COVID-19

Visier statt Alltagsmaske – geht das?

Stuttgart - 29.05.2020, 17:55 Uhr

Der bestimmungsgemäße Einsatz von Visieren – allerdings in Verbindung mit Atemschutz – ist laut RKI insbesondere bei aerosolproduzierenden Maßnahmen in Einrichtungen des Gesundheitswesens als Teil der persönlichen Schutzausrüstung weiterhin zu empfehlen. Und im Alltag? ( r / Foto: imago images / Independent Photo Agency Int)

Der bestimmungsgemäße Einsatz von Visieren – allerdings in Verbindung mit Atemschutz – ist laut RKI insbesondere bei aerosolproduzierenden Maßnahmen in Einrichtungen des Gesundheitswesens als Teil der persönlichen Schutzausrüstung weiterhin zu empfehlen. Und im Alltag? ( r / Foto: imago images / Independent Photo Agency Int)


Apotheker haben Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie schon erprobt, ehe sie zur Pflicht wurden. Dabei wurde schnell klar, dass das Tragen von Masken keinen Spaß macht. Und so stellten sich Apotheker die Frage, ob eine Plexiglas-Wand vor dem HV oder ein Visier die Maske für das Personal ersetzen können. Offenbar interessiert sich mittlerweile auch die allgemeine Öffentlichkeit verstärkt für Visiere. Doch das RKI sagt: Visiere sind keine gleichwertige Alternative zur Mund-Nasen-Bedeckung. 

Als Schutz gegen Corona interessieren sich offensichtlich immer mehr Leute in Deutschland für ein durchsichtiges Visier – obwohl es keine anerkannte Alternative zur Maske ist. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Nach einer Auswertung der Suchmaschine Google vom Donnerstag stieg die Anfrage „Visiere statt Masken kaufen“ in den vergangenen sieben Tagen um 1.300 Prozent. Die Frage „Wo sind Visiere erlaubt“ stieg um 170 Prozent. Das Suchinteresse nach dem Begriff „Visier“ erreichte laut Google-Angaben in diesem Monat ein Rekordhoch. 

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Schon zuvor stießen Visiere in Apotheken auf großes Interesse und kommen oder kamen dort teilweise zum Einsatz, vor allem, als Masken Mangelware waren. DAZ.online berichtete schon Ende April: In den meisten Apotheken wurden bereits zahlreiche Schutzmaßnahmen getroffen. Viele tragen ohnehin schon Masken, hin und wieder sieht man auch Visiere. Ein „Spuckschutz“ ist fast schon Normalität. Mit den neuen Vorgaben kommt aber vielerorts die Frage auf, ob das Personal Masken tragen muss, wenn es eine mechanische Barriere am HV gibt. 

Der bayerische Apothekerverband ging damals nicht davon aus, dass man auch mit einer Installation von Plexiglasscheiben oder der Ergreifung anderweitiger Maßnahmen in der Apotheke diese Pflicht abwenden kann. Inwiefern ein Visier die Maske ersetzen kann? Dazu war leider keine Einschätzung seitens des Verbands damals möglich. In Brandenburg war man sich schon sicherer: „Die Maskenpflicht gilt damit auch für Apotheken. Nicht nur Patienten ab sechs Jahren, sondern auch das Personal der Apotheke muss in der Apotheke eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Die Installation von Plexiglasscheiben oder andere vergleichbare Maßnahmen – wie etwa das Tragen eines Visiers – entbinden nicht von der Maskenpflicht.“

Visiere – auch Face Shields genannt – werden auch in der Gastronomie und bei Ärzten oder Friseuren als zusätzlicher Schutz genutzt. Doch ihr Einsatz ist auf rechtlicher Ebene bundesweit weiterhin unterschiedlich geregelt, wie ein Artikel des DOZ-Verlags auflistet. 

Die politischen Regelungen sind das eine, wie aber steht es um die Frage wie sinnvoll Visiere auf wissenschaftlicher Ebene im Vergleich zu Alltagsmasken sind? 

Keine gleichwertige Alternative

Die dpa schreibt dazu: Visiere halten das Verströmen von Aerosolen offensichtlich nicht so gut ab wie Masken. Laut Robert Koch-Institut können Visiere „nach unserem Dafürhalten nicht als gleichwertige Alternative“ zur Mund-Nasen-Bedeckung angesehen werden. Im Merkblatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu Mund-Nasen-Bedeckungen werden Visiere nicht aufgeführt. Auch die meisten Behörden erkennen sie nicht als Alternative an – allenfalls aus gesundheitlichen Gründen gelten Ausnahmen. Das sieht auch Karl Lauterbach (SPD) so. 

Am 25. Mai äußerte er sich auf Twitter in Bezug auf die Gastronomie dazu: „Das Face Shield leitet die Aerosole gezielt auf den Kuchen und die Gäste. Ein Glück, dass draussen serviert wird. Für Aerosolübertragung bringen Face Shields ohnehin so gut wie nichts…“. 

Stärkeres Augenmerk auf Aerosole

Auch nach Ansicht des Virologen Professor Christian Drosten sollte im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ein stärkeres Augenmerk auf Aerosole gelegt werden, meldete die dpa am 25. Mai. Mit Blick auf geschlossene Räume sagte Drosten, im Alltag „sollte man sich eher vielleicht aufs Lüften konzentrieren und weniger auf das ständige Wischen und Desinfizieren“.

Der dennoch weiterhin bestehende Wunsch der Allgemeinheit (und der Apotheker) nach Alternativen für Masken ist zwar verständlich – schon allein, weil die Kommunikation dadurch deutlich erschwert wird – , doch leider nicht stichhaltig. Die Datenlage ist insgesamt schlecht. Das RKI erklärt auf seiner Internetseite (Stand 4. Mai): Trotz durchaus geringer Datenlage und Zuständigkeit der Länder bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Infektionsprävention kann die Verwendung von Visieren nicht als gleichwertige Alternative zur Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) angesehen werden. Zwar sei auch die Schutzwirkung einer MNB bisher nicht wissenschaftlich belegt, sie erscheine aber plausibel: Infektiöse Tröpfchen, die man etwa beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, könnten durch MNB abgefangen werden (Fremdschutz). Visiere dagegen könnten maximal die direkt auf die Scheibe auftretenden Tröpfchen auffangen. Die Verwendung von Visieren anstelle von MNB werde zwar bereits von verschiedenen Herstellern beworben, jedoch müssten MNB richtig über Mund, Nase und Wangen platziert sein und an den Rändern möglichst eng anliegen, um das Vorbeiströmen von Luft an den Seiten zu minimieren. 

Andere Regeln für das Gesundheitswesen?

Der bestimmungsgemäße Einsatz von Visieren – allerdings in Verbindung mit Atemschutz – ist laut RKI insbesondere in aerosolproduzierenden Situationen in Einrichtungen des Gesundheitswesens als Teil der persönlichen Schutzausrüstung weiterhin zu empfehlen. Ebenso bleibe es natürlich jedem Bürger frei, ein Visier zu tragen, wenn er aus medizinischen oder anderen triftigen Gründen keine MNB tragen kann. So könne man zeigen, dass man die derzeit getroffenen Maßnahmen für die Bevölkerung unterstützt und dadurch einen „vielleicht auch nur minimalen“ Beitrag leisten.

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Zum Tragen jagen

Apothekerin Monika Knobloch-Schröder aus der Aegidius-Apotheke im baden-württembergischen Leimen schrieb in einem „Plädoyer für das Tragen einer Maske“, das sie an die DAZ-Redaktion ­gerichtet hat (DAZ 21/2020): „Ich verstehe das Problem nicht, das viele Kollegen mit dem Mundschutztragen haben. Wir wollen doch alle, dass sich das Coronavirus so wenig wie möglich verbreitet. Da es in den meisten Fällen über Tröpfchen geht, hilft der Mundschutz dagegen.“ Sie stellt die Frage: „In welcher Apotheke kann ein Abstand zu den Kollegen von 1,5 Metern eingehalten werden?“ In ihrem Betrieb sei das nicht der Fall. „Und so tragen wir ihn.“ Der noch vor Wochen herrschende Maskenmangel sei überstanden. Deshalb könne man die Masken auch häufig genug wechseln. „Wenn etwas sinnvoll ist, dann sollte man es auch tun“, schließt Knobloch-Schröder ihr Plädoyer ab. Beim Mundschutz-Tragen ginge es darum, die Mitmenschen vor den eigenen ­Keimen zu schützen, und nicht um­gekehrt. „Das scheinen noch nicht alle verstanden zu haben“, meint die Apothekerin.

„Aus unserer Sicht sollten die mittlerweile überall eingesetzten Plexiglasscheiben nicht als alleiniger Schutz angesehen werden, sondern vielmehr in Kombination mit Masken genutzt werden“, erklärte auch Apotheker Sven Seißelberg vom Vorstand der AG KatPharm der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) gegenüber der DAZ (DAZ 21/2020). „Optimal ist sicherlich der Einsatz von FFP2-Masken. Hier ist jedoch neben den Kosten auch die Belastung des Personals am höchsten. Wir halten daher auch den Einsatz eines Mund-Nasen-Schutzes und sogenannter Community-Masken für ausreichend.“ Ein Visier wird nicht als mögliche Option genannt.



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2 Kommentare

Visier

von Margot Scholz am 09.06.2020 um 16:10 Uhr

Schon wieder streiten sich die Wissenschaftler: erst war Maskenschutz kein sicherer Schutz, dann galt er nur als Schutz für andere und nicht für den Träger. Jetzt aber sind sie sich sicher: Maskenschutz bietet Schut für alle! Jetzt sind die Visiere mit Plexiglas im "Visier" - die einen Wissenschaftler sind sich sicher: gleichwertiger Schutz wie Maskenschutz! Andere Wissenschaftler sind sich uneinig und einige erklären, ist nicht gleichwertiger Schutz! JA WAS DENN NUN?????! Dass es kein gleichwertiger Schutz wie Masken sein soll, halte ich für ein Gerücht, denn das Visier deckt mehr ab, z.B. auch Augen und es reicht bis zur Mitte des Halses (!) als die Maske! Bitte einigt Euch endlich, das ist nervtötend! Die Maske bei Hitze ist eine Folter!! Mit höflichem Gruß!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Visier

von Frank Dengler am 11.06.2020 um 3:48 Uhr

Es geht ja beim Mund-Nase-Schutz um den Ausstoß der sog. Areosole, die sich noch sehr lange in der Raumluft halten können und so für Infektionen sorgen. Diese werden selbst durch nicht medizinische Alltagsmasken deutlich besser zuückgehalten als durch die Plastikvisiere. Da sind sich das Robert-Koch- Institut und die allermeisten Mediziner einig! Zur Erläuterung: Die Visiere sind leider unten und an den Seiten offen - stellen Sie sich mal vor, was passiert, wenn jemand mit Visier niest... oder als Kellner*in direkt auf das unterhalb des Visers gehaltene Tablett atmet...

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