- DAZ.online
- News
- Politik
- Schweizer Klinikapotheker...
Arzneimittel-Lieferengpässe
Schweizer Klinikapotheker fürchten Exportverbot in Deutschland
Oxytocin für Kühe als Alternative
In einem Interview in der September-Ausgabe des „Amedis-Journals“ schildert Martinelli ein weiteres drastisches Beispiel aus der Praxis: Im letzten Jahr sei vor Weihnachten das Wehenmittel Syntocinon® mit dem Wirkstoff Oxytocin nicht mehr lieferbar gewesen. Mancherorts sei man in der Not auf das Veterinärpräparat umgestiegen. „Stellen Sie sich einmal diese Situation vor“, sagt er in dem Interview. „Sie müssen zu einer Frau gehen, die am Gebären ist und ihr erklären, dass das Wehenmittel für Menschen nicht lieferbar ist, stattdessen bekommt sie nun das Mittel für Kühe.“
In der Not Präparate „gestreckt“
Seine Krankenhausapotheke habe sich das Humanarzneimittel zum Glück im Ausland besorgen können. Dafür habe aber ein Kollege mit dem Auto nach Frankreich fahren müssen, um dort ein paar Packungen abzuholen. Zwischenzeitlich habe man die vorhandenen Ampullen „gestreckt“ und aus einer jeweils zwei Fertigspritzen gemacht. So sei aus einer Ampulle, die normalerweise einen Franken kostet, ein Medikament von 10 Franken geworden. Unter dem Strich rechnet der Schweizer „Lieferengpass-Experte“ mit einigen zehn Millionen, wenn nicht über 100 Millionen Franken an Mehrkosten durch die Verknappungen. Die zuständigen Bundesämter könnten auf Anfrage nicht sagen, wie teuer die Medikamentenengpässe sind, schreibt das SRF.
Wer bekommt bei Engpässen etwas vom Kuchen und wer nicht?
Martinelli versucht in dem Interview auch zu erklären, wieso die Schweiz Probleme haben könnten, sich verknappte Wirkstoffe zu beschaffen. Er spricht von dem Verteilungskampf, der in solchen Situationen entstehe. Zuerst kämen diejenigen dran, bei denen sich der größte Erlös erwirtschaften lasse, das heißt große Länder mit viel Umsatz oder mit hohen Medikamentenpreisen. Bei der Ländergröße könne die Schweiz jedoch nicht mithalten, allenfalls bei den hohen Preisen.
Exportverbot in Deutschland befürchtet
Die Schweizer treibt aber noch eine andere große Sorge um. Martinelli verweist darauf, dass immer mehr Länder versuchten, zur Bekämpfung von Versorgungsengpässen im eigenen Lande Exportverbote zu verhängen, wie zum Beispiel Belgien. In Belgien war ein solches Verbot eingeführt, dann aber gerichtlich verboten worden. Allerdings plant derzeit auch Österreich eine solche Einschränkung. Nun hat der Krankenhausapotheker mitbekommen, dass es auch in Deutschland Forderungen nach einem ein Exportverbot gebe.
Konkret bezieht er sich dabei auf eine Äußerung von Fritz Becker, Präsident des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg. Becker hatte ein Exportverbot auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag (DAT) als „eine weitere, wirkungsvolle Maßnahme“, um Lieferengpässe nicht zu Versorgungsengpässen werden zu lassen, bezeichnet. Becker liegt damit auf einer Linie wie die Unionsfraktion: CDU/CSU im Bundestag hatten kürzlich ein Positionspapier zu Lieferengpässen beschlossen, in dem die Exportverbote unter gewissen Umständen gefordert werden.
Mehr zum Thema
Eröffnung der Expopharm
Becker: „Der Bundesratsbeschluss hat nur empfehlenden Charakter“
„Wenn das passiert, haben wir ein Problem“, stellt der Schweizer Klinikapotheker Martinelli fest. „Trotz Therapieumstellungen und Anpassungen sind wir bereits heute von Importen aus Deutschland abhängig.“
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.