SARS-CoV-2 in Krisengebieten

COVID-19: Lagebericht der pharmazeutischen Hilfsorganisationen

Stuttgart - 07.04.2020, 10:15 Uhr

Händedesinfektionsmittel werden in der Zentralapotheke einer kirchlichen Organisation mit Hilfe des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission e. V. hergestellt. (c / Bild: Difäm)

Händedesinfektionsmittel werden in der Zentralapotheke einer kirchlichen Organisation mit Hilfe des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission e. V. hergestellt. (c / Bild: Difäm)


Die Corona-Pandemie ist eine globale Krise. Immer wieder betont die WHO, wie wichtig „Solidarität“ ist. Auch den vier Hilfsorganisationen action medeor e.V, Apotheker Helfen e.V., Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V. und dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission - Difäm e. V. ist es ein Anliegen, „den Blick auch auf Kolleg*innen und Menschen zu richten, die in dieser Situation mehr denn je unserer Unterstützung bedürfen“. Ein Lagebericht der vier zeigt, wie schwer die COVID-19-Pandemie in den Krisengebieten der Welt zu meistern ist. 

Vergangenen Donnerstag forderte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen e.V. von der EU die dringende Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager: Man verstehe nicht, warum dies so lange dauert, während gleichzeitig die COVID-19-Pandemie eine potenziell tödliche Bedrohung für die auf den Inseln festsitzenden geflüchteten Menschen darstelle, heißt es in einer Mitteilung vom 2. April. Einen Ausbruch von COVID-19 in den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln einzudämmen, wäre unmöglich. In einigen Teilen des Lagers Moria auf Lesbos müssten sich 1300 Menschen den Zugang zu Wasser an einem Hahn teilen, und es gebe keine Seife. Familien müssten zu fünft oder sechst auf drei Quadratmetern schlafen. 

Nicht nur Ärzte ohne Grenzen hat seine Hilfe anlässlich der SARS-CoV-2-Pandemie mittlerweile weltweit ausgeweitet. Auch die pharmazeutischen Hilfsorganisationen aus Deutschland sorgen sich um ihre Partner in Krisengebieten. Dort setze man gezielt auf Stärkung der Hygiene, Aufklärung und Schutzausrüstung. Doch die finanziellen Mittel sind begrenzt. Deshalb erfolgt parallel zu einem gemeinsamen Lagebericht über die Arbeit der vier Hilfsorganisationen auch ein Spendenaufruf: 

Deutsches Medikamentenhilfswerk

action medeor e.V.

Spendenkonto:

Deutsche Bank in Krefeld:

IBAN DE62320700800011800000

www.medeor.de

Apotheker Helfen e.V.

Spendenkonto:

Deutsche Apotheker- und Ärztebank

IBAN: DE02300606010004793765

www.apotheker-helfen.de

Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V.

Spendenkonto:

Deutsche Apotheker- und Ärztebank

IBAN: DE 88 3006 0601 0005 0775 91

www.apotheker-ohne-grenzen.de

Deutsches Institut für Ärztliche Mission e. V. – Difäm e.V.

Spendenkonto:

Evangelische Bank eG

IBAN: DE36 5206 0410 0000 4066 60

www.difaem.de

Arme Länder bald Epizentren für COVID 19

Pharmazeuten sind – laut dem gemeinsamen Lagebericht der vier Hilfsorganisationen vom vergangenen Freitag – in der gegenwärtigen Coronakrise gefragt: In Deutschland beraten sie unermüdlich Patienten und Kunden in der öffentlichen Apotheke. In Ländern des globalen Südens seien Pharmazeuten die Experten für die Beschaffung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und der Schlüssel für ein funktionierendes Gesundheitssystem.

Beeindruckend sei, wie in diesen Zeiten Pharmazeutische Netzwerke als Wissensvermittler aktiv sind und sich über Netzwerke gegenseitig unterstützen. So habe etwa der Weltapothekerverband (FIP) einen Rechner entwickelt, um den Bedarf von Schutzausrüstung und Sauerstoff abzuschätzen. 

Doch die Situationen, mit denen man sich an vielen Orten konfrontiert sieht, sind prekär. Dr. Mulenga, ein Apotheker aus Sambia, schreibt beispielsweise in einem Diskussionsforum, warum arme Länder bald Epizentren für COVID-19 sind: Schlechte Infrastruktur des öffentlichen Gesundheitswesens, mangelnde Vorbereitung, zu viel Politik, Slumbedingungen mit sehr schlechten sanitären Einrichtungen und Leben auf engstem Raum.

Vorbereitung auf COVID-19 darf normale Versorgung nicht gefährden

Action medeor e. V. arbeitet dem Lagebericht zufolge schon seit Längerem mit der „Christian Social Service Commission“ (CSSC) in Tansania zusammen. CSSC ist eine gemeinnützige kirchlich verankerte Organisation, die als ökumenischer Dachverband 900 kirchliche Gesundheitseinrichtungen und 478 kirchliche Bildungseinrichtungen in Tansania vertritt. Action medeor schätzt zusammen mit seinen Partnern den aktuellen Bedarf für Krankenhäuser ab, um so auf COVID-19-Patienten vorbereitet zu sein. In die Überlegungen fließen der Beschaffungszyklus, die Anzahl der erwarteten Patienten und deren Gesundheitszustand und die Anzahl des medizinischen Personals ein.

Auch Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V. (AoG) arbeite in Tansania mit der lokalen Niederlassung von action medeor zusammen, heißt es. Ein Gesundheitszentrum im Süden Tansanias kaufe mit Unterstützung von AoG seit Jahren qualitativ hochwertige Medikamente und Hilfsmittel ein. 

Doch die Vorbereitung auf einen möglichen Ausbruch mit COVID-19 dürfe die normale Versorgung der Patienten, insbesondere von chronisch Kranken, Malariapatienten oder Schwangeren, nicht gefährden, heißt es weiter. AoG schule das Apothekenpersonal in Tansania und anderen Projekten deshalb in Bedarfsermittlung und Lagermanagement.

Gebiete, wo es keine Pharmazeuten gibt

In Uganda hat AoG zusammen mit Apotheker Helfen e.V. (AH) und der lokalen „EMESCO Development Foundation“ einen pharmazeutischen Großhandel unter Leitung eines Apothekers im Kibaale Distrikt eingerichtet. In dieser ländlichen Gegend habe es zuvor keinen einzigen ausgebildeten Pharmazeuten gegeben und die Gesundheitseinrichtungen bestellten Medikamente ausschließlich in der Hauptstadt. Die Einführung einer AoG-Software zum Lagermanagement erleichtere nun die Bestandsführung enorm, heißt es.  

Aufstellen von Waschplätzen

EMESCO setzt laut dem Bericht zudem mit der Unterstützung von AH neben der Verbesserung der Händehygiene durch Aufstellen von Waschplätzen im gesamten Distrikt auch auf Aufklärung. „Community Health Worker“ beraten ihre Dorfbevölkerung und das lokale Radio sende hunderte von Aufklärungsspots und produziere Informationssendungen. 

Hilfe – nicht nur im Ausland

Am 31. März hatte AoG (Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V.) über einen dringenden Hilferuf aus der Zitadelle in Mainz berichtet: In der „Ambulanz ohne Grenzen“, die vom Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. betrieben wird, gingen die Schutzausrüstung für die Mitarbeiter und das Desinfektionsmittel langsam aus. Die Mainzer AoG-Regionalgruppe traf sich, um schnelle Hilfe zu organisieren: „Denn die zuverlässige Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung und Obdachlosen ist wegen der Schließung vieler unterstützender Einrichtungen im Moment besonders wichtig.“ 

Über das Wochenende gelang es den ehrenamtlichen Mitgliedern, Einmalkittel, Mundschutz, Desinfektionsmittel und einige Schutzbrillen zu beschaffen und an die Ambulanz zu übergeben. 

Erfahrung aus der Ebola-Epidemie

Apotheker Helfen e.V. (AH) unterstützt außerdem die Hilfsorganisation „Don Bosco Fambul“ in Sierra Leone dabei, die Vorräte an Hygieneartikeln, Arzneimitteln und Grundnahrungsmitteln aufzustocken. Aus der Ebola-Epidemie 2014 gebe es vor Ort viel Erfahrung, schreibt die Organisation. Schutzmasken seien noch auf Lager. Heime, die Kinder und Jugendlichen ein Zuhause geben, seien für Besucher geschlossen.Junge Mädchen und Frauen, die sich zum Unterhalt ihrer Familien auf den Straßen von Freetown prostituieren, seien oft HIV-positiv. Solche vulnerablen Gruppen benötigten Schutz und Versorgung.

Difäm plant lokale Produktion von Desinfektionsmitteln

Die Fachstelle für Pharmazeutische Entwicklungszusammenarbeit des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission e.V. (Difäm) in Tübingen arbeitet eng mit kirchlichen Gesundheitspartnern in 12 afrikanischen Ländern zusammen. Schwerpunktländer mit hohem Bedarf sind Liberia, Tschad und Kongo DRC.

Das Difäm unterstützt dem Lagebericht zufolge insbesondere kirchliche Zentralapotheken bei der Versorgung der Gesundheitseinrichtungen, beim Aufbau von Qualitätssicherungssystemen und in der Qualitätskontrolle durch das GPHF Minilab (Global Pharma Health Fund e.V.). Mit den Zentralapotheken plant das Difäm nun zudem die lokale Produktion von Desinfektionsmitteln nach WHO-Vorgaben (insbesondere die Zusammensetzung Ethanol, Glycerin, H202). 

Zwei kamerunische Zentralapotheken sollen bereits mit der Produktion begonnen haben. Herausfordernd bleibe aber die lokale Beschaffung der Ausgangsstoffe in ausreichender Menge und Qualität., heißt es. Außerdem unterstützt das Difäm kirchliche Gesundheitsverbände und deren Krankenhäuser im klinischen Bereich. Dies soll die Sauerstoffversorgung und die Bereitstellung von Schutzmaterialien einschließen.

Aktuell führt das Difäm eine umfassende Bedarfsabfrage bei den lokalen Partnern durch. Mit Unterstützung von Brot für die Welt und weiteren Akteuren seien große Beschaffungen geplant, für Schutzmaterialien sollen die Lieferungen ggf. auch direkt aus Asien kommen, heißt es. 

Gefahr von Arzneimittelfälschungen besonders hoch 

Im Zusammenhang mit COVID-19 soll es auch in vielen afrikanischen Ländern zu einer erhöhten Nachfrage nach dem Malariapräparat Chloroquin gekommen sein, obwohl es keine Wirksamkeitsbelege gibt und es gerade in klinischen Studien untersucht wird. Unter solchen Bedingungen sei auch die Gefahr von Arzneimittelfälschungen besonders hoch. 

Ein Difäm-Partner in Kamerun etwa soll Ende März drei Chloroquin-Fälschungen anhand des GPHF Minilabs aufgedeckt haben. „Die nationale Behörde reagierte schnell und veröffentlichte am 30.3.2020 eine Warnmeldung.“ Auch im Kongo sollen Partnerorganisationen zwei Chloroquin-Fälschungen aufgedeckt haben. „Daraufhin publizierte die WHO zeitnah am 31.3.2020 eine umfassende Warnmeldung bzgl. gefälschter medizinischer Produkte, Diagnostika und Medikamente, in Zusammenhang mit COVID-19“. 

Die Arbeit des Difäm, insbesondere das Minilab-Netzwerk mit 15 Partnern, steht in engem Zusammenhang mit dem Ökumenisch-Pharmazeutischen Netzwerk (EPN). Das EPN mit Sitz in Nairobi mit 115 Mitglieder/-organisationen in 37 Ländern werde von den pharmazeutischen Hilfswerken in Deutschland unterstützt. Mehr als 300 Millionen Menschen seien auf die Gesundheitsversorgung durch Gesundheitseinrichtungen der Netzwerkmitglieder angewiesen. Die Mehrheit der Mitglieder seien christliche Organisationen, alle nicht staatlich. Sie sollen rund 40 bis 60 Prozent der Gesundheitsversorgung abdecken.



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