- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
10. Juni 2020
Früher, ja früher fuhr man mal Ende Mai, Anfang Juni nach Meran, schlenderte durch die Arkaden der Laubengasse, freute sich über die wilden Wasser der Passer, entspannte in der Südtiroler Bergwelt, freute sich über die Südtiroler kulinarischen Spezialitäten samt Weinen – und hörte nebenbei so manchen netten pharmazeutischen Fortbildungsvortrag im Meraner Kurhaus. Ja, die Woche mit Fronleichnam war seit Jahren Pharmacon-Woche in Meran. Und in Corona-Zeiten? Nix da, den Südtiroler Rotwein trinken wir nun zu Hause, kaufen uns dazu Speck, Käse und Schüttelbrot und hocken vor der Glotze oder dem PC und schauen pharmacon@home. 1000 Apothekerinnen und Apotheker hatten sich zur Online-Fortbildung angemeldet. Mehr ging angeblich technisch nicht. Selbst auf die immer mit Spannung erwartete Begrüßungsrede des BAK-Präsidenten mussten wir nicht verzichten. Na, läuft doch, mein liebes Tagebuch. Leider nicht immer, wie der Vortrag mit dem Referenten Holger Neb über Covid-19 zeigte. Die Tonqualität war von Anfang an eine Zumutung, ständig Plopp-Geräusche, und nach einer guten halben Stunde versagte der Ton vollends, man hörte nur noch ein Knistern. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, ich habe Online-Seminare, Telkos und Videokonferenzen schon mit wesentlich besserer Technik erlebt. Der für die Technik zuständige ABDA-Dienstleister pharma4U, der sich die Werbeaussage „Wir digitalisieren die Pharmazie“ auf seine Fahnen geschrieben hat, bemühte sich zwar, die Tonleitung zu reparieren, aber für den Rest des Vortrags war da nicht viel zu hören. Und nicht nur wir stellen uns auch die Frage: Warum konnten sich nur 1000 Teilnehmer einloggen? Warum diese künstliche Beschränkung? Warum wurde die Teilnahmekapazität „aufgrund technischer Vorgaben beschränkt“? Da gibt’s doch bessere Techniken! Und dabei schrieb der Präsident der Bundesapothekerkammer auf seiner Pharmacon-Website: „Nutzen Sie dieses einmalige Angebot! Ich lade Sie alle zur Teilnahme ein!“, Ja, mein liebes Tagebuch, ALLE steht da! Von wegen! Nein, so richtig gut war das alles noch nicht. Immerhin, als kleinen Trost können sich ALLE die Vorträge nachträglich vom 13. bis 22. Juni ansehen, allerdings dann ohne Teilnehmer-Zertifikate. Also, beim nächsten Kongress wollen wir ALLE alles besser haben.
Die Kammerversammlung des Kammerbezirks Westfalen-Lippe hat in ihrer jüngsten Online-Versammlung mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt, die Berufsordnung zu ändern, um an den Modellprojekten zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken, wie von Jens Spahn gewünscht, teilzunehmen. Und jetzt sind dort die Ärzte sauer. In einer gemeinsamen Mitteilung warnen Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung davor, dass die Patientensicherheit leiden könnte, wenn Apotheker impfen. Ja, mein liebes Tagebuch, mit solchen Reaktionen müssen wir leider immer noch rechnen. Zu den Argumenten, die die Ärzte im Bezirk Westfalen-Lippe vorbringen, heißt es z. B. „Für das Impfen sind neben den unbedingt erforderlichen ärztlichen Fähigkeiten und ärztlichem Wissen auch geeignete Räumlichkeiten sowie das Einhalten von Hygienebestimmungen und Ausrüstungsstandards nötig. Es darf kein Impfen am Verkaufstresen geben.“ Ach, mein liebes Tagebuch, wie polemisch ist das denn! Als ob wir am „Verkaufstresen“ impfen wollen, so ein Unfug! Das zeigt: Echte Argumente gegen Grippeschutzimpfungen in Apotheken haben die Ärzte nicht. Nun, da müssen wir jetzt mit Selbstbewusstsein durch.
Rückenstärkung und Selbstbewusstsein sind auch bei diesem Thema gefragt: Eine Kooperation unternehmensnaher Krankenkassen möchte gerne die pharmazeutischen Dienstleistungen der Apotheken wie beispielsweise das Medikationsmanagement für ihre Versicherten in Anspruch nehmen – aber bezahlen wollen sie dafür nichts: Die finanziellen Mittel dafür sollen aus den Wirtschaftlichkeitsreserven kommen, die das berühmt-berüchtigte 2hm-Gutachten entdeckt haben will. Die in dem Gutachten errechneten 1,24 Mrd. Euro, die nach Ansicht der Gutachter jährlich zu viel an die Apotheken gezahlt werden, sollten „effizient umverteilt werden“. Mein liebes Tagebuch, mit anderen Worten: Wir Apothekers sollen uns selbst ausbeuten. Schier unglaublich, wie uns dieses unsägliche Gutachten aus Absurdistan verfolgt. Also, nur mal so zurechtgerückt: Das Gutachten wurde weit vor Corona erstellt und war schon damals mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen. Apotheken und überbezahlt? Never! Und erst recht nicht in Corona-Zeiten und danach. Gerade die letzten Wochen haben gezeigt, dass Apotheken keineswegs zu viel Honorar erhalten. Selbst die Politik hat dies erkannt: Jens Spahn hat sogar ein Honorar für den Botendienst eingeführt – zwar befristet, aber darüber müssen wir noch sprechen. Auf alle Fälle: Wenn das Apothekenreformgesetz die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen bringt, dann kann dies in unserer heutigen Honorarsystematik nur zusätzlich zu unserem Honorar verstanden werden. Und über die Höhe und die Art des Honorars wird auch noch zu reden sein.
14 Kommentare
Kosten für Apothekenschutzmassnahmen
von Stephan Garrecht am 15.06.2020 um 9:15 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle ich selbst
von Michael Reinhold am 14.06.2020 um 15:57 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten
AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle
von Hartmut Schmidt am 14.06.2020 um 17:50 Uhr
AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle
von Anita Peter am 15.06.2020 um 5:59 Uhr
AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle
von Michael Reinhold am 15.06.2020 um 7:23 Uhr
AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle
von Anita Peter am 15.06.2020 um 11:10 Uhr
@MwSt.-Senkung; DAV/ABDA: Schon mal nachgedacht…??
von Gunnar Müller, Detmold am 14.06.2020 um 13:26 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: @MwSt.-Senkung; DAV/ABDA: Schon mal
von Reinhard Rodiger am 14.06.2020 um 16:10 Uhr
Wir haben alles richtig gemacht ... was wir falsch machen konnten ...
von Christian Timme am 14.06.2020 um 11:07 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Es wird nichts mehr passieren
von Dr. Radman am 14.06.2020 um 10:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Es wird nichts mehr passieren
von Anita Peter am 14.06.2020 um 11:03 Uhr
pharmacon@home als on(k)lein@lowcom
von Christain Timme am 14.06.2020 um 10:05 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Spahn als Lonbbyist
von Conny am 14.06.2020 um 9:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Schöne Worte verbleichen schnell !
von Ulrich Ströh am 14.06.2020 um 8:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.