Thierry Breton

EU-Kommissar sieht offenbar keine Probleme bei DocMorris-Überwachung

Berlin - 28.01.2020, 11:15 Uhr

Der neue EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, antwortet ausweichend auf Fragen zur Überwachung des EU-Versenders DocMorris. (m / Foto: imago images / Le Pictorium)

Der neue EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, antwortet ausweichend auf Fragen zur Überwachung des EU-Versenders DocMorris. (m / Foto: imago images / Le Pictorium)


Die EU-Kommission sieht offenbar keine Probleme mit der Überwachung des EU-Versenders DocMorris. Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange hatte die EU-Kommission gefragt, von wem der niederländische Konzern überwacht wird. Die Antwort des neuen Binnenmarktkommissars Thierry Breton auf Langes Fragen liegt nun vor. Breton weicht den Fragen zur Überwachung und zum Geschäftsmodell größtenteils aus, merkt aber an, dass DocMorris in den Niederlanden als Online-Apotheke registriert ist. Was die Wettbewerbsverzerrung gegenüber den deutschen Vor-Ort-Apotheken betrifft, verweist der Kommissar auf das EuGH-Urteil.

Aus mehreren Gründen schauen die Apotheker derzeit gespannt nach Brüssel: Einerseits wird in den kommenden Tagen ein erstes Signal der neu besetzten EU-Kommission zum Apotheken-Stärkungsgesetz erwartet, mit dem die Bundesregierung (zumindest für den GKV-Bereich) die Gleichpreisigkeit wieder einführen will. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will das Vorhaben erst ins parlamentarische Verfahren geben, wenn er ein erstes Feedback dazu aus Brüssel hat. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum der neue EU-Kommissar für den Binnenmarkt, der Franzose Thierry Breton, derzeit für großes Interesse im deutschen Apothekenmarkt sorgt: Denn seit Wochen wartet man hierzulande auf seine Antwort auf eine schriftliche Anfrage des SPD-Europaparlamentariers Bernd Lange.

Die Anfrage hatte es in sich: Lange thematisierte darin die Wettbewerbsverzerrungen gegenüber deutschen Vor-Ort-Apotheken. In seinen drei Fragen ging er zunächst auf die mit deutschen Absender-Adressen beklebten DocMorris-Pakete ein. Zur Erinnerung: DAZ.online hatte kürzlich aufgedeckt, dass das Landgericht Berlin den EU-Versender zu einem Ordnungsgeld verpflichtet hatte, weil die Niederländer ihre wirkliche Adresse in den Niederlanden nicht ausreichend genug kenntlich gemacht hatten. Zweitens wollte Lange wissen, wie die EU-Kommission den Wettbewerbsnachteil bewertet, der für deutsche Apotheken besteht und was dagegen unternommen werden könnte.

Breton: DocMorris ist als Online-Apotheke zugelassen

Schließlich stellte Lange die brenzlige Frage: „Hat die Kommission Kenntnis davon, dass DocMorris von den niederländischen Behörden überwacht wird?“ Über die Überwachung der EU-Versender wird seit Jahren diskutiert. Denn in den Niederlanden gelten für sogenannten Grenzapotheken Ausnahmen: Wenn sie belegen können, dass sie von den Ländern überwacht werden, in die sie liefern, gelten Erleichterungen für DocMorris und Co. DAZ.online hatte aber kürzlich darüber berichtet, dass die deutschen Arzneimittel-Überwachungsbehörden in die Kontrolle von DocMorris und Co. nicht involviert sind.

Der neue EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton weicht den Fragen größtenteils aus. In seiner Antwort*, die inzwischen auf der Internetseite des EU-Parlaments veröffentlicht wurde, geht er auf die Problematik mit den deutschen Absender-Adressen gar nicht ein. Was die Überwachung von DocMorris betrifft, verweist Breton auf die Zulassung von DocMorris als Online-Apotheke in den Niederlanden. Der Konzern sei im Verzeichnis registrierter Versandhändler aufgeführt. In der Tat ist es so, dass DocMorris auf der Internetseite des niederländischen Gesundheitsministeriums als Online-Apotheke in der höchsten Kategorie „UR“ registriert ist. Nur Versandhändler in dieser Kategorie dürfen Rx-Arzneimittel versenden.

Allerdings: Über die Überwachung und Kontrolle des EU-Versenders sagt dieses Verzeichnis – zumindest öffentlich – nichts aus. Unklar ist beispielsweise, ob mit der Registrierung in diesem Online-Händler-Verzeichnis auch regelmäßige Kontrollen einhergehen. Eine Anfrage dazu bei der niederländischen Überwachungsbehörde von DAZ.online ist derzeit noch unbeantwortet. Auch EU-Kommissar Breton geht auf diese Fragen nicht ein. Er weist lediglich darauf hin, dass es die Angelegenheit der Mitgliedstaaten ist, bei Zuwiderhandlungen mögliche Sanktionen zu verhängen.

 Breton verweist auf EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung

Wörtlich erklärt der EU-Kommissar:


Nach den genannten EU-Rechtsvorschriften müssen Onlineapotheken eine Genehmigung für die Abgabe von Arzneimitteln im Fernabsatz einholen und den einzelstaatlichen Behörden am Ort ihrer Niederlassung ihre Absicht, Arzneimittel online zum Verkauf anzubieten, mitteilen. Onlineapotheken dürfen nur solche Arzneimittel verkaufen, die im Bestimmungsmitgliedstaat zugelassen sind und dort online erworben werden dürfen. Manche Mitgliedstaaten erlauben lediglich den Onlineverkauf von rezeptfreien Arzneimitteln, während andere (unter anderem Deutschland) auch den Onlineverkauf von rezeptpflichtigen Arzneimitteln erlauben. Das Verzeichnis registrierter Onlinehändler von Arzneimitteln in den Niederlanden ist öffentlich zugänglich. Zum Zeitpunkt dieses Schreibens ist DocMorris dort aufgeführt. Die Mitgliedstaaten sind für die Durchsetzung der Richtlinie 2001/83/EG verantwortlich. Sie müssen auch sicherstellen, dass nur zugelassene Marktteilnehmer Arzneimittel in der EU zum Verkauf anbieten. Außerdem obliegt es den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass wirksame und abschreckende Sanktionen gegen solche Händler verhängt werden, die die oben genannten Anforderungen nicht erfüllen.“

Antwort des EU-Kommissars für den Binnenmarkt auf die Fragen des SPD-Abgeordneten B. Lange


Breton: EU-Versender haben nur eine Möglichkeit, Zugang zum deutschen Markt zu erhalten

Was die Wettbewerbsverzerrung betrifft, verweist Breton auf eine Passage im EuGH-Urteil, die viele deutsche Apotheker verärgert hatte. Der EuGH hatte sein Urteil im Oktober 2016 unter anderem damit begründet, dass der Versandhandel für EU-Versender das einzige Mittel sei, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Da sie nicht durch Personal vor Ort individuell beraten und eine Notfallversorgung mit Arznei­mitteln sicherstellen könnten, sei der Preiswettbewerb für sie ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor als für „traditionelle“ Apotheken. Auch Breton bemüht dieses Argument: „Zu potenziellen Wettbewerbsverzerrungen hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits erklärt, dass der Onlineverkauf für Apotheken, die nicht im deutschen Hoheitsgebiet ansässig sind, die einzige Möglichkeit des Zugangs zum deutschen Markt darstellt.“

Treffen am 31. Januar in Berlin geplant

Auch wenn Breton in seinem Antwortschreiben noch vieles offen lässt, ist es ein erster Fingerzeig darauf, wie sein Kommissariat das von der Bundesregierung geplante Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz bewerten könnte. Nach Informationen von DAZ.online könnte Breton noch in dieser Woche Auskunft darüber geben, wie er das von Bundesgesundheitsminister Spahn anvisierte Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich bewertet. Denn für den kommenden Freitag, den 31. Januar, hat sich der Franzose in Berlin angekündigt. Auch ein Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) steht in seinem Terminkalender.

Breton ist erst seit wenigen Wochen EU-Kommissar für den Binnenmarkt. Zuerst hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen die Französin Sylvie Goulard nominiert, das war jedoch heftig kritisiert worden. Doch auch Bretons Nominierung war aufgrund seiner Vergangenheit nicht unumstritten: Denn Breton war bis wenige Tage vor seiner Nominierung als EU-Kommissar Chef des IT-Konzerns Atos, der Medienberichten zufolge millionenschwere Verträge mit EU-Institutionen hat. Zuvor hatte Breton übrigens auch die Geschäfte bei France Télécom geleitet und war zwischen 2005 und 2007 auch Wirtschaftsminister in Frankreich.

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Hinweis der Redaktion: Die Antwort vom EU-Kommissar ist inzwischen auf der Seite des EU-Parlaments veröffentlicht. Hier finden Sie das Dokument.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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11 Kommentare

ATOS und Breton

von Hinterfragt am 28.01.2020 um 21:19 Uhr

Nur für diejenigen die nicht wissen wer oder was sich hinter "ATOS" verbirgt.
"Doch auch Bretons Nominierung war aufgrund seiner Vergangenheit nicht unumstritten: Denn Breton war bis wenige Tage vor seiner Nominierung als EU-Kommissar Chef des IT-Konzerns Atos, der Medienberichten zufolge millionenschwere Verträge mit EU-Institutionen hat....'
'ATOS: ein international führender Anbieter im Bereich Digital Business, kooperiert mit der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik): Das Atos Trustcenter betreibt die sogenannte „CVC-Root“, die Wurzel-Zertifizierungsstelle für Sicherheitszertifikate der elektronischen Gesundheitskarte (eGK).
Dieser entscheidende Sicherheitsprozess hat nun von der gematik die Produktivzulassung erhalten: Die Zertifikate zur Authentifizierung eines Kartenbesitzers können auf dieser Grundlage erstellt und von den weiteren Projektpartnern verwendet werden. Dies bedeutet einen wichtigen Schritt auf dem Weg der konsequenten und wertschöpfenden Nutzung der eGK und zur flächendeckenden Ausweitung der Telematikanwendungen.'
Ich sage nichts weiter, ich denke nur....

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Überwachung durch Deutsche Behörden

von Andreas Grünebaum am 28.01.2020 um 21:04 Uhr

Wie sollte eine Deutsche Apothekenaufsichtsbehörde einen EU-Versender kontrollieren? Der Pharmazierat stünde bei einer Besichtigung vor Ort und hätte keinerlei Grundlage für eine Inspektion, denn der EU-Versender unterliegt keinem Deutschen Gesetz oder Verordnung. Die Niederländische Apothekenüberwachung macht sich einen schlanken Fuß, weil sie angeblich die Voraussetzungen für den Versand nach Deutschland nach Deutschem Recht nicht kennen oder danach handeln könnte. Zielführend könnte allenthalben ein Druck auf die niederländischen Behörden durch die Deutsche Politik sein, die Holland-Versender mangels Präsenzapotheke im Herkunftsland aus der "Liste" zu streichen.

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Anfrage Herr Lange, SPD

von Roland Mückschel am 28.01.2020 um 16:47 Uhr

Tja Herr Lange.
Jetzt wissen Sie dass DocMorris aus dem
Raster fällt bzw. gar kein Raster da ist.

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"Vorteile der EU"

von Dr.Diefenbach am 28.01.2020 um 14:07 Uhr

Mir wird-gerade auch in unserer hessischen DV -erzählt,dass die EU sozusagen das Nonplusultra des Lebens sei.Ausser Devisenerleichterungen und vielleicht Reisefreiheit suche ich leider oft vergebens nach diesen ganzen Vorteilen.Vielleicht erklärt mir einer mal,WELCHE Effekte die EU zB fürs Apothekenwesen gebracht hat.Es ist ja nicht der erste Kommissar,der sich schräg über Fakten auslässt,die er (aus Arroganz?Zeitnot?Desinteresse?)kaum kennt.Mich wundert es nicht,dass die Zahl der EU-Skeptiker nach wie vor sehr gross ist.Und es ist eben nicht alles damit erklärbar,dass Nur als EU und NICHT als EWG wohl kriegerische Aspekte in den Hintergrund getreten sind.....

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AW: "Vorteile der EU"

von Anita Peter am 28.01.2020 um 14:19 Uhr

Der Vorteil der EU für Deutschland gegenüber anderen EU Staaten, insbesondere denen mit Euro, war (!) dass diese ihre Währung nicht mehr abwerten konnten und wir so unseren Export sauber angekurbelt haben. Das Ende vom Lied sind massiv überschuldete Südländer, die bezogene Waren gar nicht mehr bezahlen, sondern über Target 2 laufen lassen. Das sind alles ungedeckte Schecks. Im Endeffekt bezahlen wir unsere Exporte in diese Ländern selbst, da diese Forderungen nie mehr beglichen werden.
Um diese Schuldenländer am Leben zu erhalten, dreht die EZB die Zinsen ins Minus. Wir werden schleichend enteignet und unsere AV löst sich in Luft auf. Die Leute verstehen diese Dinge aber nicht. In einem Gespräch mit meinem MdL hatte dieser nur Fragezeichen im Gesicht.
ICH persönlich habe von der EU 0,0 Vorteil. Früher gehörte es zum Urlaubsfeeling am Brenner zu stehen und Lire zu wechseln.
Die Briten haben alles richtig gemacht, lieber mal 2 Jahre Traufe aber dafür eigenständige Handelspolitik, eigenständige Fiskalpolitik, eigenständige Gesundheitspolitik usw usw.

AW: "Vorteile der EU"

von Thomas Beck am 28.01.2020 um 16:44 Uhr

Die militärischen Aspekte sind erst bei der EU in den Vordergrund getreten, nämlich in Gestalt der Permanent Structured Cooperation (PESCO), der "militärische Schengenraum". Das gab es weder in der EG noch in der EWG.

AW: "Vorteile der EU"

von Bernd Jas am 28.01.2020 um 22:18 Uhr

@ Frau Peter,
Sie haben es genau erfasst!
Diese Vernichtung von mehreren Billionen € (eine unglaubliche dreizehnstellige Zahl) seit etwa zwanzig Jahren, werden unsere
Enkelsenkel selbst bei einer Schuldenvollbremsung nur in aller armseligster Not auffangen können.
Wenn ich jetzt noch dreißig wäre, ging es auf zum Land of the Scots.

Überwachung

von Bernd Küsgens am 28.01.2020 um 12:39 Uhr

Wenn es richtig ist, dass DM selbst erklärt hat, dass eine Überwachung durch die Niederlande nicht stattfindet, dann sollte die deutsche Aufsichtsbehörde, hier der RP Köln eine Überprüfung beantragen. Dann aber nicht bei DM sondern beim zuständigen niederländischen Ministerium.

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Von wem wird nun überwacht?

von Beobachter am 28.01.2020 um 12:09 Uhr

Wenn die Überwachung durch deutsche Behörden erfolgt, dann gilt es die Preisbindung einzuhalten - oder?

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.

von Anita Peter am 28.01.2020 um 12:01 Uhr

Da es keine Überwachung gibt, gibt es auch keine Probleme mit der Überwachung. Typische EU Logik.

"Da sie nicht durch Personal vor Ort individuell beraten und eine Notfallversorgung mit Arznei­mitteln sicherstellen könnten"

-> Und genau das ist der triftigste Grund für ein RXVV. Durch das Gericht selbst geliefert. Versender beraten nicht und stellen keine Notfallversorgung sicher.

RXVV JETZT!

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EU Verdruß

von ratatosk am 28.01.2020 um 11:57 Uhr

Wenn sich der Brexit Unsinn wieder gelegt hat, werden solche Leute dafür sorgen, daß die EU nie wirklich bei den Bürgern ankommt, sondern nur beim Großkapital.
Den Rest macht eine irre deutsche Politik gegen die eigenen Bürger.

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