Hanseatisches Oberlandesgericht

Opiumtinktur im Versandgefäß ist kein Fertigarzneimittel

Hamburg - 18.05.2020, 11:00 Uhr

Erst wenn die Tinktur von der Apotheke für eine bestimmte Indikation in ein verbrauchergerechtes Gefäß abgefüllt und mit einer Dosierungsanleitung versehen wurde, ist es „zur Abgabe an den Verbraucher“ bestimmt.  (Foto: Victor Moussa /stock.adobe.com)

Erst wenn die Tinktur von der Apotheke für eine bestimmte Indikation in ein verbrauchergerechtes Gefäß abgefüllt und mit einer Dosierungsanleitung versehen wurde, ist es „zur Abgabe an den Verbraucher“ bestimmt.  (Foto: Victor Moussa /stock.adobe.com)


Verfahren zwischen den Herstellern: Oberlandesgericht bestätigt erste Instanz

Doch nun wurde der Rechtsstreit zwischen den Herstellern offenbar entschieden. Zunächst hatte das Hanseatische Oberlandesgericht einen Verhandlungstermin im Mai 2020 angesetzt, sagte diesen jedoch wegen der Pandemie ab. Am 21. April erklärte das Gericht, der zuständige Senat beabsichtige die Berufung gegen das Urteil vom Mai 2019 zurückzuweisen (Az.: 3 U 144/19). Denn die erste Instanz habe den Antrag zu Recht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht erklärte, die Zulassungspflicht bestehe nicht bereits für industriell oder gewerblich hergestellte Arzneimittel, die nicht allein deswegen Fertigarzneimittel seien. Die Zulassungspflicht für Arzneimittel ergebe sich aus den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AMG. Dort geht es darum, ob das Produkt „zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt“ ist. Dazu erklärte das Gericht:

„Zur Abgabe an den Verbraucher ‚bestimmt‘ ist das Mittel nur dann, wenn es von demjenigen, der es in den Verkehr bringt, mit einer entsprechenden Zweckbestimmung versehen wird.“ Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass dies hier nicht der Fall sei.

Zusätzliche Gründe vom Oberlandesgericht: Funktion von Bulkware gewürdigt

Das Oberlandesgericht führte zusätzlich weitere Argumente an. Es erklärte, allein der Umstand, dass das Mittel vom Apotheker in seiner Zusammensetzung nicht verändert werde, rechtfertige nicht die Annahme, es handele sich um ein zur Abgabe an den Verbraucher bestimmtes Arzneimittel. Maßgeblich sei die Zweckbestimmung. Das Gericht erklärte weiter, bei dem besagten Produkt dürfte es sich um ein Zwischenprodukt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AMG handeln. Dass dies vom Apotheker auch ohne eine maßgebliche weitere Verarbeitung als Arzneimittel abgegeben werden könne, stehe der Einordnung als Zwischenprodukt nicht entgegen. Der Senat könne auch nicht der Annahme folgen, das Produkt werde nach Abfüllung durch den Apotheker als Fertigarzneimittel qualifiziert. Denn es sei nichts Ungewöhnliches daran, wenn eine Bulkware am Ende der Herstellung portioniert werde. Das Oberlandesgericht beanstandete auch die Werbung für die Opiumtinktur nicht: Diese verweise lediglich auf die Verwendbarkeit der Tinktur als Ausgangsstoff zur Herstellung von Fertig- und Rezeptuarzneimitteln. Wie die Herstellung und der Vertrieb durch Apotheker rechtlich zu qualifizieren sei, lasse sie dagegen offen. 

Aufgrund dieses Beschlusses riet das Hanseatische Oberlandesgericht der Antragstellerin, die Berufung zurückzunehmen. Dies ist inzwischen geschehen. Daraufhin erklärte das Gericht mit Beschluss vom 11. Mai 2020, dass nun kein Recht auf Berufung gegen das Urteil des Landgerichts vom Mai 2019 mehr bestehe. Reaktionen von Beteiligten des Verfahrens sind bisher nicht bekannt.

Offene Fragen

Der Rechtsstreit zur Abgabe der Opiumtinktur in einer Hamburger Apotheke ist damit noch nicht entschieden. Denn dies ist ein anderes Verfahren. Für den nächsten Schritt in diesem Verfahren wäre aber ebenfalls das Hanseatische Oberlandesgericht zuständig. Dies hat sich in seinem jüngsten Beschluss zum Verfahren zwischen den Herstellern auch mit den Abläufen in Apotheken auseinandergesetzt und dieser Beschluss dürfte die Position der Apotheken stärken.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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