Rechtsstreit um Rezeptur

Widersprüchliche Briefe zu Opiumtinktur

10.03.2020, 16:15 Uhr

Kann man Opiumtinktur als Rezeptur abgeben – ja oder nein? Apotheken sind derzeit verunsichert. (Foto: imago images / PicturePoint)

Kann man Opiumtinktur als Rezeptur abgeben – ja oder nein? Apotheken sind derzeit verunsichert. (Foto: imago images / PicturePoint)


Einige Apotheker fühlen sich derzeit verunsichert, wie die Abfüllung von Opiumtinktur und die Abgabe als Rezepturarzneimittel rechtlich zu bewerten sind. Denn einige Apotheken haben kürzlich ein Schreiben von der Firma Innocur erhalten, das auf eine einstweilige Verfügung gegen eine Apotheke verweist. Die Firma Maros als Hersteller von Opiumtinktur zur Rezepturzwecken liefert dagegen in einem Schreiben Argumente für die jahrzehntelange Praxis. Für zusätzliche Beruhigung dürfte ein Rundschreiben des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein vom heutigen Dienstag sorgen.

Die Firma Innocur als Hersteller eines Opiumtinktur-Fertigarzneimittels und die Firma Maros als Hersteller von Opiumtinktur zu Rezepturzwecken standen schon im vorigen Jahr gegeneinander in einem Rechtsstreit. Doch in diesen Tagen wendet sich Innocur mit Briefen an Apotheken und berichtet über eine einstweilige Verfügung, die einer Apotheke die Abgabe von Opiumtinktur der Firma Maros als Rezeptur untersage. Innocur folgert, die Apotheker würden damit ein zulassungspflichtiges Arzneimittel ohne Zulassung in den Verkehr bringen.

Stärkung der Rezeptur im Mai 2019

Allerdings hatte das Landgericht Hamburg im Mai 2019 einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen Maros zurückgewiesen (siehe „Versandgefäß ist kein Fertigarzneimittel“, DAZ 2019, Nr. 38, S. 22). Das Gericht hatte in seiner Begründung insbesondere erklärt, dass Maros über eine gültige Herstellungserlaubnis für eingestellte Opiumtinktur zu Rezepturzwecken verfüge. Über einen solchen Verwaltungsakt könne sich ein Wettbewerbsverfahren nicht hinwegsetzen. Maros bringe die Opiumtinktur in einer nicht anwendungsfähigen Verpackung in Verkehr. Außerdem sei die Menge größer als die betäubungsmittelrechtlich zulässige Abgabemenge für einen einzelnen Patienten. Daher sei das Produkt nicht zur Abgabe an Verbraucher bestimmt. Weiter hatte das Gericht erklärt, derjenige, der das Arzneimittel in Verkehr bringe, habe es in der Hand, ob es zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sei und damit als Fertigarzneimittel in Verkehr gebracht werde. Das Landgericht Hamburg erließ daraufhin im Mai 2019 keine einstweilige Verfügung gegen Maros. Die DAZ wertete dies in einem Beitrag vom September 2019 als Stärkung der Rezeptur (siehe oben).

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Einstweilige Verfügung im Januar 2020

Im Januar 2020 erließ das Landgericht Hamburg jedoch eine einstweilige Verfügung gegen eine Hamburger Apotheke. Darin wurde der Apotheke untersagt, Opiumtinktur als Rezeptur in Verkehr zu bringen. Damit hat der Rechtsstreit, der bisher primär die Hersteller betraf, die Apotheken erreicht. Die betroffene Apotheke hat mittlerweile Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt, um die Rezepturtätigkeit nicht preisgeben zu müssen. Eine gerichtliche Entscheidung dazu steht aus.

Argumente gegen Rezeptur

Auf diese einstweilige Verfügung bezieht sich Innocur in den jüngsten Briefen an Apotheker. Darin heißt es, bisher würden Apotheken eingestellte Opiumtinktur als Rezeptur abgeben. Doch seit August 2018 stehe für die Anwendung bei schwerer Diarrhoe das zugelassene Fertigarzneimittel Dropizol® der dänischen Firma Pharmanovia zur Verfügung, das von Innocur vertrieben werde. Dagegen verfüge die Opiumtinktur von Maros über keine Zulassung. Diese Opiumtinktur werde nur umgefüllt und neu gekennzeichnet. „Veränderungen der Wirksubstanz oder wesentliche Herstellungsschritte durch den Apotheker werden grundsätzlich nicht vorgenommen“, heißt es in dem Schreiben weiter. Nach Auffassung der Pharmanovia handele es sich daher um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel. Daraufhin habe Pharmanovia im Januar 2020 beim Landgericht Hamburg die oben erwähnte einstweilige Verfügung gegen eine Apotheke erwirkt.

Rechtfertigung für Rezeptur

Daraufhin meldeten sich verunsicherte Apotheker bei der Firma Maros. Diese antwortet darauf mit einem Brief an interessierte Apotheker und bekräftigt darin, dass ihr für die Opiumtinktur eine Herstellungserlaubnis, eine Großhandelserlaubnis und eine BtM-Erlaubnis vorliege. Maros verweist außerdem auf die oben erwähnte Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom Mai 2019. Demnach handle es sich bei der Opiumtinktur nicht um ein Fertigarzneimittel. Daher bedürfe ihr Vertrieb keiner Zulassung und sei legal.

Zur einstweiligen Verfügung gegen eine Apotheke erklärt Maros, es sei schwer nachzuvollziehen, dass das Unternehmen über die genannten Erlaubnisse verfüge und das Landgericht Hamburg den Vertrieb der Opiumtinktur ebenfalls als legal einstufe, „der Apotheker jedoch aus der legal für Rezepturzwecke in Verkehr gebrachten Tinctura Opii normata kein Rezepturarzneimittel herstellen dürfen soll“. Die Herstellung solcher Rezepturarzneimittel aus Opiumtinktur sei über Jahrzehnte von den Behörden als legal betrachtet worden und werde es aktuell nach Erkenntnissen von Maros weiterhin. Warum dies auf einmal rechtswidrig sein soll, weil nun auch ein Fertigarzneimittel mit Opiumtinktur verfügbar sei, wolle „nicht einleuchten“, heißt es von der Firma Maros. Wenn das Fertigarzneimittel dagegen im Wettbewerb überzeuge, werde es seine Marktanteile erhalten.

Beruhigendes Rundschreiben aus Schleswig-Holstein

Der Apothekerverband Schleswig-Holstein wandte sich in der Angelegenheit am heutigen Dienstag in einem Rundschreiben mit beruhigendem Tenor an seine Mitglieder. Da die im Schreiben von Innocur genannten Entscheidungen nicht vorlägen, könne nicht eingeschätzt werden, auf welchen rechtlichen Erwägungen sie beruhen. Doch Gerichtsentscheidungen hätten formal nur Rechtswirkung zwischen den Beteiligten. Außerdem gehe der Verband auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes davon aus, dass die Verwendung von Opiumtinktur als Rezepturausgangsstoff rechtlich nicht angreifbar sei, sofern der Ausgangsstoff nicht als Fertigarzneimittel eingestuft werde. Doch dagegen spreche die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom Mai 2019.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Wenig Hoffnung für Vernunft

von ratatosk am 12.03.2020 um 15:50 Uhr

Wenn man sich den grotesken Irrsinn z.B bei der Biozid Verordnung ansieht, sieht man, wohin die Reise geht.
Einfache Orientierung in D mittlerweile - wenn was vernünftig ist, wird es durch Politik mit schlechten Geschetzen und durch unsere Bürokratie plattgemacht.
Zudem ist Vernunft ja noch nicht einmal ein Kriterium in der Juristerei, hier gelten auch schon mal eigenkonstruierte Parallelwelten, solange diese in den selbstgebastelten Konstrukten laufen.

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Ausgerechnet Hamburg

von Michael Mischer am 11.03.2020 um 11:17 Uhr

LG Hamburg und OLG Hamburg werden noch die gesamte Apothekenrezeptur zu Grabe tragen, wenn nicht irgendwann ein Kollege das bis in die letzte Instanz tragen kann.

Die DAZ zitierte 2017 das LG HH in einem Verfahren um die Kapselherstellung bei Idebenon-Kapseln mit diesen Worten:
„Das bloße Portionieren eines Wirkstoffs stellt keinen materiellen Schritt des Herstellens eines Arzneimittels dar“
Wenn das schon auf eine Kapselherstellung zutrifft, was wird das LG dann zum Umfüllen von Opiumtinktur sagen?

Weiß jemand, ob und wie dieser Rechtstreit geendet hat? Die Redaktion vielleicht?

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Rezepturherstellung ist wirtschaftlicher

von Alexander Adler am 11.03.2020 um 8:57 Uhr

Wir sollten froh sein über die Möglichkeit der Rezepturherstellung: In Ländern, wo die Opiumtinktur keine vergleichbare Bedeutung hat wie in Deutschland, stören sich die gesetzlichen Kostenträger seit längerem an dem unangemessen hohen Preis von Dropizol:

http://www.ncpe.ie/drugs/opium-tincture-dropizol/

Dies als ökonomischer Hinweis, abgesehen von der geschilderten juristischen Thematik .

Gruß A. Adler

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Abgabepreise

von Gerhard Zück am 10.03.2020 um 22:36 Uhr

Angesichts des horrenden Unterschiedes in den Abgabepreisen für Tct. opii normata lt. Hilfstaxe und Dropizol (R) könnten die ges. Krankenkassen eine Festbetragsregelung erwägen....

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