Marktporträt

Der Zyto-Markt im Überblick

Berlin/München - 17.12.2019, 14:30 Uhr

Immer wieder kommt es im Zyto-Markt zu Skandalen, obwohl es für die Patienten fast keinen empfindlicheren Versorgungsbereich gibt. Welche Strukturen ermöglichen diese Vorkommnisse? Ein Marktüberblick. (Foto: imago images / Becker Bredel)

Immer wieder kommt es im Zyto-Markt zu Skandalen, obwohl es für die Patienten fast keinen empfindlicheren Versorgungsbereich gibt. Welche Strukturen ermöglichen diese Vorkommnisse? Ein Marktüberblick. (Foto: imago images / Becker Bredel)


Zentralisierung und Verdrängungswettbewerb

Branchenkenner sprechen laut DAZ-Recherchen davon, dass es aktuell eine „unglaubliche Dynamik“ im Bereich der Zytostatika-Hersteller gebe, die mit einer zunehmenden Zentralisierung und einem Verdrängungswettbewerb einhergehe. So versuchten größere Hersteller teilweise, lokale Anbieter aus dem Markt zu drängen. Es würden offensiv Onkologen angesprochen, ihre Freiberuflichkeit mit dem Verkauf ihres Arztsitzes an ein vom Hersteller getragenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) einzutauschen. Gelockt würden die Ärzte dabei mit lukrativen Geldpaketen. Wie die dort gezahlten Summen allerdings refinanziert werden können, wirft in der Branche Fragen auf. Es wird spekuliert, dass dies nur durch einen vorgesehenen Weiterverkauf an einen finanzstarken Kapitalinvestor geschehen kann.

Doch wer sind eigentlich die großen Mitspieler in diesem schwer durchschaubaren Geflecht? Welche Zielsetzungen haben sie, wer steckt dahinter?

Zytoservice Deutschland GmbH, Hamburg

Im aktuellen Verdachtsfall wird auch gegen das 2002 gegründete Unternehmen Zytoservice ermittelt, das eine dominierende Stellung im Markt hat. 2017 hat die Firma nach eigenen Angaben rund 425.000 parenterale Zubereitungen hergestellt und damit von Hamburg-Jenfeld aus über krankenhausversorgende und Krankenhaus-Apotheken bundesweit über 150 Ärzte und Krankenhäuser beliefert. Entsprechend groß sind die Kapazitäten an dem Standort mit seinen über 300 Mitarbeitern: Der verfügt über 500 Quadratmeter Reinraumfläche, sechs Labore und 24 Werkbänke für die Zytostatika-Herstellung.

Im Dezember 2017 teilte Zytoservice mit, die Herstellungskapazitäten der GHD Gesundheits GmbH Deutschland-Tochter Profusio für die Herstellung von patientenindividuellen Zytostatika in Haan, München und Leipzig übernehmen zu wollen. Ab Februar 2018 werde Zytoservice damit über vier deutsche Standorte mit über 450 Mitarbeitern verfügen und könne damit „beinahe jede Apotheke in Deutschland innerhalb von vier Stunden versorgen“, so das Unternehmen gegenüber der DAZ. Zytoservice plante zuletzt eine deutschlandweite Expansion: Enno Scheel, Gesellschafter und Geschäftsführer der Zytoservice Deutschland-Unternehmensgruppe, sagte dazu: „Wir … haben jetzt die einmalige Gelegenheit, unsere Herstellungskapazitäten im Bereich der Zytostatika-Herstellung so auszuweiten, dass wir mit den zusätzlichen Standorten eine schnelle und regionale Versorgung … deutschlandweit realisieren können.“

Branchenkenner schätzen, dass dieser Schritt gravierende Auswirkungen für den Markt haben dürfte. Insbesondere Zytostatika-versorgende Apotheken vor Ort könnten in Bedrängnis kommen, aber auch Anbieter wie Medipolis und Omnicare. 2016 hatte Zytoservice einen Umsatz von 219,5 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Anteile werden seit Ende 2016 zu zirka 74 Prozent von dem Private Equity-Unternehmen IK Investment Partners und zu rund 26 Prozent vom Management gehalten. IK Investment Partners ging ursprünglich aus der schwedischen SE Banken hervor und fokussiert sich mit seinen Investments auf Nordeuropa.

An der Zytostatika-Versorgung in Deutschland sind zum Teil bundesweit agierende Herstellbetriebe beteiligt – hier eine Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Omnicare, Unterföhring

Das Unternehmen aus der Nähe von München bezeichnet sich als Netzwerk für die ambulante Onkologie und ist eine seit 2012 existierende Kooperation von Zytostatika-herstellenden Apotheken. Omnicare stellt damit selbst keine Zytostatika her, deckt aber nach eigenen Angaben bundesweit alle Stufen der onkologischen Medikamentenversorgung ab – als pharmazeutischer Unternehmer, pharmazeutischer Großhandel und via Apotheken. Auf seiner Website stellt Omnicare zudem heraus, bundesweit rund 90 Prozent aller onkologischen Praxen innerhalb von 90 Minuten beliefern zu können. „Omnicare macht sich gemeinsam mit Apotheken stark für die langfristige Erhaltung der wohnortnahen, ambulanten Onkologie“, teilte das Unternehmen auf Anfrage der DAZ mit.

Das Unternehmen setzt sich aus unterschiedlichen Gesellschaften zusammen und verfügt über mehrere Geschäftsbereiche, wie einen Großhandel, die Dr. Römer Kliniken in Calw-Hirsau oder Fortbildungen unter OmniCampus. Gemessen am Umsatz seien der pharmazeutische Bereich mit elf generischen Zytostatika sowie der pharmazeutische Großhandel mit onkologischem Schwerpunkt die größten. Die Herstellung patientenindividueller parenteraler Zubereitungen aus Zytostatika durch die an Omnicare beteiligten Apotheken und Kunden nehme mittelbar für Omnicare einen erheblichen Anteil ein. 2016 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 636 Millionen Euro. Als Geschäftsführer fungiert der Apotheker Oliver Tamimi.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Zyto

von Oliver Bülow am 17.12.2019 um 15:30 Uhr

Großdeutschland????... gehts noch

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Formulierung

von Benjamin Rohrer am 17.12.2019 um 17:19 Uhr

Sehr geehrter Herr Bülow,

vielen Dank für Ihren Hinweis. Wir hatten zuerst eine Formulierung mit "Großraum Norddeutschland", die wir dann aber streichen wollten. Versehentlich haben wir dann beide Wörter miteinander verbunden. Natürlich haben wir sofort korrigiert. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen und bedanken uns nochmals für Ihren Hinweis.

Viele Grüße

Benjamin Rohrer
Chefredakteur DAZ.online

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.