Neuregelungen zu Lieferengpässen

BMG verteidigt Exklusivverträge und Rabattvertragssystem

Berlin - 29.11.2019, 10:15 Uhr

Die Fraktionen von Union und SPD, Apotheker, Großhändler und die Pharmaindustrie fordern eine Abkehr von den Exklusivverträgen. Das Bundesgesundheitsministerium sieht dies aber anders und weist auf die Vorteile des heutigen Systems hin. (b/Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)

Die Fraktionen von Union und SPD, Apotheker, Großhändler und die Pharmaindustrie fordern eine Abkehr von den Exklusivverträgen. Das Bundesgesundheitsministerium sieht dies aber anders und weist auf die Vorteile des heutigen Systems hin. (b/Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)


BMG: Exklusivverträge sichern den Kassenwettbewerb

Doch auch dies dürfte nicht der letzte Stand sein. Nach Informationen von DAZ.online stehen die Regierungsfraktionen und das BMG weiterhin in Kontakt diesbezüglich. Denn: Union und SPD hatten dem Ministerium sogenannte Prüfbitten an die Hand gegeben – ein Papier, in dem mehrere Neuregelungsvorschläge und -ideen enthalten sind. DAZ.online liegen die Kommentierungen des BMG zu diesen Vorschlägen vor. Und daraus geht hervor, dass das Ministerium zumindest derzeit eine verpflichtende Mehrfachvergabe ablehnt, diese „kann Lieferengpässe nicht verhindern“, heißt es dort.

Gegen die obligatorische Mehrfachvergabe sprechen aus Sicht des Ministeriums mehrere Punkte. Einerseits werden „pauschale, gesetzliche Vorgaben für Rabattverträge“ der Komplexität des Pharmamarktes nicht gerecht. Die vergaberechtlichen Instrumente zur Beschaffung von Arzneimitteln würden „unangemessen“ eingeschränkt. Und: Schon jetzt entscheide sich die Mehrzahl der Kassen für das Mehrpartnermodell. „Nach Pro Generika wurden 2018 bereits ca. 70 Prozent der Rabattverträge im Zwei- und Drei-Partnermodell vergeben“, heißt es weiter. Aus Sicht des BMG würde eine Streichung der Exklusivverträge auch „den Wettbewerb schwächen, voraussichtlich zu höheren Preisen führen und damit das Einsparpotential der Rabattverträge grundsätzlich in Frage stellen“. Dass Mehrfachvergaben grundsätzlich Engpässe vermeiden, bezweifelt das Ministerium. Schließlich gebe es schon bei der Wirkstoffherstellung in China und Indien häufig Monopole. Schon dort könnten die Engpässe ausgelöst werden, heißt es. Mit dieser Positionierung stellt sich das BMG gegen Forderungen aus beiden Regierungsfraktionen: Sowohl die Union als auch die SPD im Bundestag hatten die Streichung der Exklusivverträge in Positionspapieren gefordert.

Das BMG schlägt auch einen weiteren Vorschlag aus, den die Unionsfraktion ins Spiel gebracht hatte. Zur Erinnerung: In einem Positionspapier hatte die Union vorgeschlagen, dass Rabattverträge künftig nur noch kassenübergreifend und auf Landesebene ausgeschrieben werden sollen. Die Union wollte damit gegen die Vielzahl der Verträge vorgehen und insbesondere die Arbeit der Apotheker erleichtern. Doch das BMG will hier keine größeren Änderungen am Rabattvertragssystem vornehmen. Es gebe mehrere Gründe, die gegen eine „Zentralisierung des Systems“ durch eine einheitliche Vergabe sprechen. Unter anderem würde der Wettbewerb zwischen den Kassen geschwächt. So könnten „Krankenkassen-Kartelle“ auf der einen und „Herstellermonopole“ auf der anderen Seite entstehen. Kleinere und mittelständische Unternehmer würden somit benachteiligt. Außerdem zeige das Beispiel der Versorgung mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie, dass sich einheitliche Ausschreibungen nicht bewährt hätten, so das Ministerium.

BMG eng an den Forderungen der AOK

Damit liegt das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sehr nah an den Forderungen des AOK-Systems. In der Vorbemerkung der Kommentierung wird auch eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erwähnt. Das WIdO hatte kürzlich Zahlen vorgelegt, die belegen sollen, dass Exklusivverträge für mehr Stabilität und Anbietervielfalt im Generika-Markt sorgen. Das WIdO hatte die Engpass-Situation auch relativiert und erklärt, dass es meistens Alternativen gebe und dass es sich nicht um Versorgungs- sondern Lieferengpässe handle. Das BMG schreibt in seinem Papier:


In Deutschland besteht eine hohe Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln. Anfang September 2019 waren 99,3 Prozent der Arzneimittel, die zu Lasten der GKV verordnet wurden, lieferbar (WIdO). Und auch  nicht jeder Lieferengpass ist gleich ein Versorgungsengpass. In der Regel stehen in der Versorgung gleichwertige Arzneimittel zur Verfügung. Rabattverträge sind Ausdruck des in § 12 Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verankerten Wirtschaftlichkeitsgebots und tragen wesentlich dazu bei, eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung zu gewährleisten und die Arzneimittelausgaben der GKV nachhaltig finanzierbar zu halten. Das Einsparvolumen durch Rabattverträge belief sich im Jahr 2018 auf ca. 4,5 Mrd. Euro“

BMG-Kommentierung zu Prüfbitten der Fraktionen


Mehr zum Thema



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


9 Kommentare

inkompetetentes ministerium

von pille62 am 02.12.2019 um 10:37 Uhr

sie sollten das Ministerium sehr ernst nehmen.
Denn sollten diese Maßnahmen alle nicht greifen, werden Sie in der Tagesschau 20:15 erleben wie Herr Spahn den Apothekern das Scheitern in die Schuhe schiebt und deshalb nur größere Einheiten mit Finanzkraft in der Lage sind, die Logistik und Herausforderungen der Warenhaltung zu bewältigen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lieferengpass

von pille62 am 02.12.2019 um 10:18 Uhr

.. ich hoffe immer noch, das irgendwann kreativer Sachverstand Einzug rund um das Arzneimittel hält.Stattdessen muss ich erleben,
wie Standesfürsten, Krankenkassler und Politiker immer neue Arbeitskreise und von uns zu bearbeitende Listen und Hemmnisse entwickeln.
Wir haben kein Erkenntnisproblem. sondern ein Problem die Lösungen hierzu zu entwickeln und um zusetzen.
Liebe Entscheider so wird das nichts!!!!!!!!!!!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

24 Stunden Regelung

von Dr. Harald Paulsen am 29.11.2019 um 17:37 Uhr

Das "bisherige belastende" Verfahren wird durch ein noch belastenderes ersetzt!
In Zukunft müssen wir 24 Stunden warten, bis wir dem Patienten das Ersatzpräparat geben dürfen. "Kommen Sie in 24 Stunden nochmal wieder, dann dürfen wir Ihnen was geben. Klar, wir bringen es Ihnen gern morgen nach Hause." Geht's noch? Was für ein Schwachsinn!!!
Und DAK & Co. werden bei jeder "2" auf dem Rezept die Defektnachweise verlangen, ob wir auch brav 24 Stunden gewartet haben.
Hallo, Standesvertreter, aufwachen! Kann da mal jemand beim Gesetzgeber vorsprechen? Diese bescheuerte Regelung verschafft keine Erleichterung, sondern nur mehr Probleme, Aufwand, Retaxrisiken usw.!!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ross und Reiter dieses Debakels sind Ulla Schmidt und Co.

von Heiko Barz am 29.11.2019 um 14:03 Uhr

Die „Verantwortlichen“ können sicher sein, dass die dusseligen Apotheker alles möglich machen, den Schwachsinn der Rabattverträge den Patienten zu erklären.
Was sagt denn eigentlich die Hauptverantwortliche ULLA zu diesem von ihr verursachten, grandiosen Arzneimittelskandal.
Wir haben schon vor 15, - in Worten fünfzehn - Jahren auf diesen erwartbaren Exzess hingewiesen. Wir als Arzneimittelfachleute aber haben ja keine Ahnung, diese aufkommenden Probleme zu erahnen!
Da aber anscheinend nur der direkte Druck der Strasse, siehe DDR, Bauern Demo, Friday for Future, etc. werden auch wir irgendwann diesen Weg gehen müssen, um die Wichtigkeit unseres Berufes in den Fokus zu rücken.Die „Verantwortlichen“ können sicher sein, dass die dusseligen Apotheker alles möglich machen, den Schwachsinn der Rabattverträge den Patienten zu erklären.
Was sagt denn eigentlich die Hauptverantwortliche ULLA zu diesem von ihr verursachten, grandiosen Arzneimittelskandal.
Wir haben schon vor 15, in Worten fünfzehn Jahren auf diesen erwartbaren Exzess hingewiesen. Wir als Arzneimittelfachleute aber haben ja keine Ahnung, diese aufkommenden Probleme zu erahnen!
Da aber anscheinend nur der direkte Druck der Strasse, siehe DDR, Bauern Demo, Friday for Future etc werden auch wir irgendwann diesen Weg gehen müssen, um die Wertigkeit und Wichtigkeit unseres Berufes in den Fokus zu rücken.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ross und Reiter dieses Debakels sind

von Heiko Barz am 29.11.2019 um 14:05 Uhr

Irgendwas ist hier falsch gelaufen!!

Nullretax?

von T. La Roche am 29.11.2019 um 12:33 Uhr

Wenn es wirklich so kommt und wir müssen den Patienten einen Tag warten lassen, obwohl der Rabattvertrag seit Wochen/Monaten nicht lieferbar ist. Sorry, was für eine Zumutung!!
Wenn ich nun das am selben Tag ausgestellte Rezept dennoch am selben Tag beliefere....droht mir dann Nullretax?
Kollegen spielt das Szenario doch mal ganz praktisch durch! Wie kann man sich so einen Schwachsinn einfallen lassen?!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lieferengpass

von Dr. Radman am 29.11.2019 um 11:03 Uhr

D.h. , was ich jetzt sofort austauschen kann, darf ich später erst nach 24 h austauschen. Großartige Verbesserung. Nicht wahr.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lieferengpass

von Rita Längert am 29.11.2019 um 13:30 Uhr

ist doch ganz lieb gemeint vom BMG. Da das derzeitige Verfahren zur Abgabe von Rabattarzneimitteln für uns Apothekerlein belastend ist, dürfen wir uns 24 Std. ausruhen um dann ein Nichtrabatt-AM möglichst per Botendienst (Patient braucht es ja dringend) auszuliefern. Dadurch werden wir total entlastet und unsere pharmazeutische Kompetenz wird endlich anerkannt!!
Sorry, ich weiss ja das es Beamte sind, aber müssen die ihre Inkompetenz so offen zur Schau stellen?

Ministerium wie gewohnt inkompetent

von ratatosk am 29.11.2019 um 10:58 Uhr

Nichts neues also. Nur die Interessen der GKV und des Großkapitals zählen hier, sind ja auch bei der Anschlußverwendung wichtig.
Es könnten Herstellermonopole entstehen ?!, hier hat wohl wer den Schuß nicht gehört, wenn es oftmals nur noch 1 oder 2 Wirkstoffproduzenen gibt.
Verteilungsmöglichkeiten bei Nullbeständen in Europa sind ebenso lächerlich, aber auch dies ist Bürokraten mit den irrealen Verordnungswelten auf Kindergartenniveau offensichtlich nicht klar. Wie soll man das Bfarm noch ernst nehmen, wenn es sogar den Unsinn der Wido anführt !!
Es gilt - weiter so stramm in den Abgrund ! aber nach Vorschrift.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.