig-Holstein ein wirtschaftliches Vertragsmodell etabliert, über das wir eine hohe Versorgungssicherheit erreichen konnten.“
Grundlage sei eine Bestell- und Liefervereinbarung der wirtschaftenden Tochter (Apothekenwirtschaftsdienst GmbH) des Verbandes gewesen – mit der Firma Mylan. Für die diesjährige Saison sei es dem Verband sogar gelungen, mit allen drei marktrelevanten Herstellern (GSK, Mylan, Sanofi) entsprechende Verträge zu schließen. „Aber bereits in der Phase der Diskussion des TSVG-Entwurfes zeichnete sich ab, dass nicht alle beteiligten Firmen sich im gleichen Maße für den Erfolg unseres Modells einsetzten“, erläuterte Friedrich gegenüber DAZ.online. Und so habe der Verband im Vergleich zum Vorjahr nur etwa zwei Drittel der Bestellmengen des Vorjahres erreicht:
Ob das fehlende Drittel auf anderen Wegen kompensiert worden ist, entzieht sich unseren Kenntnissen. In der Startphase der aktuellen Saison melden einzelne Apotheken bereits eine bis 30 Prozent gesteigerte Nachfrage gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.“
Ob diese gesteigerte Nachfrage aber erneut zu Versorgungsengpässen in den Apotheken führen wird, ist derzeit allerdings noch nicht zu beantworten.
Im April hatte der Bundesrat das TSVG passieren lassen. Im Mai trat es in Kraft. Allerdings hatten die Länder deutliche Kritik am Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sowie den Regelungen zur Impfstoffversorgung geübt. Die Länder hielten es aus verschiedenen Gründen für ungeeignet und befürchteten für die Zukunft erneut erhebliche Schwierigkeiten bei der Versorgung. Sie forderten die Regierung auf, die getroffenen Regelungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Praxistauglichkeit schon für die kommende Saison zu prüfen und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.
Sowohl die Grippeimpfstoffversorgung als auch die Vergütung für Apotheker wurden Anfang des Jahres mit dem TSVG erneuert. Die Große Koalition wollte so vermeiden, dass es erneut zu Engpässen kommt:
Konkret wurde beispielsweise der neue Planungsprozess kritisiert – durch PEI, BfArM, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Hersteller. Die Länder sahen es kritisch, dass den Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV erstmals Aufgaben im Zusammenhang mit der Erhebung von geplanten Schutzimpfungen übertragen werden – diese hätten damit keinerlei Erfahrungen. Einfacher wäre es, wenn man sich an den Abrechnungsdaten und Vorjahreszahlen der Apotheken orientieren würde.
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