Interview mit AOK-Expertinnen Richard/Beckmann

„Automatisierte Ausgabestationen sind besser als Rezept-Briefkästen“

Berlin - 06.11.2019, 07:00 Uhr

Sabine Richard (li.) und Sabine Beckmann (Apothekerin) sind im AOK-Bundesverband für Versorgungs- und Arzneimittelthemen zuständig. Im Interview mit DAZ.online gehen sie auf Fragen ein, die aus einem längeren Aufsatz zum Apothekenmarkt entstanden sind. (c / Foto: AOK-BV)

Sabine Richard (li.) und Sabine Beckmann (Apothekerin) sind im AOK-Bundesverband für Versorgungs- und Arzneimittelthemen zuständig. Im Interview mit DAZ.online gehen sie auf Fragen ein, die aus einem längeren Aufsatz zum Apothekenmarkt entstanden sind. (c / Foto: AOK-BV)


Ist DocMorris eine Apotheke?

DAZ.online: Sie schreiben auch „Die persönliche fachkundige Beratung gewährleistete eine Videoschaltung in die Stammapotheke im niederländischen Heerlen.“ Ist DocMorris für die AOK eine Apotheke?

Beckmann: Nach den gesetzlichen Regelungen ist DocMorris eine Apotheke. Entsprechendes wird über die „Länderliste“ des Bundesgesundheitsministeriums konkretisiert. Danach darf aus den Niederlanden ein Arzneimittelversand nach Deutschland erfolgen, wenn neben der Versandapotheke eine Präsenzapotheke unterhalten wird.

DAZ.online: Aber die Länderliste ist doch eher ein Argument GEGEN die Belieferung von DocMorris. Schließlich ist dort die Pflicht einer Präsenzapotheke vorgegeben. Haben Sie die DocMorris-Präsenzapotheke jemals gesehen?

Richard: Die Frage, ob DocMorris die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, wird nicht von uns entschieden. Solange DocMorris als Versandapotheke nach Deutschland liefern darf, gehen wir davon aus, dass sie die rechtlichen Vorgaben erfüllt. Ihre Frage geht aber vom Thema weg: Für den Patienten am Ausgabeautomat ist es doch nicht entscheidend, wie Räume in Heerlen aussehen, sondern ob er hier vor Ort die Chance hat, von einer pharmazeutischen Fachkraft beraten zu werden.

Mehr zum Thema

DAZ.online: Sie werben auch für die konsequentere Umsetzung und Beachtung des Honorargutachtens aus dem BMWi und behaupten, dass die Apotheken laut Gutachten nicht gefährdet sind. Allerdings weisen selbst die Gutachter darauf hin, dass es 7600 Apotheken wirtschaftlich schlecht geht. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?

Richard: Die ABDA und die AOK bewerten das Gutachten grundsätzlich sehr unterschiedlich. Das haben wir in der Vergangenheit ausführlich diskutiert und werden uns hier und jetzt sicherlich nicht einig. Zur ganzen Wahrheit des Gutachtens gehört jedoch die Botschaft, dass die Apothekenversorgung als Ganzes nicht gefährdet ist. Kritischere Entwicklungen betreffen überwiegend Apotheken in wettbewerbsstarken Ballungsräumen und nicht den Apothekenmarkt insgesamt.

DAZ.online: Weiterhin behaupten Sie, dass eine Beschränkung des Versandhandels ein Problem für die Versorgung wäre. Welches Interesse haben die Krankenkassen an einer Stärkung des Versandhandels und insbesondere an einer Bevorteilung des multinationalen Konzerns DocMorris?

Beckmann: Wir haben kein Interesse an einer Stärkung des Versandhandels, aber im Sinne der Patientinnen und Patienten an seinem Fortbestehen. In unserem Artikel erläutern wir mehrfach den Zusammenhang zwischen dem existierenden Fachkräftemangel und einer nötigen Strukturveränderung der Apotheken, um die Arzneimittelversorgung in der Fläche zu sichern. Dabei sehen wir den in- und ausländischen Versandhandel als eine sinnvolle Versorgungsoption, insbesondere in Regionen, in denen der Weg zur nächsten Apotheke weit ist. Im Übrigen kam auch das Gutachten des BMWi zu dem Ergebnis, dass aus der Sicht einer flächendeckenden Versorgung Botendienste von Vor-Ort-Apotheken und Lieferungen von Versandapotheken effiziente ergänzende Versorgungsformen der Bevölkerung in der Fläche sind.

Richard: Nochmal klargestellt: Uns liegt die Versorgung der Versicherten am Herzen und nicht die Verbesserung von Marktchancen eines Anbieters oder Marktsegments. Dabei haben wir überhaupt kein Interesse an einer Bevorteilung ausländischer Versandapotheken – im Gegenteil: Bekanntlich bewerten wir die gelebte Praxis ausländischer Versandapotheken kritisch, Boni zu gewähren: Schließlich handelt es sich bei den an die Patienten ausgeschütteten Geldern um Mittel der Solidargemeinschaft. Darauf haben wir schon des Öfteren hingewiesen. Insofern ist Ihre zugespitzte Interpretation für uns nicht nachvollziehbar.

Vor dem Hintergrund, dass Anbieter wie DocMorris bekanntlich auf Dauer nicht aus dem deutschen Markt ausgeschlossen werden können, könnten unsere Reformüberlegungen Ansatzpunkte für konkurrenzfähige Angebote gerade von Vor-Ort-Apotheken für eine zukunftsfähige flächendeckende Versorgung bieten. Nochmal: Es geht uns überhaupt nicht darum, die vollversorgenden Apotheken abzulösen, sondern durch Regelungsöffnungen die Möglichkeiten für Präsenzangebote für die Versicherten zu verbessern. Unsere Vorschläge zu neuen Betriebsformen sind eine Alternative zur bisherigen Versorgung, wenn in der Region keine vollversorgende Apotheke mehr vorhanden ist. Unter welchen Bedingungen diese ergänzenden Betriebsformen statthaft wären, wäre durch entsprechende Regelungen zu konkretisieren.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


8 Kommentare

GKV

von Köhler H. am 06.11.2019 um 13:51 Uhr

Die Henne und das Ei - was war nochmal zuerst? Dieses Profilierungsgehabe von selbsternannten Fachleuten erlebt man doch leider ständig, zuerst werden Strukturen zerstört, dann taucht urplötzlich ein Problem auf, um dann mit genialen und digitalisierten Spitzenideen um die Ecke zu kommen. Nach 1,2,3 etc. Jahren stellen Alle ganz verwundert fest, das der Status Quo von Einst doch ganz gut funktioiert hat.
Diese Statements sind doch geschenkt!
Im Speziellen noch zu einem Statement, "man müsse doch als AOK davon ausgehen, das der niederländische Versandhänder schon rechtens ist" - klar, wenns zum Wohle der Patientinnen und Patienten Geld spart ??? So einfach ist das mittlerweile!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Versuch

von Hubert Kaps am 06.11.2019 um 13:27 Uhr

Es ist zu begrüßen, dass die DAZ versucht, hier in eine tiefergehende Diskussion mit den beiden KK-Vertreterinnen einzutreten. Es bleibt aber dabei; das Unverständnis seitens der Kassen ist maximal.
Die beiden würden ganz anders reden, wenn ihr Gehalt seit 15 Jahren unter Inflationsausgleich stagnieren würde.
Die beiden würden ganz anders reden, wenn im Fall eines Formfehlers (analog zur Retax) in einer Publikation mal eben ein Monatsgehalt gestrichen werden würde.
Die beiden würden ganz anders reden, wenn Krankenkassen aus dem europ. Ausland mit Billigangeboten, der deutschen Rechtsaufsicht entzogen, um Patienten werben würden.
Die beiden würden ganz anders reden, wenn man endlich mal die Wasserköpfe in den KK- Verwaltungen thematisieren würde.
Die Wahrheit ist: Seit über einem Jahrzeht werden wir sturmreif geschossen, wir führen ein riesiges Rückzugsgefecht, die multinationalen Konzerne ohne Interesse an gewachsenen Vor-Ort Strukturen werden freundlich toleriert statt die mit ihnen drohenden Verwerfungen in der AM-Distribution zu thematisieren.
Man genießt gleichzeitig den heilberuflichen Einsatz der inhabergeführten Apotheke, wissend, dass hier ein rein betriebswirtschaftlicher Ansatz (wie ihn die Konzerne betreiben) meist nicht möglich ist. Der hier erbrachte Mehrwert wird gerne mitgenommen und mitnichten bezahlt. Für so vieles, was wir täglich leisten, sollte man uns mit Geld überschütten, aber lieber fließt das Geld in Wasserköpfe und Werbeetats. (Was hat der Brutalosport Handball mit einer Krankenkasse zu tun?)
Es wäre damals ein Zeichen gewesen, als das mit dem EuGH losging, dass man von Seiten der Kassen die Holländer mal nur unter Vorbehalt bezahlt ( Nichteinhaltung des Liefervertrags, Gewährung von geldwerten Vorteilen letztlich zulasten der Solidargemeinschaft). Logischerweise fand sich natürlich ein passender Jurist, der sinngemäß sagte, dass die Holänder alles dürfen. In diesem Sinn, es gäbe sehr viel zu diskutieren. Die zwei Damen sollten den Mut haben, sich einer offenen Diskussion zu stellen, gerne auf dem nächsten Apothekertag.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Zwei Fachmänninen

von Roland Mückschel am 06.11.2019 um 12:25 Uhr

Ach ich könnte Euch beide knuddeln und küssen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

AOK,s

von Ruf Tatjana am 06.11.2019 um 10:07 Uhr

Wie gut AOK um Wohl seine Versicherten kümmern? Dies erlebe ich bereits 5 Jahren. So lange ich gesund gewesen, schwer gearbeitet habe, als Alleinerziehende Mutter mit 3 Kindern ,war ich so zusagen rentabel (gedultet). Meine Horor-Leben hat angefangen zusammen mit meine schwere Depression ab Oktober 2014J. AOK zahlt mir Krankengeld in die Höhe von 540 Euro netto monatlich von meine Nettoeinkommen von meine Nettoeinkommen in die Höhe von 1750 Euro. Sie fälschen sogar mein Löhn für Oktober 2014J und dem entsprächen reduzieren Krankengeld. Diese 10 Monaten falsche Angaben ,weigert sich AOK und Rentenversicherung auskorregieren. An Stelle Bruttoentgelt in die Höhe von 2172 Euro, hat AOK an Rentenversicherung nur 927 Euro Brutto übermittelt. Für 10 Monaten entstanden mir große Nachteile bei Erwerbsminderungsrente. AOK um seine skrupellose Sparmaßnahmen gehen über die Leichen. Sooo kümmert sich AOK um Wohl seine Versicherten. Tatjana Ruf Danke

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Jaja, die netten Damen von der AOK-Raststätte...

von Murat Baskur am 06.11.2019 um 8:30 Uhr

wenn die Versorgung Ihrer Patienten im Vordergrund stünde, würden sich die beiden Damen vielleicht einmal mal um die Rabattvertragsmisere und die Lieferengpässe (nein: Lieferausfälle) kümmern. Stattdessen bedienen Sie im Ausgangsartikel Stammtischparolen und weichen im Interview oben aus.
Da Sie ja u.a. die minimale Steigerung der Notdienstvergütung kritisieren (Kann denn niemand bei den Allgemeinen Ortskrakenkassen rechnen? Eine Vollkostenanalyse eines Notdienstes sollte für die teuren Spezialisten doch möglich sein?!), sollte man den Notdienst vielleicht einfach mal bundesweit einige Wochen einstellen, damit die "Wertigkeit" ein wenig ins Bewusstsein rückt... oder alle Apotheken schließen einfach einmal eine Woche und lediglich die notdiensthabende versorgt Notfälle?! Möglichkeiten, den beiden Damen die Augen zu öffnen, gäbe es genügend.

Eine Frage, liebe Redaktion, vermisse ich oben: weshalb benötigen die knapp über 100 gesetzlichen Krakenkassen mehr als 10 Mrd. Euro für gerade mal Ihren eigenen Unterhalt und die Verwaltung von Versichertengeldern?
Wie auf wundersame Weise benötigen die abertausenden Vor-Ort-und-Filial-Kettchen-Apotheken für die Komplettversorgung der deutschen Patienten gerade einmal die Hälfte... wie kann das nur sein? Horten die Krakenkassen Goldbarren im Keller? Sind die Mitarbeiter komplett überbezahlt? Fragen über Fragen angesichts einer solchen Verschwendung von Versichertengeldern!

Richtig peinlich ist jedoch, dass im G+G-Ausgangsartikeln sämtliche Kommentare "weg" sind. Gelöscht? Zensiert? Unerwünscht?
Peinlich.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Jaja, die netten Damen von der AOK-

von Roland Mückschel am 06.11.2019 um 9:43 Uhr

Die sind überbezahlt.

AW: Jaja, die netten Damen von der AOK-

von Hermann Eiken am 06.11.2019 um 13:17 Uhr

Die Damen sollten mal über IHRE ureigensten Aufgaben nachdenken und sich nicht soviel um den staatlichen Auftrag der Apotheken sorgen. Das können wir besser selber, denn wir haben mehr Ahnung davon!
Die AOK nennt sich gerne "Gesundheitskasse". Sie möchte wohl gerne nur Gesunde versichern und verfehlt damit ihre Grundaufgabe, nämlich als KRANKEN-kasse zu fungieren.
Meine Damen,gehen Sie bitte in sich und reflektieren Sie IHREN Auftrag,-- anstatt die Apotheken in Frage zu stellen und zu diffamieren! --So schaffen Sie mit Ihrem unverantwortlichen Gerede die sinnvolle ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung ab!

GKV

von Anita Peter am 06.11.2019 um 8:17 Uhr

Wann werden endlich die Schutzzäune für die deutsche GKV abgebaut? Wann werden europäische Versicherer, bevorzugt Online-Versicherer, zugelassen? Diese dürfen dann mit Boni um sich werfen, weil sie sich die jungen, gesunden Patienten rauspicken dürfen, und keine teuren Prunkbauten vor Ort brauchen. An deutsche Gesetze müssen sich die ausländischen Versicherer nämlich nicht halten.
Der deutsche Kunde könnte hier sehr viel mehr sparen als die 2 Euro bei einem RX Präparat.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.