Arzneimittel-Lieferengpässe

Schmidt: So schlimm war es seit 30 Jahren nicht

Berlin - 18.10.2019, 12:54 Uhr

Die Lage ist unzumutbar. Das findet der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt mit Blick auf die Arzneimittel-Lieferengpässe. In der MDR-Sendung „Hauptsache Gesund“ äußerte er sich ausführlich. (m / Foto: Schelbert)

Die Lage ist unzumutbar. Das findet der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt mit Blick auf die Arzneimittel-Lieferengpässe. In der MDR-Sendung „Hauptsache Gesund“ äußerte er sich ausführlich. (m / Foto: Schelbert)


Irbesartan, Shingrix? Schmidt: Unzumutbar!

Der ABDA-Präsident wird mit einigen für Apotheker gut bekannten Lieferengpässen konfrontiert. Irbesartan zum Beispiel, das derzeit nur mit dem Originalpräparat Approvel beliefert werden kann. Schmidt dazu: „Bei Irbesartan ist aber nur noch das Original verfügbar. Man kann es vermeiden, indem man auf ein anderes Sartan wechselt, aber es ist wirklich sehr schwierig, eigentlich unzumutbar.“ Außerdem entstünden hohe Aufzahlungen für die Patienten. Nächstes Beispiel: Shingrix. Hier ist die Lage laut Schmidt auch aus medizinischen Gründen nicht vertretbar. „Das Schlimme ist: Die Leute sind angeimpft. Der Hersteller sagt: Innerhalb eines Jahres die zweite Impfung. Jetzt gibt es nichts. Verliert dann die erste Impfung ihre Wirkung? Muss ich von vorne anfangen? Unzumutbar.“

Im Beitrag folgt eine Erklärung dazu, warum insbesondere preisgünstige und häufig verordnete Arzneimittel wie Ibuprofen fehlen. Prof. Harald Schweim, ehemaliger Chef des BfArM, weist darauf hin, dass die Wirkstoffe und Hilfsstoffe teils aus der ganzen Welt zusammenkommen, um dann in einem Land in Fernost produziert zu werden. Auch die Abhängigkeit von Fernost bei Antibiotika wird angesprochen. Schweim malt ein düsteres Bild: „Stellen Sie sich vor, in China gibt es ein großes Erdbeben und die Firmen sind dadurch nicht lieferfähig. Dann haben wir ungefähr Vorräte für drei Monate in Europa und dann fangen die Menschen an zu sterben. Denn bevor wir in Europa eine neue Antibiotika-Produktion hochgezogen haben, vergehen Monate bis Jahre.“

Schließlich geht es um die neue Verpflichtung für Hersteller, den Patienten auf den Packungen mitzuteilen, wo das Arzneimittel produziert wurde. Schmidt findet diese Neuregelung „ganz nett“, den Patienten helfe sie aber nicht weiter. Den Patienten rät er daher, sich „daran zu gewöhnen“, dass ausgetauscht werde und nur „die Wirkstoffe zu betrachten“ und nicht das Aussehen der Packungen. Er fügt aber hinzu: „Wenn es denn überhaupt eine Alternative gibt.“

Aus politischer Sicht ist es dem ABDA-Präsidenten zufolge wichtig, die Produktion wieder zurück nach Europa zu holen. „In Europa müssen neue ökonomische und regulatorische Bedingungen geschaffen werden, damit die Pharmaindustrie wieder in Europa produziert. Da sagt die Pharmaindustrie: ,Das dauert zehn Jahre!‘ Kann ja sein, aber dann muss man irgendwann damit anfangen.“ Zum Engagement seiner Kollegen erklärt er: „Die Apotheken tun was sie können. Es macht uns viel Arbeit und es macht uns keinen Spaß.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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8 Kommentare

So schlimm war es seit ......?

von Heiko Barz am 22.10.2019 um 11:59 Uhr

Die Kurzsichtigkeit der KKassen, an vorderster Front ein Herr Herman der beliebten „Gesundheitskasse“ ( welch eine Farce) aus Baden-W. Ist die Triebfeder des derzeit erlebten AM-Chaos! Die KKassen haben mit ihrer durch den Staat geduldeten RabattAMpolitik diese absehbare UNHEIL heraufbeschworen. Die nur auf billigste Herstellungsverfahren beruhenden indischen und chinesischen Produzenten vieler der allgemein gebräuchlichen AM konnte ja auf Dauer nicht gut gehen, wie es Valsartan mit seiner Problematik bekannt machte.
„Billigsein“ und „Geiz ist Geil“ ist nun nicht gerade eine „feste Burg“ für Millionen von AM-Abhängigen pflichtversicherten Patienten, die mit Recht verlangen können, nicht nur ordentlich sondern auch medizinisch optimal versorgt zu werden. Mit Einführung dieser Art AM-Versorgung durch die unsägliche RabattAMStruktur seit 2004 wird diese Recht mit Füßen getreten mal abgesehen von den alles vernichtenden und rechtlich unmöglichen EU-Urteilen, die uns zwangsweise ohne erheblichen Widerstand aufoktroyiert wurden. Herr Bühler mag es mir verzeihen.
Herr Schmidt, ich bin seit über 50 Jahren Pharmazeut und glauben Sie mir, diesen „unnötigen“, weil berechenbaren Wahnsinn habe ich noch nie erlebt.

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Shinrix

von Kleiner Apotheker am 22.10.2019 um 10:43 Uhr

Zweite Impfung laut Datenbank nach 2-6 Monaten. Gibt es andere Informationen?

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valide Daten

von Andreas Seifert am 20.10.2019 um 14:41 Uhr

Warum existieren eigentlich keine Zahlen vom Großhandel?
Liegen deren Zahlen schon im 5-stelligem Bereich?
Da ich bei vielen Wirkstoffen bei meinen täglichen Onlineanfragen nur die Farbe Rot sehe, vermute ich, haben wir in Deutschland bei Einbeziehung aller PZN mindestens 10000-15000 Arzneimitteldefekte.

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MDR-Beitrag

von ED am 19.10.2019 um 10:53 Uhr

...noch nie habe ich Herrn Schmidt so überzeugend erlebt! Schade, dass er sich nicht immer so für unsere Interessen einsetzt.

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AW: MDR-Beitrag

von PiPaPo am 21.10.2019 um 10:07 Uhr

Sofortiger Rücktritt! Er hat mit Verantwortung. Die unhaltbaren Zustände sind auch sehenden Auges zustande gekommen. Wer so wenig Rückgrat zeigt, verteidigt nicht unsere und nicht die Kunden- Interessen. Also ADIEU!!

valide Daten

von Jan Kusterer am 19.10.2019 um 8:40 Uhr

Wir können jeden Tag in der Defektliste die Situation sehen, aber die öffentlichte Meinung will Fakten. ABDA, bitte sammelt Daten und präsentiert sie mit ausreichendem TamTam. Die Krankenkassen versuchen grad großformatig ihre Schuld von sich zu weisen. Das dürfen wir nicht durchgehen lassen.

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Ach so (II)

von J.M.L. am 18.10.2019 um 18:42 Uhr

"Die Lage ist unzumutbar" ... auch ich dachte beim Lesen erst an die Gesamtlage der öffentlichen Apotheken in Deutschland und unsere Zukunftsaussichten ... dagegen sind die im Vergleich - zugegebenermaßen katastrophalen - Lieferengpässe eher Peanuts ...

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Ach so

von Anita Peter am 18.10.2019 um 13:30 Uhr

"So schlimm war es seit 30 Jahren nicht"

Zuerst dachte ich, er meint die Arbeitsqualität der ABDA.

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