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Sozialgericht Nordhausen
Null-Retax: Apotheke hat Anspruch auf ermessensfehlerfreie Kassen-Entscheidung
... aber die Kasse kann im Einzelfall dennoch entscheiden, die Apotheke zu vergüten
Bleibt also der Hilfsantrag auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung – schließlich kann der Vergütungsanspruch der Apotheke auch entstehen, wenn die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines Formfehlers ganz oder teilweise zu vergüten (§ 3 Abs. 1 Satz 2, 3. Spiegelstrich des Rahmenvertrags i.d.F. von 2016, jetzt geregelt in § 6 Absatz 1 c) Rahmenvertrag – Stand 1. Januar 2019). Diese Regelung des Rahmenvertrags erkläre zwar nicht ausdrücklich, in welcher Form und in welchen Fällen eine solche Einzelfallentscheidung zu erfolgen habe oder erfolgen könne. Doch das Gericht legt die Regelung nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck aus: Demnach hat eine Apotheke – zumindest auf entsprechenden Antrag – einen vertraglichen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Einzelfallentscheidung der Krankenkasse. Denn im Hinblick auf die bislang strenge Rechtsprechung der Sozialgerichte bis zum Jahr 2016 sollte diese Regelung im Rahmenvertrag nach dem Willen von DAV und GKV-Spitzenverband Krankenkassen die Möglichkeit eröffnen, im Einzelfall von einer Beanstandung abzusehen, obwohl sie dazu gemäß vertraglicher Vorgaben berechtigt wären.
Willkürliche Retax-Entscheidungen nicht gewollt
Würde man die Regelung anders verstehen, könnten Kassen ohne Überprüfungsmöglichkeit durch die Gerichte nahezu willkürlich entscheiden, ob sie von einer Retaxierung ganz oder teilweise Abstand nehmen. Das könne von den Vertragsparteien „kaum so gewollt gewesen sein“ und würde letztlich auch zu einem Leerlaufen und damit zu einer Sinnentfremdung der besagten Vorschrift führen, so das Gericht.
Im vorliegenden Fall sieht das Gericht einen „eindeutigen Ermessensfehler in Form eines sogenannten Ermessensnichtgebrauchs“. Zwar sei einzuräumen, dass kein unbedeutender formaler Fehler im Sinne des Rahmenvertrags vorgelegen habe, sondern ein bedeutender Verstoß gegen die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. Trotzdem: Damit sei das Ermessen der Kasse nicht auf Null reduziert gewesen. Der Verweis der Kasse, es handele sich nicht um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden Formfehler, reicht damit nicht.
Wenn die Kasse nun die geforderte Ermessensentscheidung treffe, muss sie laut Gericht jedenfalls berücksichtigen, dass die betroffene Patientin seit 2013 durchgängig – nach dem eindeutig bestätigten Willen der verordnenden Ärztin unter Überschreitung der Höchstmenge mit Palexia® – versorgt werden sollte und durch die Klägerin auch versorgt worden ist. Das gleiche gelte für den Umstand, dass trotz pflichtwidriger Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt hinsichtlich des „A“ der Kasse kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist und keine unsachgemäße oder falsche Behandlung der Patientin erfolgte.
Nun bleibt abzuwarten, wie die erneute Entscheidung der Kasse für die Apothekerin ausgeht.
Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 25. Februar 2020, Az.: S 6 KR 251/18
4 Kommentare
Das A
von Sven Larisch am 25.05.2020 um 7:43 Uhr
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A
von Dr. Schweikert-Wehner am 19.05.2020 um 14:23 Uhr
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Retax
von Conny am 19.05.2020 um 12:13 Uhr
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Willkür oder Betrug?
von Thomas Eper am 19.05.2020 um 12:03 Uhr
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