Neue juristische Argumente

Bühler bringt frische Dissertation zum Rx-Versandverbot mit in den Bundestag

Berlin - 23.01.2020, 07:00 Uhr

Benedikt Bühler und seine Rx-Versandverbots-Petition erhalten viel Aufmerksamkeit und Untersützung. Rechtlich untermauern kann der Pharmaziestudent seine Forderung nun auch mit einer taufrischen Dissertation der Juristin Christiana Bauer.  

Benedikt Bühler und seine Rx-Versandverbots-Petition erhalten viel Aufmerksamkeit und Untersützung. Rechtlich untermauern kann der Pharmaziestudent seine Forderung nun auch mit einer taufrischen Dissertation der Juristin Christiana Bauer.  


Am kommenden Montag wird der Pharmaziestudent Benedikt Bühler im Petitionsausschuss des Bundestages persönlich die von ihm initiierte Petition zum Rx-Versandverbot erläutern und Fragen der Abgeordneten beantworten. Rechtliche Unterstützung erhält er dabei nicht nur von Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der ihn begleitet. Bühler wird auch einige Gutachten im Gepäck haben, die aufzeigen, dass das Rx-Versandverbot mit Verfassungs- und Europarecht im Einklang steht. Darunter eine frische Doktorarbeit der Juristin Christiana Bauer.  

Die Haltung der ABDA zur Bühler-Petition hat in den vergangen Tagen hohe Wellen geschlagen. Sie wollte die drei von ihr in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten, die dem Rx-Versandverbot attestieren, dass es verfassungs- und europarechtskonform ist, nicht in ihrer Vollversion an Bühler herausgeben. Der Student hatte danach gefragt, weil er mit diesen Expertisen namhafter Juristen – unter anderem des früheren Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio – seine Forderung nach dem Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Petitionsausschuss rechtlich untermauern will. Doch genau dieses Versandverbot will die ABDA in der gegenwärtigen politischen Lage nicht „durch die Hintertür promoten“, erklärte ABDA-Sprecher Dr. Reiner Kern.

Diese Ablehnung der Standesvertretung auf Bundesebene führte allerdings nur dazu, dass die Solidarität mit Bühler in einigen Landesorganisationen sowie bei Privatpersonen umso größer wurde. Tatsächlich ist er jetzt besonders reichhaltig mit rechtswissenschaftlichen Abhandlungen ausgestattet, die das Rx-Versandverbot für rechtlich machbar halten. Die drei ABDA-Gutachten in voller Länge wurden ihm bereits mehrfach von verschiedenen Seiten zugespielt. Zudem kann er ganz ohne jedes Hindernis auf das wettbewerbsökonomische Gutachten von Professor Dr. Uwe May, Cosima Bauer und Dr. Heinz-Uwe Dettling zurückgreifen. Dieses wurde 2017 im Auftrag der Noweda und des Deutschen Apotheker Verlags erstellt, um zu belegen, dass sich ein Preiswettbewerb im Rx-Bereich sehr wohl auf die flächendeckende Versorgung auswirken würde – Belege hierfür hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 nämlich vermisst. Bühler kann dem Deutschen Bundestag sogar eine Studie seines eigenen wissenschaftlichen Dienstes präsentieren: Dieser war schon Ende 2016 zu dem Ergebnis gekommen, dass das Rx-Versandverbot europarechts- und verfassungskonform wäre.

Und auch eine ganz frische Expertise bringt Bühler den Abgeordneten mit: die Dissertation von Christiana Bauer, abgelegt an der Uni Bielefeld. Die Arbeit mit dem Titel „Staatliche Maßnahmen zur Erhaltung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung – Eine Betrachtung unter verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Gesichtspunkten“ wird voraussichtlich im April in der Nomos Verlagsgesellschaft erscheinen. Doch nachdem Frau Bauer über die Fachpresse erfahren hatte, dass die ABDA ihre Gutachten nicht herausgeben will, bot sie Bühler an, ihn im Bundestag mit ihrer Doktorarbeit zu unterstützen.

Rx-Preisbindung und Rx-Versandverbot unter der Lupe

Die Dissertation nimmt drei unterschiedliche staatliche Maßnahmen unter die Lupe: die Rx-Preisbindung, Bedürfnisprüfungen (Niederlassungsbeschränkungen) und das Rx-Versandverbot. Was die Preisbindung betrifft, geht Bauer ausführlich auf das EuGH-Urteil von 2016 ein und vergleicht es mit dem Fremdbesitz-Urteil von 2009. Ihr Fazit ist, kurz gesagt: Verfassungsrechtlich gibt es keine Schwierigkeiten mit der Rx-Preisbindung, europarechtlich ist die Beurteilung problematischer. Einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit nimmt die Juristin nach ausführlicher Prüfung an – doch sie ist überzeugt, dass er aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt werden kann. Und so kommt Frau Bauer zu dem Schluss, dass man davon ausgehen kann, dass der EuGH bei einem erneuten Vorlageverfahren – etwa durch das Oberlandesgericht Köln oder München – die Europarechtskonformität der Rx-Preisbindung annehmen wird, vorausgesetzt, den Nachweisanforderungen wird nachgekommen. Dass diese Anforderungen gestellt wurden, war für Bauer übrigens keine Überraschung, sondern durchaus zu erwarten. 

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Gröhes Gesetz zum Rx-Versandverbot hätte nicht überzeugt

Für Bühler interessant ist vor allem das Kapitel zum Rx-Versandverbot. Bauer kommt in ihrer Dissertation zu dem Ergebnis, dass eine solche Maßnahme ein verhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit wäre. Auch mit dem Europarecht wäre sie in Einklang zu bringen – wenn hier ebenfalls der schon bei der Rx-Preisbindung beschriebene Nachweis gelingt. Der Gesetzentwurf für ein Rx-Versandverbot, den der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Ende 2016 vorgelegt hatte, überzeugt Bauer in seiner Begründung jedenfalls nicht. Gehe man das Vorhaben eines Rx-Versandverbots nochmals an, müsse man die möglichen Gefahren des Vertriebswegs Versand in den Vordergrund stellen. Dabei sei entscheidend, dass Versandapotheken von technischen Einrichtungen abhängig sind – läuft etwas schief, ist es Aufgabe der Präsenzapotheken zu kompensieren. Bestehe dann keine ausreichende Versorgungsdichte über Präsenzapotheken, könne ein technischer Ausfall zu einer Gesundheitsgefahr werden, schreibt Bauer in ihrer Schlussbetrachtung. Klar ist für sie: Versand kann angesichts dessen Unvermögen zu einer Vollversorgung und Notdiensten stets nur eine Ergänzung sein. Und so lange er die Aufgaben einer Präsenzapotheke nicht vollumfänglich übernehmen kann, ist es „Aufgabe des Staates aufgrund des im Vordergrund stehende Gesundheitsschutzes die Präsenzapotheken zu schützen“. Diese Schutzpflicht diene der Gesundheit und sei kein Selbstzweck, betont die Juristin.

Die Mitglieder des Petitionsausschusses des Bundestags werden also bestens versorgt sein mit juristischer Expertise. Auch Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der sich seit Jahren mit allen Facetten des Apothekenrechts befasst, wird für Nachfragen gewappnet sein. Bühler selbst möchte vor dem Ausschuss hingegen nicht über rechtliche Umsetzbarkeit des Rx-Versandverbots sprechen, sondern dessen Sinnhaftigkeit und darüber, was passiert, wenn es nicht umgesetzt wird.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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8 Kommentare

Von Kern hört man nur...

von Rainer W. am 24.01.2020 um 10:04 Uhr

... wenn es gegen die eigenen Leute geht.

Die ganzen absurditäten bleiben unkommentiert, wie z.b.
- Aufgabe des Koalitionsvertrages

- Äußerungen diverser Amateure zum Thema Lieferengpässe, besonders herauszugreifen Herr Cardinal von der TK der bewiesen hat dass er absolut keine Ahnung hat, aber auch diversen anderen Funktionären die behaupten Lieferengpässe hätten überhauptgarnullkommanix mit den Rabattverträgen zu tun

- Probleme durch Securpharm und dadurch erzeugte Lieferengpässe

- Probleme bei der aktuellen Ausgestaltung des Folgerezepts, das in knapp einem Monat in Kraft tritt (Stichwort vorfinanzierung für bis zu 1 Jahr?)

- Verbot von Rezeptzuweisung und -Steuerung durch Drittanbieter - oder genauer gesagt das fehlen selbiger

... aber Hauptsache der Studenteninitiative wird das Wasser abgegraben, sonst hüllt man sich in Schweigen.

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Meine Rede

von Mathias Mallach am 23.01.2020 um 11:22 Uhr

Auf die Idee war ich auch schon mal gekommen, liebe Frau Peter. Allerdings fürchte ich, würde das ausarten wie das berühmte Reiskorn auf dem Schachbrett. Und mal ehrlich:
Was wollen Sie denn mit SOOOO viel Geld ???

;-)

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Sitzung...

von Jan Kusterer am 23.01.2020 um 9:50 Uhr

Die Argumentation von Herr Spahn im Ausschuss wird die Gleiche sein wie beim DAT: Ob ein RxVV rechtens oder nicht ist, ist erstmal zweitrangig. Solange mir die Apotheker (die Abda) nicht stichhaltig nachweisen können, dass der vermehrte RxVersand zu Apothekenschließungen und damit zu einer Gefährdung der Versorgung führt werde ich bei meiner Meinung bleiben.

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AW: §1

von Mathias Mallach am 23.01.2020 um 10:07 Uhr

Und sollte es ihnen dennoch gelingen, tritt automatisch §1 in Kraft.

*Zynismus aus*

AW: .

von Anita Peter am 23.01.2020 um 10:09 Uhr

Shop Apotheke hat ja was von 7.000 Rezepten pro Tag rausposaunt. Gehen wir also mal von lediglich 20.000 Rezepten pro Tag aus, die im gesamten Versand verschwinden. Das macht bei 23 Arbeitstagen im Monat 460.000 / im Jahr 5,52 Mio Rezepte die aus den Vor Ort Apotheken verschwinden. Tendenz steigend, mit dem Erezept stark steigend. Herr Spahn sollte eher mal erklären, dass das KEINE negative Auswirkung auf die Vor Ort Apotheke hat. Die Apotheken schliessen nicht wegen Reichtum!
Und auch das Argument, dass die oberen 10% der Apotheken zuviel verdienen, und deshalb auch der Rest ausbluten muss, ist absoluter Humbug. Nur weil Vorstände von Dax Konzernen schon zweistellige Millionenbeträge verdienen, verweigert man doch nicht dem Rest die Lohnerhöhung!? Und selbst die Vorstände erhalten jedes Jahr satte Erhöhungen.
Vllt. sollten wir die Erhöhung der Packungspauschale an die Erhöhung der Diäten koppeln.

Bühler Petition

von Ingrid Schierle am 23.01.2020 um 8:20 Uhr

Ich finde es großartig, was Benedikt Bühler auf die Beine stellt und welche Materialien er für seine Argumentation zur Verfügung hat.
Allerdings wäre es vielleicht klüger, sich im Vorfeld nicht zu sehr in die Karten schauen zu lassen. Die Gegenseite wird auch nicht schlafen und ihrerseits Material generieren. Je weniger sie die Bühler Strategie kennen, umso besser. Oder liege ich da falsch?!?

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AW: Bühler Petition

von Roland Mückschel am 23.01.2020 um 9:15 Uhr

Ich denke so argumentiert auch die ABDA.

AW: Bühler Petition

von Thomas Kerlag am 23.01.2020 um 22:42 Uhr

Es ist egal welche Strategie angewandt wird. Man muss sich nur bewusst sein, dass in diesen oberen Etagen die Demokratie von größeren Mächten längst gekapert worden ist.

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