Rechtsstreit um Rezeptur

Widersprüchliche Briefe zu Opiumtinktur

10.03.2020, 16:15 Uhr

Kann man Opiumtinktur als Rezeptur abgeben – ja oder nein? Apotheken sind derzeit verunsichert. (Foto: imago images / PicturePoint)

Kann man Opiumtinktur als Rezeptur abgeben – ja oder nein? Apotheken sind derzeit verunsichert. (Foto: imago images / PicturePoint)


Argumente gegen Rezeptur

Auf diese einstweilige Verfügung bezieht sich Innocur in den jüngsten Briefen an Apotheker. Darin heißt es, bisher würden Apotheken eingestellte Opiumtinktur als Rezeptur abgeben. Doch seit August 2018 stehe für die Anwendung bei schwerer Diarrhoe das zugelassene Fertigarzneimittel Dropizol® der dänischen Firma Pharmanovia zur Verfügung, das von Innocur vertrieben werde. Dagegen verfüge die Opiumtinktur von Maros über keine Zulassung. Diese Opiumtinktur werde nur umgefüllt und neu gekennzeichnet. „Veränderungen der Wirksubstanz oder wesentliche Herstellungsschritte durch den Apotheker werden grundsätzlich nicht vorgenommen“, heißt es in dem Schreiben weiter. Nach Auffassung der Pharmanovia handele es sich daher um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel. Daraufhin habe Pharmanovia im Januar 2020 beim Landgericht Hamburg die oben erwähnte einstweilige Verfügung gegen eine Apotheke erwirkt.

Rechtfertigung für Rezeptur

Daraufhin meldeten sich verunsicherte Apotheker bei der Firma Maros. Diese antwortet darauf mit einem Brief an interessierte Apotheker und bekräftigt darin, dass ihr für die Opiumtinktur eine Herstellungserlaubnis, eine Großhandelserlaubnis und eine BtM-Erlaubnis vorliege. Maros verweist außerdem auf die oben erwähnte Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom Mai 2019. Demnach handle es sich bei der Opiumtinktur nicht um ein Fertigarzneimittel. Daher bedürfe ihr Vertrieb keiner Zulassung und sei legal.

Zur einstweiligen Verfügung gegen eine Apotheke erklärt Maros, es sei schwer nachzuvollziehen, dass das Unternehmen über die genannten Erlaubnisse verfüge und das Landgericht Hamburg den Vertrieb der Opiumtinktur ebenfalls als legal einstufe, „der Apotheker jedoch aus der legal für Rezepturzwecke in Verkehr gebrachten Tinctura Opii normata kein Rezepturarzneimittel herstellen dürfen soll“. Die Herstellung solcher Rezepturarzneimittel aus Opiumtinktur sei über Jahrzehnte von den Behörden als legal betrachtet worden und werde es aktuell nach Erkenntnissen von Maros weiterhin. Warum dies auf einmal rechtswidrig sein soll, weil nun auch ein Fertigarzneimittel mit Opiumtinktur verfügbar sei, wolle „nicht einleuchten“, heißt es von der Firma Maros. Wenn das Fertigarzneimittel dagegen im Wettbewerb überzeuge, werde es seine Marktanteile erhalten.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Wenig Hoffnung für Vernunft

von ratatosk am 12.03.2020 um 15:50 Uhr

Wenn man sich den grotesken Irrsinn z.B bei der Biozid Verordnung ansieht, sieht man, wohin die Reise geht.
Einfache Orientierung in D mittlerweile - wenn was vernünftig ist, wird es durch Politik mit schlechten Geschetzen und durch unsere Bürokratie plattgemacht.
Zudem ist Vernunft ja noch nicht einmal ein Kriterium in der Juristerei, hier gelten auch schon mal eigenkonstruierte Parallelwelten, solange diese in den selbstgebastelten Konstrukten laufen.

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Ausgerechnet Hamburg

von Michael Mischer am 11.03.2020 um 11:17 Uhr

LG Hamburg und OLG Hamburg werden noch die gesamte Apothekenrezeptur zu Grabe tragen, wenn nicht irgendwann ein Kollege das bis in die letzte Instanz tragen kann.

Die DAZ zitierte 2017 das LG HH in einem Verfahren um die Kapselherstellung bei Idebenon-Kapseln mit diesen Worten:
„Das bloße Portionieren eines Wirkstoffs stellt keinen materiellen Schritt des Herstellens eines Arzneimittels dar“
Wenn das schon auf eine Kapselherstellung zutrifft, was wird das LG dann zum Umfüllen von Opiumtinktur sagen?

Weiß jemand, ob und wie dieser Rechtstreit geendet hat? Die Redaktion vielleicht?

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Rezepturherstellung ist wirtschaftlicher

von Alexander Adler am 11.03.2020 um 8:57 Uhr

Wir sollten froh sein über die Möglichkeit der Rezepturherstellung: In Ländern, wo die Opiumtinktur keine vergleichbare Bedeutung hat wie in Deutschland, stören sich die gesetzlichen Kostenträger seit längerem an dem unangemessen hohen Preis von Dropizol:

http://www.ncpe.ie/drugs/opium-tincture-dropizol/

Dies als ökonomischer Hinweis, abgesehen von der geschilderten juristischen Thematik .

Gruß A. Adler

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Abgabepreise

von Gerhard Zück am 10.03.2020 um 22:36 Uhr

Angesichts des horrenden Unterschiedes in den Abgabepreisen für Tct. opii normata lt. Hilfstaxe und Dropizol (R) könnten die ges. Krankenkassen eine Festbetragsregelung erwägen....

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