Zu Beginn des 3. Trimenons

STIKO empfiehlt Impfung gegen Pertussis in jeder Schwangerschaft

Stuttgart - 30.03.2020, 09:00 Uhr

Keuchhusten: Auch in Deutschland sollen nun Frauen in der Schwangerschaft gegen Pertussis geimpft werden. (s / Foto: New Africa / stock.adobe.com)

Keuchhusten: Auch in Deutschland sollen nun Frauen in der Schwangerschaft gegen Pertussis geimpft werden. (s / Foto: New Africa / stock.adobe.com)


Es hatte sich in den vergangenen Jahre anhand der Empfehlungen in anderen Ländern bereits abgezeichnet, jetzt ist es so weit: Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Pertussisimpfung mit einem Tdap-Kombinationsimpfstoff während der Schwangerschaft nun auch für Deutschland. Das hat sie auf ihrer 95. Sitzung am 4. März 2020 beschlossen. 

Es ist so weit: Seit dem 26. März empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkomission) die Impfung gegen Pertussis für schwangere Frauen zu Beginn des 3. Trimenons. Bei erhöhter Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt sollte die Impfung ins 2. Trimenon vorgezogen werden, heißt es in der wissenschaftlichen Begründung, die dazu im Epidemiologischen Bulletin erschienen ist. „Die Impfung soll unabhängig vom Abstand zu vorher verabreichten Pertussisimpfungen und in jeder Schwangerschaft erfolgen.“ 

Geschützt werden sollen mit der Impfung vor allem Neugeborene und junge Säuglinge. Denn trotz weltweit hoher Impfquoten bei Kindern bleibe die Krankheitslast durch Keuchhusten beträchtlich und gerade bei Säuglingen könne die Infektion zu Apnoen, Pneumonien, Otitiden, Enzephalopathien und bedingt durch eine extreme Lymphozytose, auch zu Lungenhochdruck führen. Säuglinge unter sechs Monaten haben dabei laut STIKO das höchste Risiko für Krankheitskomplikationen. Säuglinge unter zwei Monaten weisen darunter den höchsten Anteil von schweren und letalen Verläufen auf.  

Besonders „gemein“ an Pertussis, ist die Dauer der Symptome: mehrere Wochen bis Monate. Die typische Erstinfektion bei Ungeimpften verläuft laut STIKO in drei Stadien:

  • Stadium catarrhale, meist 1–2 Wochen (Spanne: 5–21 Tage): erkältungsähnliche Symptome, wie Schnupfen und leichter Husten 
  • Stadium convulsivum über 4–6 Wochen: klassische Symptome der anfallsweise auftretenden Hustenstöße (Stakkatohusten), gefolgt von inspiratorischem Ziehen 
  • Stadium decrementi über 6–10 Wochen: allmähliches Abklingen der Hustenanfälle

Bei Säuglingen verlaufe die Krankheit oftmals untypisch: Im „Stadium convulsivum“ (siehe Kasten) könnten statt der Hustenanfälle Luftschnappen, Würgen, hervortretende Augen, Bradykardie, Apnoen, Zyanose oder Erbrechen im Vordergrund stehen.

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Nestschutz gegen Keuchhusten

Sind Jugendliche, Erwachsene sowie Kinder geimpft, äußert sich Pertussis häufig lediglich als lang andauernder Husten ohne die klassischen Begleitsymptome. Als insgesamt häufigste Komplikation einer Pertussis gilt die Pneumonie. Sie werde zumeist durch Sekundärinfektion mit anderen bakteriellen Erregern, insbesondere Pneumokokken oder nicht bekapselten Haemophilus influenzae verursacht. Auch hier gibt es eine Häufung bei Säuglingen: „Sie tritt bei 10 Prozent aller erkrankten Säuglinge und bei 4 bis 9 Prozent erkrankter Personen ab 50 Jahren auf, bei älteren Kindern und jüngeren Erwachsenen ist diese Komplikation deutlich seltener.“

Impfeffektivität für den Säugling: über 90 Prozent 

Trotz der Impfempfehlungen, die in Deutschland bislang vorhanden waren, erkranken insbesondere Säuglinge laut STIKO immer noch sehr häufig an Pertussis – was den „dringlichen Bedarf“ zeige, insbesondere bei jungen Säuglingen für einen besseren Schutz vor einer Pertussis zu sorgen.

Bisherige Pertussis-Impfempfehlung der STIKO

  • Grundimmunisierung mit vier Impfdosen im Alter von zwei, drei, vier und 11-14 Monaten
  • Auffrischimpfungen im Vorschul- und Jugendalter sowie einmalig bei der nächsten fälligen Tetanus-Diphtherie-Auffrischungsimpfung im Erwachsenenalter

+ die „Kokon-Strategie“

Die STIKO empfiehlt seit 2009 als Maßnahme zum Schutz von Neugeborenen vor einer Pertussiserkrankung die Impfung von Frauen mit Kinderwunsch, engen Haushaltskontaktpersonen und Betreuern vor der Geburt eines Kindes. 

Die Kokon-Strategie soll zwar weiterhin als begleitende Präventionsmaßnahme sinnvoll sein, sei jedoch nicht als gleichwertige Alternative zur Impfung in der Schwangerschaft anzusehen.

Laut STIKO wurde in verschiedenen Studien gezeigt, dass bei der Mehrzahl schwangerer Frauen in westlichen Ländern die pertussisspezifischen Antikörperkonzentrationen sehr niedrig sind. Ein Schutz der Neugeborenen vor Pertussis durch diaplazentare Antikörperübertragung in den ersten Lebensmonaten gelte damit als sehr unwahrscheinlich. Dagegen führe eine Impfung während der Schwangerschaft zu hohen Antikörperkonzentrationen bei der werdenden Mutter und dem Neugeborenen. 

Es heißt, dass in den meisten Studien die Impfeffektivität der maternalen Pertussisimpfung in der Schwangerschaft unabhängig vom verwendeten Impfstoff über 90 Prozent lag – für die Verhinderung von laborbestätigten (oder zu einem geringen Teil klinischen) Pertussiserkrankungen, Hospitalisierungen und Todesfällen bei Säuglingen im Alter von ≤ 2 bzw. ≤ 3 Monaten. 

Welche Impfstoffe für die Schwangerschaft zugelassen sind 

Laut STIKO wurde für die Impfstoffe Covaxis und Repevax kürzlich die Zulassung auf das 2. und 3. Trimenon der Schwangerschaft erweitert und für Boostrix und Boostrix-Polio liegt eine Zulassungserweiterung für den Einsatz im 3. Trimenon vor. „TdaP-Immun ist nicht explizit für eine Anwendung in der Schwangerschaft zugelassen.“

Allerdings kommt es darauf an, wann während der Schwangerschaft geimpft wird. Zusammenfassend ist laut STIKO das Intervall zwischen Impfzeitpunkt und Geburt entscheidend. 

Der optimale Zeitpunkt für die Pertussisimpfung in der Schwangerschaft

Der Impfzeitpunkt früh im 3. Trimenon scheint optimal zu sein: „Idealerweise sollte im frühen 3. Trimenon und spätestens zwei, besser vier Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin geimpft werden.“ Bei erhöhter Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt sollte die Impfung also ins 2. Trimenon vorgezogen werden. 

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Unsichere Impfung?

Außerdem soll – vor dem Hintergrund, dass der Anteil schwangerer Frauen, die im Kindesalter mit aP-Impfstoffen grundimmunisiert wurden, in den nächsten Jahren zunehmen werde und dass keine Hinweise für Sicherheitsbedenken vorliegen – eine Impfung in jeder Schwangerschaft sinnvoll sein. Damit sollen nicht nur möglichst hohe pertussisspezifische Antikörperkonzentrationen bei Säuglingen zum Zeitpunkt der Geburt gewährleistet werden. Es wurde auch gezeigt, dass die mütterlichen Antikörper schon zwölf Monate nach der Pertussisimpfung wieder stark abfallen. Im Falle einer erneuten Schwangerschaft wären sie ohne Auffrischung für den passiven Schutz des Kindes also nicht hoch genug. 

Doch könnte sich die TdaP-Impfung schwangerer Frauen am Ende vielleicht negativ auf die Immunantwort auf die anschließenden Routineimpfungen im Säuglingsalter auswirken? „Zumindest für den Endpunkt Pertussis“ kann laut STIKO geschlussfolgert werden, dass es „keine Evidenz für eine klinisch relevante Interferenz zwischen der mütterlichen Impfung und den nachfolgenden Säuglingsimpfungen für dieses Antigen gibt“. Allerdings sollen immunologische Studien Hinweise auf verminderte Antikörperantworten auf die ersten Dosen der Impfstoffe gegen Pertussis-, Diphtherie- und einige Pneumokokken-Serotypen zeigen. Nach der 4. Dosis TDaP-haltiger Impfstoffe sei in den meisten Studien jedoch wiederum keine Interferenz mehr beobachtet worden. 

Auch die Mütter werden geschützt 

Obwohl die humorale Antikörperantwort in allen Studien bei Schwangeren etwas geringer ausgefallen sein soll als bei nichtschwangeren Frauen, könne davon ausgegangen werden, dass neben den Säuglingen auch die Mütter durch eine azelluläre Pertussisimpfung in der Schwangerschaft einen Immunschutz gegen die Krankheit erlangen, schreibt die STIKO. 

Daten aus dem Vereinigten Königreich, den USA und anderen Ländern sollen zeigen, dass die Pertussisimpfung sowohl für die Schwangere, den Feten, den Schwangerschaftsverlauf als auch das Neugeborene sicher ist.

Pertussis ist hoch ansteckend (Kontagositätsindex: 90 Prozent) 

Laut STIKO erfolgt die Übertragung 

  • durch Tröpfcheninfektion (Husten, Niesen, Sprechen)
  • durch engen Kontakt mit einer infektiösen Person innerhalb eines Abstandes von ca. 1 Meter.

Die Inkubationszeit beträgt meist 9 bis10 Tage (Spanne: 6 bis 20 Tage).

Schon über 1500 Fälle

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Zum Hintergrund erklärt die STIKO, dass die Impfkommission der USA die aP-Impfung in der Schwangerschaft schon seit 2011 empfiehlt. Auch im Vereinigten Königreich, in Australien, Argentinien, Belgien, der Schweiz, Spanien und den Niederlanden seien in den Folgejahren entsprechende Empfehlungen ausgesprochen worden. „Im Vereinigten Königreich wurde im Jahr 2012 im Rahmen eines Notfallplans während eines landesweiten Pertussisausbruchs mit 14 Todesfällen unter ungeimpften Säuglingen die Pertussisimpfung Schwangerer eingeführt.“ 2014 wurde die Weiterführung dieser Impfstrategie beschlossen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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