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- Was ist dran an Glycowohl...
Glycowohl, eine als Homöopathikum zugelassene Urtinktur aus den Früchten des Jambulbaums, soll – so wird es zumindest beworben – unter anderem den Blutzuckerspiegel senken, die Betazellen der Bauchspeicheldrüse schützen und eine ideale Ergänzung für die Therapie eines Typ-2-Diabetes sein. Patienten sollen einen aus drei Fragen bestehenden Prä-Diabetes-Test machen und gegebenenfalls in der Apotheke nach Glycowohl fragen – damit sie keinen Diabetes bekommen. Doch gibt die Datenlage das her?
Glycowohl®, vertrieben von der Firma Heilpflanzenwohl GmbH, ist als homöopathisches Arzneimittel zugelassen. Das Präparat enthält laut Deklaration eine Urtinktur in Form eines alkoholischen Extraktes von Syzygium cumini, den Früchten des Jambulbaums, hergestellt nach den Vorschriften des Homöopathischen Arzneibuchs. Für diesen in Südostasien beheimateten Baum wird seit mehr als 100 Jahren eine antidiabetische Wirkung diskutiert. Laut Zulassung leiten sich die Anwendungsgebiete von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu zählt die Verwendung als Zusatzmittel bei Zuckerkrankheit.
Glycowohl® ist ein Altarzneimittel, das bereits vor 1976 auf dem Markt war, (damals unter der Harras Pharma Curarina Arzneimittel GmbH). Bis 2018 wurde kein homöopathisches Arzneimittel durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, Nachfolgeinstitut des Arzneimittelinstituts des Bundesgesundheitsamtes) zugelassen, bei dem sich der Antragsteller auf eine zum Beleg der Wirksamkeit geeignete Studie berufen hätte. Das betrifft auch Glycowohl®. In der Werbung wird Glycowohl® aber als modernes, vom BfArM zugelassenes Phytotherapeutikum präsentiert. Allerdings ist es kein Phytotherapeutikum nach dem Arzneimittelgesetz, sondern ein homöopathisches Arzneimittel.
Hier geht's zu den Studien und zum Artikel in voller Länge:
Werbung zu Glycowohl® für Diabetiker und „Prä“-Diabetiker lässt aufhorchen
„Damit auch Sie keinen Diabetes bekommen!“
In der Glycowohl®-Werbung wird behauptet, dass zur Diabetes-Vorbeugung Extrakte aus dem Jambulbaum natürliche Hilfe leisten können: Die Wirkstoffe der Pflanze sollen eine einzigartige Doppelwirkung haben, indem sie bei Typ-2-Diabetes sanft und sicher den Blutzuckerspiegel senken und so langfristig den HbA1c-Wert verbessern sowie die empfindlichen Zellen der Bauchspeicheldrüse schützen. Als Beleg für diese Aussagen werden Tier- und In-vitro-Studien von Vikrant, Syama und Mandal angeführt. Keine der immer wieder als Beleg für die Wirksamkeit angeführten Tier- und In-vitro- Studien liefert allerdings mehr als Hinweise, dass einige Inhaltsstoffe von Syzygium cumini in hoher Dosierung den Glucose-Stoffwechsel beeinflussen beziehungsweise die toxische Wirkung von Streptozotocin auf das Pankreas – im Tiermodell lässt sich durch Streptozotocin Diabetes mellitus auslösen – hemmen können. Dabei ist anzumerken, dass die in den Studien verwendeten Extrakte weder in der Herstellung und dem Droge-Extrakt-Verhältnis noch der Dosierung der homöopathischen Urtinktur entsprechen.
Neue Indikation „Prä-Diabetes“
In neueren Werbeformaten wird eine Masterarbeit als Beleg für die Wirksamkeit von Syzygium cumini aufgeführt. Diese Studie, doppelblind-randomisiert durchgeführt, sollte die Wirksamkeit von Syzygium cumini bei Diabetes mellitus Typ 2 nachweisen. Patienten, die unter Metformin-Therapie einen HbA1c-Wert > 7 Prozent hatten, wurden zwölf Wochen lang zusätzlich mit Syzygium cumini behandelt. Elf Patienten erhielten die Urtinktur und 13 eine homöopathische Verdünnung. Weder für die Urtinktur noch für die homöopathische Verdünnung lässt sich aus dieser Studie eine Wirksamkeit der Urtinktur von Syzygium cumini ableiten.
Neben den bislang vorgestellten Studien gibt es weitere Untersuchungen, die eine Wirkung von Syzygium cumini auf einen erhöhten Blutglucosespiegel nahelegen. Die wirksamen täglichen Dosierungen waren jedoch sehr hoch und weit entfernt von der Dosis, die mit der Urtinktur in Glycowohl® verabreicht wird.
Leser der Anzeige sollen „Prä-Diabetes-Test“ machen
Ganz aktuell wird „Prä-Diabetes“ als neue Indikation beworben. Als Belege werden die oben genannten Tier- und In-vitro-Studien von Mandal, Vikrant und Syama angeführt, die jedoch in keiner Weise geeignet sind, die Ausweitung der zugelassenen Indikation wissenschaftlich zu unterstützen. Der Leser der Anzeige wird zu einem „Prä-Diabetes-Test“ aufgefordert. Bei einem „positiven Prä-Diabetes-Testergebnis“ wird der Kunde aufgefordert: „Handeln Sie jetzt! Gehen Sie in die Apotheke und fragen Sie nach Glycowohl! „Glycowohl – damit auch Sie keinen Diabetes bekommen!“ Kunden, die mit einem solchen „positiven Prä-Diabetes-Testergebnis“ die Apotheke aufsuchen, müssen fundiert beraten werden. Im Zweifelsfall sollte die diagnostische Abklärung durch den Arzt empfohlen werden, der durch Messung von Nüchternblutzucker und HbA1c sowie einen Glucose-Belastungstest die Verdachtsdiagnose erhärten oder entkräften kann.
Lässt sich aus den Daten eine Wirksamkeit ableiten?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die bisher publizierten Daten auf eine Wirkung der Pflanze in Dosierungen hinweisen, die vielfach höher sind als die, die für die Anwendung der Urtinktur in Glycowohl® empfohlen wird. Einen Beleg für eine klinische Wirksamkeit der Urtinktur lässt sich aus den publizierten Daten weder für eine therapeutische noch für eine prophylaktische Wirksamkeit ableiten. Für den Wirksamkeitsnachweis von Glycowohl® wäre eine lege artis durchgeführte klinische Prüfung erforderlich. Eine solche Studie ist bisher nicht publiziert worden. Allerdings ist ein positives Ergebnis nach den bisherigen Daten auch nicht zu erwarten.
Das sagt der Hersteller
Die Firma Heilpflanzenwohl GmbH, Berlin, hat sich aus Kapazitätsgründen bislang nicht in der Lage gesehen, auf unsere Fragen bis zu der Deadline zu antworten. Als noch junges Unternehmen habe man keine eigene MedWiss und müsse solche Themen mit sehr beschränkten Ressourcen und externem Support managen. Man sei aber bereit, unsere Fragen in einem Gespräch unter Zuziehung von externen Experten zu beantworten.
2 Kommentare
Glycowohl
von Heidi am 19.11.2019 um 12:38 Uhr
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AW: Glycowohl
von Andreas Fox am 11.01.2020 um 17:55 Uhr
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