Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

14.06.2020, 08:00 Uhr

Die letzte Woche – sie fühlte sich an wie Grüße aus Absurdistan. (Foto: Andi Dalferth)

Die letzte Woche – sie fühlte sich an wie Grüße aus Absurdistan. (Foto: Andi Dalferth)


10. Juni 2020

Früher, ja früher fuhr man mal Ende Mai, Anfang Juni nach Meran, schlenderte durch die Arkaden der Laubengasse, freute sich über die wilden Wasser der Passer, entspannte in der Südtiroler Bergwelt, freute sich über die Südtiroler kulinarischen Spezialitäten samt Weinen – und hörte nebenbei so manchen netten pharmazeutischen Fortbildungsvortrag im Meraner Kurhaus. Ja, die Woche mit Fronleichnam war seit Jahren Pharmacon-Woche in Meran. Und in Corona-Zeiten? Nix da, den Südtiroler Rotwein trinken wir nun zu Hause, kaufen uns dazu Speck, Käse und Schüttelbrot und hocken vor der Glotze oder dem PC und schauen pharmacon@home. 1000 Apothekerinnen und Apotheker hatten sich zur Online-Fortbildung angemeldet. Mehr ging angeblich technisch nicht. Selbst auf die immer mit Spannung erwartete Begrüßungsrede des BAK-Präsidenten mussten wir nicht verzichten. Na, läuft doch, mein liebes Tagebuch. Leider nicht immer, wie der Vortrag mit dem Referenten Holger Neb über Covid-19 zeigte. Die Tonqualität war von Anfang an eine Zumutung, ständig Plopp-Geräusche, und nach einer guten halben Stunde versagte der Ton vollends, man hörte nur noch ein Knistern. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, ich habe Online-Seminare, Telkos und Videokonferenzen schon mit wesentlich besserer Technik erlebt. Der für die Technik zuständige ABDA-Dienstleister pharma4U, der sich die Werbeaussage „Wir digitalisieren die Pharmazie“ auf seine Fahnen geschrieben hat, bemühte sich zwar, die Tonleitung zu reparieren, aber für den Rest des Vortrags war da nicht viel zu hören. Und nicht nur wir stellen uns auch die Frage: Warum konnten sich nur 1000 Teilnehmer einloggen? Warum diese künstliche Beschränkung? Warum wurde die Teilnahmekapazität „aufgrund technischer Vorgaben beschränkt“? Da gibt’s doch bessere Techniken! Und dabei schrieb der Präsident der Bundesapothekerkammer auf seiner Pharmacon-Website: „Nutzen Sie dieses einmalige Angebot! Ich lade Sie alle zur Teilnahme ein!“, Ja, mein liebes Tagebuch, ALLE steht da! Von wegen! Nein, so richtig gut war das alles noch nicht. Immerhin, als kleinen Trost können sich ALLE die Vorträge nachträglich vom 13. bis 22. Juni ansehen, allerdings dann ohne Teilnehmer-Zertifikate. Also, beim nächsten Kongress wollen wir ALLE alles besser haben.


Die Kammerversammlung des Kammerbezirks Westfalen-Lippe hat in ihrer jüngsten Online-Versammlung mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt, die Berufsordnung zu ändern, um an den Modellprojekten zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken, wie von Jens Spahn gewünscht, teilzunehmen. Und jetzt sind dort die Ärzte sauer. In einer gemeinsamen Mitteilung warnen Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung davor, dass die Patientensicherheit leiden könnte, wenn Apotheker impfen. Ja, mein liebes Tagebuch, mit solchen Reaktionen müssen wir leider immer noch rechnen. Zu den Argumenten, die die Ärzte im Bezirk Westfalen-Lippe vorbringen, heißt es z. B. „Für das Impfen sind neben den unbedingt erforderlichen ärztlichen Fähigkeiten und ärztlichem Wissen auch geeignete Räumlichkeiten sowie das Einhalten von Hygienebestimmungen und Ausrüstungsstandards nötig. Es darf kein Impfen am Verkaufstresen geben.“ Ach, mein liebes Tagebuch, wie polemisch ist das denn! Als ob wir am „Verkaufstresen“ impfen wollen, so ein Unfug! Das zeigt: Echte Argumente gegen Grippeschutzimpfungen in Apotheken haben die Ärzte nicht. Nun, da müssen wir jetzt mit Selbstbewusstsein durch.

 

Rückenstärkung und Selbstbewusstsein sind auch bei diesem Thema gefragt: Eine Kooperation unternehmensnaher Krankenkassen möchte gerne die pharmazeutischen Dienstleistungen der Apotheken wie beispielsweise das Medikationsmanagement für ihre Versicherten in Anspruch nehmen – aber bezahlen wollen sie dafür nichts: Die finanziellen Mittel dafür sollen aus den Wirtschaftlichkeitsreserven kommen, die das berühmt-berüchtigte 2hm-Gutachten entdeckt haben will. Die in dem Gutachten errechneten 1,24 Mrd. Euro, die nach Ansicht der Gutachter jährlich zu viel an die Apotheken gezahlt werden, sollten „effizient umverteilt werden“. Mein liebes Tagebuch, mit anderen Worten: Wir Apothekers sollen uns selbst ausbeuten. Schier unglaublich, wie uns dieses unsägliche Gutachten aus Absurdistan verfolgt. Also, nur mal so zurechtgerückt: Das Gutachten wurde weit vor Corona erstellt und war schon damals mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen. Apotheken und überbezahlt? Never! Und erst recht nicht in Corona-Zeiten und danach. Gerade die letzten Wochen haben gezeigt, dass Apotheken keineswegs zu viel Honorar erhalten. Selbst die Politik hat dies erkannt: Jens Spahn hat sogar ein Honorar für den Botendienst eingeführt – zwar befristet, aber darüber müssen wir noch sprechen. Auf alle Fälle: Wenn das Apothekenreformgesetz die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen bringt, dann kann dies in unserer heutigen Honorarsystematik nur zusätzlich zu unserem Honorar verstanden werden. Und über die Höhe und die Art des Honorars wird auch noch zu reden sein.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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14 Kommentare

Kosten für Apothekenschutzmassnahmen

von Stephan Garrecht am 15.06.2020 um 9:15 Uhr

Was ist eigentlich mit den versprochenen 250€
die wir bekommen sollten?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle ich selbst

von Michael Reinhold am 14.06.2020 um 15:57 Uhr

Was die Maskenpflicht hinterm Tresen betrifft: Diese ist sinnvoll, egal ob man jetzt Plexiglasscheiben hat oder nicht. In einer Apotheke ist es einfach nicht möglich, zu den Kollegen 1,5 Meter Abstand zu halten. Da finde ich die verpflichtende Nutzung von medizinischem Mund-Nase-Schutz sinnvoll. Zumal man ja auch nicht weiß, wo sich die Kollegen am Wochenende aufgehalten haben.

Was die Rewe-Aktion betrifft: Das ist ein Marketing-Gag ähnlich "Greenwashing". Man gibt sich als Unternehmen selbst einen verantwortungsvollen Touch. Das haben auch andere Unternehmen ähnlich gemacht; bspw. hat das Berliner Ruftaxi "Berlkönig" ebenfalls für Corona-Helden kostenfreie Fahrten durchgeführt (natürlich auch hier nicht für Apotheker oder PTAs).
Da muss man sich als Apotheker nicht brüskiert fühlen, weil diese Unternehmen nicht an die Apotheker gedacht haben. Die Ärzte haben da einen Verein namens: "MEZIS-Mein Essen zahle ich selbst".

Offen gesprochen: Als angestellter Apotheker oder als angestellte PTA erkennt man doch am ehesten daran, dass man systemrelevant ist, dass einem der Arbeitgeber einen Corona-Bonus in Höhe von 1500 Euro (oder ähnlich) zukommen hat lassen.

Kein Corona-Bonus durch den Arbeitgeber--> kein Corona-Held --> Beruf ist nicht systemrelevant.

» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten

AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle

von Hartmut Schmidt am 14.06.2020 um 17:50 Uhr

Sie schon wieder

AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle

von Anita Peter am 15.06.2020 um 5:59 Uhr

"Kein Corona-Bonus durch den Arbeitgeber--> kein Corona-Held --> Beruf ist nicht systemrelevant".

So ein Unsinn.

AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle

von Michael Reinhold am 15.06.2020 um 7:23 Uhr

Frau Peter, gemeint ist es so:
Ich verstehe die Aufregung der Apothekerin, von Herrn Ditzel und der DAZ um diesen lächerlichen 5%-Lulli-Werbe-Nachlass bei Rewe nicht. Damit kann ich nichts anfangen. Ich kann auch nichts damit anfangen, dass irgendwelche Leute abends um 21 Uhr an ihrem Fenster sitzen und den Corona-Helfern applaudieren. Mir ist es auch egal, ob die Apotheker in Thüringen "nur" in der Gruppe 2 bei der Kinderbetreuung eingeordnet sind - gemeinsam mit den Polizisten. Ich kann auch mit diesen ganzen zahlreichen "Dankesschreiben" nichts anfangen, egal ob sie nun von Herrn Spahn, vom Präsidenten der Kammer oder von irgendeinem dahergelaufenen Politiker kommen. Und über diese Titelseite der PZ, auf der in großen Buchstaben gönnerhaft "DANKE" stand, haben wir uns ganz herzlich amüsiert.

Das alles bezahlt uns nicht die Miete.

Womit meine Kolleginnen und ich etwas anfangen können, ist diese freiwillige Bonuszahlung, die wir von unserem Vorgesetzten erhalten haben. Daran (und an nichts anderem) merkt man doch, dass man einen wichtigen systemrelevanten Job ausübt und dass dieser Job vom Vorgesetzten gewertschätzt wird. Dafür bin ich meinem Chef sehr dankbar.

Das geht Ihnen doch als selbstständiger Apothekerin genauso. Von diesen ganzen "Dankes"-Aktionen können auch Sie sich nichts kaufen. Auch Sie wollen mehr Geld von der Politik. Das ist relevant. Wir sitzen da im selben Boot.

AW: Maskenpflicht / MEZIS - Mein Essen zahle

von Anita Peter am 15.06.2020 um 11:10 Uhr

Ja wenn Sie Ihre Wertschätzung seitens Ihres Chefs rein an monetären Dingen festmachen, dann sind Sie wirklich unverzichtbar!
Ich kann aus meinen Erlösen schlicht keinen Corona Bonus zahlen. ich hätte aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht schon im April Kurzarbeit anmelden müssen.

@MwSt.-Senkung; DAV/ABDA: Schon mal nachgedacht…??

von Gunnar Müller, Detmold am 14.06.2020 um 13:26 Uhr

Eine Senkung der Mehrwertsteuer soll doch den privaten Konsum anregen: Bei Arzneimitteln? Gehts noch ...??

Und sie soll den (ggf. kurz- oder gar nicht mehr arbeitenden) Steuerzahler entlasten.
Eine – ggf. auch nur temporäre – Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und hier insbesondere auf verschreibungspflichtige Arzneimittel macht doch nur Sinn, wenn es damit taktgleich zu einer entsprechenden Absenkung der KrankenKassen-Tarife und auf diese Weise zu einer Vergünstigungen für die Steuerzahler kommt! Von der ist jedoch überhaupt nicht und nirgendwo die Rede!! (Oder will man sich im Kabinett damit brüsten, die Steuerzahler bei Pille und Viagra zu entlasten…?)

Von einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel würden somit vor allem die KrankenKassen als Trittbrettfahrer profitieren! Und die gesetzlichen sogar doppelt, da der 130er im SGB V den Apothekenrabatt im Gegensatz zur Regelung im 130a als einen Bruttobetrag ausweist (sic! Wie doof ist das denn?!?)!

Die gesetzlichen KrankenKassen als Mehrfach-Profiteure der Corona – Pandemie: Ist DAS von der Politik gewollt??

Worauf warten also unsere Schlafmützen bei DAV/ABDA noch (und unsere bekanntlich einzige Kandidatin aufs PräsidentInnenamt, unsere allseits ver- und geehrte Kollegin Overwiening!)? Ein besseres Argument dafür, dass Arzneimittel doch eben „Güter ganz besondere Art“ sind, kann es doch wohl kaum geben, oder?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: @MwSt.-Senkung; DAV/ABDA: Schon mal

von Reinhard Rodiger am 14.06.2020 um 16:10 Uhr

Weshalb sollten sich die genannten ihren "Erfolg" vermiesen lassen durch schnöde Realität ? Einzig belebend wäre ein Gegenkandidat/in.Dann könnte etwas in Gang kommen, was lange überfällig ist.Eine Richtung-/Zukunftsdebatte.

Wir haben alles richtig gemacht ... was wir falsch machen konnten ...

von Christian Timme am 14.06.2020 um 11:07 Uhr

Das Problem besteht darin es nicht zur Gewohnheit werden zu lassen ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Es wird nichts mehr passieren

von Dr. Radman am 14.06.2020 um 10:24 Uhr

Mit Herrn Spahn wird niemals ein Bon-Verbot Oder RX-Versand-Verbot geben. Das ist die bittere Wahrheit. Bald ist die Legislaturperiode sowieso vorbei.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Es wird nichts mehr passieren

von Anita Peter am 14.06.2020 um 11:03 Uhr

Doch es wird schon was passieren. Spahn wird seinen ursprünglichen Plan mit 2 Euro Boni für Versender durchdrücken.

pharmacon@home als on(k)lein@lowcom

von Christain Timme am 14.06.2020 um 10:05 Uhr

Klein & fein mit Tonausfall statt big & clear for all ... schon wieder zu viel ... verlangt?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Spahn als Lonbbyist

von Conny am 14.06.2020 um 9:24 Uhr

Jetzt hat Herr Spahn mit Herrn Amthor wenigsten einen Gleichgesinnten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Schöne Worte verbleichen schnell !

von Ulrich Ströh am 14.06.2020 um 8:44 Uhr

Tja Herr Ditzel,die beste und treffendste Formulierung kommt meist zum Schluss!

Auch in Ihrem heutigen Tagebuch:

Schöne Worte für Präsenzapotheken als Ersatz für das kommende Scheitern des Rx-Boni Verbots vor der EU-Kommission...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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