Urteilsgründe des OLG Naumburg

Rechtswidrig: Arzneimittel auf dem Amazon Marketplace

Berlin - 21.11.2019, 07:00 Uhr

Apothekenpflichtige Arzneimittel auf dem Amazon Marketplace: So wie sie derzeit feilgeboten werden, geht es nach Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg nicht.  (Foto: DAZ.online)

Apothekenpflichtige Arzneimittel auf dem Amazon Marketplace: So wie sie derzeit feilgeboten werden, geht es nach Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg nicht.  (Foto: DAZ.online)


Amazon wertet Daten aus

Im vorliegenden Fall haben die Richter keine Zweifel: Der Apotheker habe die Plattform Amazon Marketplace „in das Feilbieten der von ihm vertriebenen Medikamente und Medizinprodukte in der Weise einbezogen, dass er die Popularität dieser Plattform nutzt, um Kunden zu gewinnen“. Er setzt damit die Plattform als Werbeträger ein. Das Gericht räumt ein: Amazon selbst werte die Daten – wenn auch anonym – aus, um zu werben: „Kunden, die sich Produkt A angesehen haben, interessieren sich auch für Produkte B“. Für das Gericht ist klar: „Dies zielt auf den Markt ab und berührt die wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer. Denn durch die Auswertung der Absatzdaten können Kunden zielgerichtet angesprochen werden.“

Bestelldaten sind Gesundheitsdaten

Sodann führt der Senat aus, dass es sich bei den Bestelldaten der Kunden um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt. Auch wenn es sich bei den von Amazon für den Bestellvorgang erfassten Daten nicht um Gesundheitsdaten im engeren Sinne handele (wie z.B. ärztliche Befunde), so ließen sich aus ihnen gleichwohl Rückschlüsse auf die Gesundheit des Bestellers ziehen. das gelte insbesondere, wenn mehrere apothekenpflichtige Arzneimittel bestellt werden. Soweit dem entgegengehalten werde, dass eine Internetbestellung auch für Mitglieder der Familie und andere Personen erfolgen könne, treffe dies zwar zu. Dies senke aber nur die Wahrscheinlichkeit, mit der der gezogene Rückschluss zutreffe. „Dies reicht nach Auffassung des Senates nicht aus, um die Gesundheitsbezogenheit der Daten entfallen zu lassen. Dies würde zu einer Absenkung des Schutzniveaus führen“.

Die Einwilligung fehlt

Auch eine Datenverarbeitung findet in den vorliegenden Fällen statt – denn nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO kommt es nicht auf die Erhebung, sondern auf die Verarbeitung der dort genannten personenbezogenen Daten an. Soweit diese Verarbeitung durch Amazon selbst erfolgt, seien etwaige DSGVO-Verstöße allerdings nicht Teil des Rechtsstreits. Entscheidend sei die Datenverarbeitung durch die Apotheker selbst. Und hier liegt auch das Problem: „Hierfür fehlt eine wirksame Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO“. Es gibt keine ausdrückliche Einwilligung der Kunden beim Bestellvorgang – und eine konkludente scheidet angesichts der klaren Wortlauts von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO („ausdrücklich eingewilligt“) aus. Zudem: Auch die Berufsordnung der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt fordert für die Speicherung und Nutzung patientenbezogener Daten eine „schriftliche Einwilligung“.

Kurzum: So lange die über Amazon vertreibenden Apotheker keine spezielle Einwilligung zur Nutzung der Gesundheitsdaten einholen, dürfen sie den Marketplace zum Vertrieb von Arzneimitteln nicht nutzen. Ob Amazon ihnen ermöglichen kann oder will, eine solche Einwilligung abzufragen, steht in den Sternen. Der Messangerdienst WhatsApp hat sich angesichts dieser Datenschutzproblematik bereits entschieden, Apotheken von der Nutzung seiner Dienste auszuschließen. Könnte das ein Vorbild für Amazon sein?



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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