Europäischer Gerichtshof

Gratismuster von Rx-Arzneimitteln sind für Apotheken tabu

Berlin - 11.06.2020, 10:50 Uhr

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat sich mit der Frage befasst, ob Pharmaunternehmen Apothekern gratis Arzneimittelmuster überlassen dürfen. (x / Foto: ks)

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat sich mit der Frage befasst, ob Pharmaunternehmen Apothekern gratis Arzneimittelmuster überlassen dürfen. (x / Foto: ks)


Mitgliedstaaten dürfen OTC-Muster für Apotheker erlauben

Anfang Februar veröffentlichte der Generalanwalt am EuGH, Giovanni Pitruzzella, seine Schlussanträge. Darin führte er aus, dass die europarechtlichen Vorgaben in jeder Hinsicht deutlich seien: Demnach könne es Arzneimittelmuster nur für verordnende Ärzte geben, nicht aber für Apotheken. Einen Unterschied, ob es sich um verschreibungspflichtige oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, machte Pitruzzella nicht. 

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Ganz so weit geht der EuGH in seiner Entscheidung nicht. Der Gemeinschaftskodex ist seiner Ansicht nach so auszulegen, dass nur Ärzte, also verschreibungsberechtigte Personen, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel erhalten dürfen. Und dies hat zur Folge, dass eine Abgabe an Apotheker nicht zulässig ist. „Diese Arzneimittel dürfen in Anbetracht der mit ihrem Gebrauch verbundenen Gefahr oder der hinsichtlich ihrer Wirkungen bestehenden Unsicherheit nämlich nicht ohne ärztliche Überwachung verwendet werden“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts.

Die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage erübrigt sich für den EuGH nach dieser verneinenden Antwort. Allerdings machen die EU-Richter deutlich: Im Rahmen des nationalen Rechts werde den Apothekern durch den Kodex nicht die Möglichkeit genommen, Gratismuster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, damit sie sich mit neuen Präparaten vertraut machen und Erfahrungen mit deren Anwendung sammeln können. 

Was das nun für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bedeutet, muss sich zeigen. Derzeit führt auch die Norm im Arzneimittelrecht die Apotheken nicht als empfangsberechtigte Personengruppe für Arzneimittelmuster auf. Und es ist stets nur von „Fertigarzneimitteln“ die Rede, nicht speziell von verschreibungs- oder apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Ein solcher Unterschied wird nur in § 47 Abs. 3 Satz 1 Nummer 2 Arzneimittelgesetz gemacht – doch Apotheker sind keine Personen, die Heilkunde berufsmäßig ausüben. 

§ 47 Abs. 3 Arzneimittelgesetz

Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an 

1. Ärzte, Zahnärzte oder Tierärzte,

2. andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,

3. Ausbildungsstätten für die Heilberufe.

Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen 

1. im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder

2. die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,

enthalten.

Juristen legen den Umstand, dass Apotheker nicht genannt sind, bislang unterschiedlich aus. Während die einen meinen, dass ihre Nicht-Erwähnung zwangsläufig zu ihrem Ausschluss führe, gibt es andere, die das genaue Gegenteil vertreten. Vom Wortsinn her ist wohl die Ausschluss-These leichter nachvollziehbar. Doch diese Entscheidung bleibt dem Bundesgerichtshof überlassen. Alternativ könnte natürlich auch der Gesetzgeber für Klarheit sorgen und eine EU-konforme Anpassung im Arzneimittelrecht vornehmen.  

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juni 2020, Rs. C-786/18



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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