Fakten gegen Fake News

Wie Ibuprofen, ACE-Hemmer und Sartane einzuordnen sind

Stuttgart - 16.03.2020, 17:55 Uhr

Was ist dran an dem am Wochenende kursierenden Gerücht, dass ACE-Hemmer, Sartane und Ibuprofen eine COVID-19-Erkrankung verschlimmern? (Foto: imago images / ZUMA Press)

Was ist dran an dem am Wochenende kursierenden Gerücht, dass ACE-Hemmer, Sartane und Ibuprofen eine COVID-19-Erkrankung verschlimmern? (Foto: imago images / ZUMA Press)


Für große Verunsicherung sorgt eine in den sozialen Medien verbreitete WhatsApp-Sprachnachricht, nach der die Universität Wien den Verdacht hegt, dass die Einnahme von Ibuprofen den Verlauf von COVID-19-Infektion massiv verschlechtern soll und eine entsprechende Studie durchführt. Die Universität Wien hat umgehend dementiert. Doch der Verdacht ist nicht aus der Welt. Vor allem aus Frankreich und der Schweiz kommen Ratschläge, zur Fiebersenkung falls notwendig Paracetamol einzusetzen und auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen und Diclofenac zu verzichten.

Die unseres Wissens einzig auffindbare Quelle, die die potenzielle schädliche Wirkung von Ibuprofen untermauern soll, ist ein am 11. März 2020 im Lancet Respiratory Medicine erschienene Correspondance (von L. Fang L, G. Karakiulakis und M. Roth). Die Autoren erklären dort, dass ACE2, der Rezeptor, der den SARS-Viren den Eintritt in die Zellen ermöglicht, nicht nur durch ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptor-Antagonisten (Sartane) hochreguliert wird. Auch Thiazolidindione und Ibuprofen sollen dieses tun.

Mehr zum Thema

An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass im Tierversuch mit Ratten eine Hochregulation von ACE2 in Herzzellen durch ACE-Hemmer und Angiotensin-1-Rezeptorblocker gezeigt werden konnte. Auch gibt es Versuche an diabetischen Ratten, die einen Einfluss von Ibuprofen auf das System zeigen. Doch gibt es bislang keinen Beleg dafür, dass diese Arzneistoffe den COVID-19-Verlauf verschlimmern. Im Falle von ACE-Hemmern und Sartanen könnte auch das Gegenteil der Fall sein. Denn es gibt ebenso experimentelle Daten und Hypothesen, nach denen ACE-Hemmer und Angiotensin1-Rezeptorblocker vor dem Eindringen von SARS-CoV-2 schützen können. Keine dieser widersprüchlichen Hypothesen ist bislang in klinischen Studien untermauert oder widerlegt worden. Deshalb wird eindringlich davor gewarnt, eine ACE-Hemmer- oder Sartan-Therapie einfach abzusetzen.

Einfluss von Medikamenten auf COVID-19 nicht nachgewiesen

Seit Bekanntwerden der auch als Fake News bezeichneten WhatsApp-Nachricht bemühen sich Mediziner und Fachportale, die Sachlage verständlich dar- und richtigzustellen. So auch das Schweizer Online-Portal Infomed. In einer Telegrammmeldung vom 15. März 2020 titelt es: „Corona: aktuell kein Einfluss von Medikamenten nachgewiesen.“ Auch hier wird der Lancet-Letter als Quelle der Gerüchte vermutet. Und auch hier wird darauf verwiesen, dass es durchaus Hinweise dafür gibt, dass ACE-Hemmer und Sartane sich vorteilhaft auf einen COVID-19-Verlauf auswirken könnten. Darüber hinaus finden sich hier folgende empfehlenswerte Links auf weitere Stellungnahmen von Fachgesellschaften, wie der gemeinsamen Erklärung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie und der Schweizerischen Hypertonie-Gesellschaft, der European Society of Cardiology, und dem Nephrology Journal Club.

Ibuprofen und Co.: nephrotoxisches Interaktionspotenzial beachten!

Es ist Konsens, dass vor allem Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen zu den Risikogruppen zählen, die prädestiniert sind für schwerere COVID-19-Verläufe. Oft werden sie mit einer Kombinationstherapie beispielsweise bestehend aus Sartan plus Diuretikum oder einem ACE-Hemmer plus Diuretikum behandelt. Werden dann noch nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen oder Diclofenac eingesetzt, droht eine Abnahme des glomerulären Filtrationsdrucks durch die Kombination von NSAR plus ACE-Hemmer bzw. Sartan und eine durch das Diuretikum ausgelöste Hypovolämie, die in ein akutes Nierenversagen münden können. Vor diesem auch als Triple Whammy bekannten Dreifachschlag gegen die Nieren wird immer wieder gewarnt.

Paracetamol gegen Fieber

Schon vor diesem Hintergrund ist allen Patienten mit einer entsprechenden Therapie bestehend aus Sartanen und Diuretikum oder ACE-Hemmern und Diuretikum dringend zu raten, Fieber nicht mit NSAR, sondern nach Möglichkeit mit Paracetamol zu behandeln. Kontraindikationen sind abzuklären, eine Tageshöchstdosis von 4 g (8 Tabletten zu 500 mg) darf nicht überschritten werden. Sonst drohen schwere Leberschädigungen. Eine Empfehlung, die jetzt bei einem COVID-19-Verdacht natürlich auch jedem anderen Patienten gegeben werden kann. Ist eine entzündungshemmende Therapie erforderlich, ist Paracetamol nicht geeignet. Hier sollte unbedingt Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden.



Dr. Doris Uhl (du), Apothekerin
Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

ACE II, selektive Betablocker!! Aufgepasst

von OESCH am 12.04.2020 um 20:25 Uhr

Die Studie von Prof. Raimond Raoult sagt etwas anderes aus!!
HCQ-AZ Studie an 1061 hospitalisierten Covid-19 Patienten, von Raimond Raoult, Marseille, 09.04.2020:

-ACE II​ Rezeptorblocker und
-selektive Betablocker
führen zu einem schlechten klinischen und virologischen Ergebnis!

Mitteilung vom 21.3.2020 zu ihrem Artikel:
SARS-CoV-2: Begünstigen ACE-Hemmer schwere Verläufe?

Die Statistiken aus Italien zeigen:
-74% der verstorbenen waren Bluthochdruck-Patienten
-52% der verstorbenen nahmen ACE oder ARB Medikamente
Siehe:
https://t.co/J1lmnKUl0p

Als Mediziner oder Apotheker in dieser Situation mit der Devise, "Augen zu und durch" zu handeln ist meiner Meinung nach unverantwortlich.

Die nächste Krise ist abgezeichnet.

Gruss
Stefan Oesch
MS ETH

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ibu

von Wuschel am 17.03.2020 um 10:11 Uhr

Ob Fake News oder nicht.... Ibu ist seit Monaten schwer bis gar nicht lieferbar ! Es gibt 4 Firmen weltweit die Ibu herstellen. Die in Deutschland ansässige Firma produziert ausschließlich für Amerika.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ibuprofen

von Sebastian Schmidt am 16.03.2020 um 18:23 Uhr

Ibuprofen kann über seine Wirkung am PPAR Gamma Rezeptor theoretisch zu einer Überexpression von ACE2 beitragen.

1)Lehmann JM, Lenhard JM, Oliver BB, Ringold GM, Kliewer SA. Peroxisome proliferator-activated receptors alpha and gamma are activated by indomethacin and other non-steroidal anti-inflammatory drugs. J Biol Chem. 1997 Feb 7;272(6):3406-10. PubMed PMID: 9013583.
2) Horiuchi M, Iwanami J, Mogi M. Regulation of angiotensin II receptors beyond the classical pathway. Clin Sci (Lond). 2012 Aug 1;123(4):193-203. doi:10.1042/CS20110677. Review. PubMed PMID: 22548405

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ibuprofen

von A. P.- J. am 16.03.2020 um 19:12 Uhr

Besten Dank für die Information!!

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.