Wachablösung im Onkologiemarkt

Roche als größter Verlierer

Remagen - 06.11.2019, 12:00 Uhr

Schwimmen Roche die Felle in der Onkologie davon? Prognosen deuten darauf hin. (m / Foto: imago images / Geisser)

Schwimmen Roche die Felle in der Onkologie davon? Prognosen deuten darauf hin. (m / Foto: imago images / Geisser)


Roches langjährige „Herrschaft“ über den Onkologiemarkt geht zu Ende. Dies berichtet das Marktforschungsunternehmen EvaluatePharma. Schon in absehbarer Zeit könnte Roche seine Spitzenposition an das neu fusionierte Unternehmen Bristol-Myers Squelgene verlieren. Insgesamt wird in den nächsten Jahren mit einer stärkeren Fragmentierung des Marktes gerechnet.

Keine guten Aussichten für den Pharmariesen Roche. Laut Prognosen des Marktforschungsunternehmens EvaluatePharma werden die Onkologieumsätze des Baseler Konzerns zwar in diesem Jahr mit 29 Milliarden US-Dollar ihren Höhepunkt erreichen, jedoch seien die Umsätze mit Herceptin® (Trastuzumab) , Avastin® (Bevacizumab) und MabThera® (Rituximab) rückläufig. Angesichts der Tatsache, dass diese drei nach Angaben von EvaluatePharma in diesem Jahr mit einen Umsatz von fast 20 Mrd. US-Dollar zwei Drittel des gesamten Onkologie-Umsatzes von Roche erzielen, wäre dies ein herber Schlag ins Kontor. Auch in der neuen Welt der Immunonkologie habe der Konzern nicht mithalten können. Als Begründung für den Abwärtstrend geben die Marktforscher an, dass das Unternehmen es versäumt habe, sein „riesiges Antikörper-Franchise“ zu ersetzen. Gleichzeitig habe die Konkurrenz mit Geschäftsabschlüssen und klinischen Erfolgen punkten können. 

Bristol-Myers Squelgene rückt Roche auf die Pelle

Unter den Top Ten (Bristol-Myers Squibb, Roche, Merck & Co., AstraZeneca, Pfizer, Johnson & Johnson, Novartis, AbbVie, Astellas Pharma und Eli Lilly) seien mehrere Firmen auf dem Vormarsch, allen voran Bristol-Myers Squibb, das mit der endgültigen Übernahme von Celgene wahrscheinlich auf Platz eins katapultiert werde. Den Abschluss der Celgene-Übernahme erwartet Bristol-Myers laut Handelsblatt Ende 2019. Mit einem Transaktionswert von rund 89 Milliarden Dollar wäre dies die größte jemals in der Pharmabranche getätigte Übernahme.

Nach Konsensprognosen von EvaluatePharma sollen die Onkologie-Umsätze von Bristol ab 2020 bis mindestens 2024 die von Roche übertreffen. Die neue Gruppe Bristol-Myers Squelgene sei auch auf dem besten Weg, den jährlichen Umsatz mit Krebsmedikamenten zwischen 2021 und 2023 auf über 30 Mrd. US-Dollar zu steigern. Es wäre das erste Mal, dass ein Unternehmen diese Barriere durchbreche.

AstraZeneca und der Trastuzumab-Deruxtecan-Deal

Auch AstraZeneca soll in den kommenden Jahren stark wachsen. Für die Hauptwachstumstreiber des Unternehmens hält das Marktforschungsunternehmen die zielgerichteten kleinen Moleküle Tagrisso® (Osimertinib) und Lynparza® (Olaparib) und den Anti-PD-L1-Antikörper Imfinzi® (Durvalumab), aber auch das Blutkrebsmedikament Calquence® (Acalabrutinib) und das Anti-Her2-Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (AWK) Trastuzumab-Deruxtecan werden hoch bewertet. Astra hatte von Daiichi Sankyo Anfang dieses Jahres mit einem Riesen-Deal anteilige Entwicklungs-und Vermarktungsrechte an dem AWK gekauft. Die FDA soll im zweiten Quartal 2020 über eine beschleunigte Zulassung entscheiden. 

Zumindest nach Sellside-Prognosen gelte Trastuzumab-Deruxtecan, das derzeit für die Behandlung von Patienten mit multiplen HER2-exprimierenden Krebsarten, darunter Brust-und Magenkrebs, entwickelt wird, als das „wertvollste F&E-Projekt in der Onkologie“. Die Prognosen beliefen sich bis 2024 auf einen Umsatz von „unglaublichen“ 2,7 Milliarden US-Dollar.

Stärkere Fragmentierung zu erwarten

Als weiteren interessanten Aspekt beschreiben die Marktforscher die Entwicklung bei den Marktanteilen. In den Jahren 2010 und 2018 gab es jeweils sechs Unternehmen mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent am Markt, jedoch waren die Akteure und das Ranking nicht immer gleich verteilt. Die dramatischsten Verluste an Marktanteilen offenbarten sich bei Roche, im Jahr 2010 mit 33,3 Prozent, der bei weitem unangefochtene Platzhirsch. 2010 sank der Anteil bereits auf 22,5 Prozent und für 2024 werden nur noch knapp 11 Prozent Anteil am Onkologiemarkt prognostiziert. 

Novartis, in 2010 mit 10,6 Prozent noch auf Platz 2 und 2018 auf Platz vier, soll es laut EvaluatePharma in 2024 eventuell gar nicht mehr in die Sechsergruppe schaffen. Als weiterer Aufsteiger in der Rangliste wird Merck & Co. genannt. Vor 2017 sei der US-Pharmariese nicht einmal unter den Top 10 gewesen. Nun spiele es sicher in der großen Liga mit, einzig und allein dank des Immunonkologikums Keytruda® (Pembrolizumab).

Parallel zu dem „Gerangel auf den oberen Rängen, sind die Marktanteile der Unternehmen mit einem Anteil von unter fünf Prozent am Onkologikamarkt zwischen 2010 und 2018 von 32 auf rund 38 Prozent geklettert. Für 2024 peilt das Marktforschungsunternehmen knapp über 52 Prozent an, was auf eine stärkere Fragmentierung des Marktes in den nächsten Jahren hindeute. Die boomende Welt der Onkologie werde in den kommenden Jahren „alles andere als ruhig sein“, so das Fazit.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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